Deutsche Schüler fallen wieder zurück
PISA-Studie gibt Anlass zur Sorge – Jeder fünfte 15-Jährige liest nicht auf Grundschulniveau
(KNA/dpa/sz) - Die Leistungen deutscher Schüler bei der internationalen Vergleichsstudie PISA sind wieder zurückgegangen. Insgesamt landete Deutschland in den drei aktuell untersuchten Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften aber jeweils über dem Durchschnitt der Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Nach Ansicht von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek kann Deutschland mit den Ergebnissen nicht zufrieden sein. „Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein“, sagte die CDU-Politikerin nach der Vorstellung der Studie am Dienstag. Sie betonte jedoch, dass Deutschland ein gutes Schulsystem habe und auch leicht über dem OECD-Durchschnitt liege. „Damit können wir aber nicht zufrieden sein. Andere Staaten ziehen an uns vorbei“, sagte Karliczek. Sie forderte „eine nationale Kraftanstrengung für bessere Bildung“.
Besonders bedenklich sei, dass jeder fünfte 15-Jährige nicht einmal auf Grundschulniveau lesen könne, sagte die Ministerin. In Deutschland machten die Autoren der Studie dabei einen beträchtlichen Leistungsunterschied
zwischen Schülern aus ärmeren und reicheren Familien aus. Bund und Länder seien gemeinsam gefordert, das Bildungssystem weiter zu verbessern, „jeder in seinem Verantwortungsbereich“. So werde der Bund Programme zur frühkindlichen Leseförderung „konsequenter weiterverfolgen“, sagte Karliczek.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart: „Das Problem besteht weiter, dass der Bildungserfolg zu stark von der Herkunft abhängt.“Man habe jedoch bereits „viele Maßnahmen dagegen ergriffen“. Kretschmann erklärte weiter: „Es ist halt so, dass in der Bildung solche Maßnahmen erst langsam wirken.“
Laut der PISA-Studie fielen die in Deutschland gemessenen durchschnittlichen Leistungen im Bereich Lesen nach einem zwischenzeitlichen Anstieg in etwa auf das Niveau von 2009 zurück. In Naturwissenschaften fielen sie niedriger aus als 2006 und in Mathematik lagen sie deutlich unter denen von 2012. Deutschland zählt damit weiterhin nicht zur Spitzengruppe der PISAStudie.
- 5451 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren in 226 Schulen haben in Deutschland im vergangenen Jahr an der internationalen, repräsentativen PISA-Studie teilgenommen. Die Ergebnisse der zweistündigen Tests sollen beleuchten, wie gut Leseverständnis, mathematische und naturwissenschaftliche Fähigkeiten in unterschiedlichen Ländern ausgeprägt sind. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse für Deutschland:
Leicht überdurchschnittlich, aber weit weg von den Besten:
Betrachtet man die Durchschnittsergebnisse, liegen deutsche Schülerinnen und Schüler leicht über dem Schnitt der 36 OECD-Mitgliedsstaaten – also der entwickelten Länder, die zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gehören. Die deutschen Ergebnisse sind in allen drei geprüften Bereichen leicht überdurchschnittlich: Lesekompetenz (498 Punkte/OECDDurchschnitt 487 Punkte), Mathematik (500/489) und Naturwissenschaften (503/489). Deutschland schneidet aber in allen Bereichen erheblich schlechter ab als die drei getesteten chinesische Regionen, Singapur und Kanada – aber auch als Estland, Finnland, Irland und Polen.
Negativer Trend in allen Bereichen:
Die durchschnittlichen Leseleistungen hatten sich in Deutschland bis 2012 verbessert – und sind jetzt wieder ungefähr auf das Niveau von 2009 gesunken. In den Naturwissenschaften war die mittlere Punktzahl 2018 niedriger als 2006. In Mathematik lagen die Ergebnisse von PISA 2018 deutlich unter jenen von PISA 2012.
Die soziale Spaltung bleibt groß:
In Deutschland hängt Bildungserfolg nach wie vor überdurchschnittlich stark davon ab, welcher sozialen Schicht die Eltern angehören. Beim
Leseverständnis hat sich die Abhängigkeit der Leistung von der Herkunft seit 2009 noch um neun Prozentpunkte verstärkt. Insgesamt erzielten in Deutschland Schülerinnen und Schüler aus sozial bessergestellten Familien in diesem Bereich 113 Punkte mehr als Schüler aus sozial schwächeren Familien – der Abstand ist deutlich größer als im OECDDurchschnitt (89 Punkte). Auch bei Mathe und Naturwissenschaften ist das soziale Gefälle in Deutschland stärker als in anderen Ländern.
Viele Beschwerden über Ausstattung und Personalmangel: In
Deutschland berichten Schulleiterinnen und Schulleiter über größere Personal- und Ausstattungsmängel als im OECD-Durchschnitt. Auch dieses Problem betrifft Schulen in sozial schwachen Gegenden deutlich stärker als solche in sozial starken Gegenden. So müssen 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler in benachteiligten Schulen laut der jeweiligen Schulleitung damit leben, dass ihr Unterricht durch Lehrkräftemangel beeinträchtigt wird – doppelt so viele wie bei vergleichbaren Schulen im OECD-Durchschnitt. In Schulen in bessergestellten Vierteln betrifft das nur 34 Prozent der Schüler – was im
Vergleich zum OECD-Durchschnitt (18 Prozent) aber immer noch sehr viel ist.
Schüler arbeiten gut zusammen:
Das menschliche Klima an deutschen Schulen ist laut der PISA-Studie vergleichsweise gut. 67 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland sind eigenen Angaben zufolge mit ihrem Leben zufrieden – das entspricht dem OECD-Durchschnitt. Etwa 92 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland sind laut eigenen Angaben manchmal oder immer glücklich. Der Aussage, dass sie sich in der Schule einsam
fühlen, stimmten etwa 12 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland „eher“oder „völlig“zu – ein Drittel weniger als im OECDDurchschnitt. 66 Prozent der Befragten gaben hierzulande an, dass Schüler miteinander zusammenarbeiten – mehr als im internationalen Durchschnitt (62 Prozent). Nur 33 Prozent berichteten, dass die Schüler zueinander in Konkurrenz stehen – 17 Prozent weniger als im Durchschnitt. Auch der Anteil der Schüler in Deutschland, die in den zwei Wochen vor dem PISA-Test die Schule geschwänzt hatten, liegt mit 13 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt.