Heuberger Bote

Deutsche Schüler fallen wieder zurück

PISA-Studie gibt Anlass zur Sorge – Jeder fünfte 15-Jährige liest nicht auf Grundschul­niveau

- Von Sebastian Heinrich

(KNA/dpa/sz) - Die Leistungen deutscher Schüler bei der internatio­nalen Vergleichs­studie PISA sind wieder zurückgega­ngen. Insgesamt landete Deutschlan­d in den drei aktuell untersucht­en Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwisse­nschaften aber jeweils über dem Durchschni­tt der Länder der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD). Nach Ansicht von Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek kann Deutschlan­d mit den Ergebnisse­n nicht zufrieden sein. „Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein“, sagte die CDU-Politikeri­n nach der Vorstellun­g der Studie am Dienstag. Sie betonte jedoch, dass Deutschlan­d ein gutes Schulsyste­m habe und auch leicht über dem OECD-Durchschni­tt liege. „Damit können wir aber nicht zufrieden sein. Andere Staaten ziehen an uns vorbei“, sagte Karliczek. Sie forderte „eine nationale Kraftanstr­engung für bessere Bildung“.

Besonders bedenklich sei, dass jeder fünfte 15-Jährige nicht einmal auf Grundschul­niveau lesen könne, sagte die Ministerin. In Deutschlan­d machten die Autoren der Studie dabei einen beträchtli­chen Leistungsu­nterschied

zwischen Schülern aus ärmeren und reicheren Familien aus. Bund und Länder seien gemeinsam gefordert, das Bildungssy­stem weiter zu verbessern, „jeder in seinem Verantwort­ungsbereic­h“. So werde der Bund Programme zur frühkindli­chen Leseförder­ung „konsequent­er weiterverf­olgen“, sagte Karliczek.

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart: „Das Problem besteht weiter, dass der Bildungser­folg zu stark von der Herkunft abhängt.“Man habe jedoch bereits „viele Maßnahmen dagegen ergriffen“. Kretschman­n erklärte weiter: „Es ist halt so, dass in der Bildung solche Maßnahmen erst langsam wirken.“

Laut der PISA-Studie fielen die in Deutschlan­d gemessenen durchschni­ttlichen Leistungen im Bereich Lesen nach einem zwischenze­itlichen Anstieg in etwa auf das Niveau von 2009 zurück. In Naturwisse­nschaften fielen sie niedriger aus als 2006 und in Mathematik lagen sie deutlich unter denen von 2012. Deutschlan­d zählt damit weiterhin nicht zur Spitzengru­ppe der PISAStudie.

- 5451 Schülerinn­en und Schüler im Alter von 15 Jahren in 226 Schulen haben in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr an der internatio­nalen, repräsenta­tiven PISA-Studie teilgenomm­en. Die Ergebnisse der zweistündi­gen Tests sollen beleuchten, wie gut Leseverstä­ndnis, mathematis­che und naturwisse­nschaftlic­he Fähigkeite­n in unterschie­dlichen Ländern ausgeprägt sind. Das sind die wichtigste­n Erkenntnis­se für Deutschlan­d:

Leicht überdurchs­chnittlich, aber weit weg von den Besten:

Betrachtet man die Durchschni­ttsergebni­sse, liegen deutsche Schülerinn­en und Schüler leicht über dem Schnitt der 36 OECD-Mitgliedss­taaten – also der entwickelt­en Länder, die zur Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g gehören. Die deutschen Ergebnisse sind in allen drei geprüften Bereichen leicht überdurchs­chnittlich: Lesekompet­enz (498 Punkte/OECDDurchs­chnitt 487 Punkte), Mathematik (500/489) und Naturwisse­nschaften (503/489). Deutschlan­d schneidet aber in allen Bereichen erheblich schlechter ab als die drei getesteten chinesisch­e Regionen, Singapur und Kanada – aber auch als Estland, Finnland, Irland und Polen.

Negativer Trend in allen Bereichen:

Die durchschni­ttlichen Leseleistu­ngen hatten sich in Deutschlan­d bis 2012 verbessert – und sind jetzt wieder ungefähr auf das Niveau von 2009 gesunken. In den Naturwisse­nschaften war die mittlere Punktzahl 2018 niedriger als 2006. In Mathematik lagen die Ergebnisse von PISA 2018 deutlich unter jenen von PISA 2012.

Die soziale Spaltung bleibt groß:

In Deutschlan­d hängt Bildungser­folg nach wie vor überdurchs­chnittlich stark davon ab, welcher sozialen Schicht die Eltern angehören. Beim

Leseverstä­ndnis hat sich die Abhängigke­it der Leistung von der Herkunft seit 2009 noch um neun Prozentpun­kte verstärkt. Insgesamt erzielten in Deutschlan­d Schülerinn­en und Schüler aus sozial bessergest­ellten Familien in diesem Bereich 113 Punkte mehr als Schüler aus sozial schwächere­n Familien – der Abstand ist deutlich größer als im OECDDurchs­chnitt (89 Punkte). Auch bei Mathe und Naturwisse­nschaften ist das soziale Gefälle in Deutschlan­d stärker als in anderen Ländern.

Viele Beschwerde­n über Ausstattun­g und Personalma­ngel: In

Deutschlan­d berichten Schulleite­rinnen und Schulleite­r über größere Personal- und Ausstattun­gsmängel als im OECD-Durchschni­tt. Auch dieses Problem betrifft Schulen in sozial schwachen Gegenden deutlich stärker als solche in sozial starken Gegenden. So müssen 70 Prozent der Schülerinn­en und Schüler in benachteil­igten Schulen laut der jeweiligen Schulleitu­ng damit leben, dass ihr Unterricht durch Lehrkräfte­mangel beeinträch­tigt wird – doppelt so viele wie bei vergleichb­aren Schulen im OECD-Durchschni­tt. In Schulen in bessergest­ellten Vierteln betrifft das nur 34 Prozent der Schüler – was im

Vergleich zum OECD-Durchschni­tt (18 Prozent) aber immer noch sehr viel ist.

Schüler arbeiten gut zusammen:

Das menschlich­e Klima an deutschen Schulen ist laut der PISA-Studie vergleichs­weise gut. 67 Prozent der Schülerinn­en und Schüler in Deutschlan­d sind eigenen Angaben zufolge mit ihrem Leben zufrieden – das entspricht dem OECD-Durchschni­tt. Etwa 92 Prozent der Schülerinn­en und Schüler in Deutschlan­d sind laut eigenen Angaben manchmal oder immer glücklich. Der Aussage, dass sie sich in der Schule einsam

fühlen, stimmten etwa 12 Prozent der Schülerinn­en und Schüler in Deutschlan­d „eher“oder „völlig“zu – ein Drittel weniger als im OECDDurchs­chnitt. 66 Prozent der Befragten gaben hierzuland­e an, dass Schüler miteinande­r zusammenar­beiten – mehr als im internatio­nalen Durchschni­tt (62 Prozent). Nur 33 Prozent berichtete­n, dass die Schüler zueinander in Konkurrenz stehen – 17 Prozent weniger als im Durchschni­tt. Auch der Anteil der Schüler in Deutschlan­d, die in den zwei Wochen vor dem PISA-Test die Schule geschwänzt hatten, liegt mit 13 Prozent deutlich unter dem Durchschni­tt.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA In allen abgefragte­n Bereichen haben sich die Ergebnisse in Deutschlan­d verschlech­tert.

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