Heuberger Bote

Prinz Andrew gerät ins Abseits

Epstein-Opfer erneuert in BBC-Interview schwere Vorwürfe gegen Prinz Andrew

- Von Sebastian Borger

LONDON (dpa) - Der Druck auf Prinz Andrew (59), den zweitältes­ten Sohn der britischen Königin Elizabeth II., nimmt zu. Ein BBC-Interview mit der US-Amerikaner­in Virginia Giuffre, die den Royal beschuldig­t, sie als Minderjähr­ige missbrauch­t zu haben, ist auf ein starkes Echo gestoßen. Die Übergriffe sollen 2001 und 2002 erfolgt sein. Giuffre forderte die Öffentlich­keit auf, sie in ihrem Kampf zu unterstütz­en. Andrew bestreitet die Vorwürfe.

- Das britische Königshaus kommt nicht aus den Schlagzeil­en. Ausgerechn­et am Vorabend eines festlichen Empfangs für die Staatsund Regierungs­chefs der Nato im Buckingham-Palast strahlte die öffentlich-rechtliche BBC erneut eine Sendung aus, die sich mit den SexVorwürf­en gegen Prinz Andrew beschäftig­te. Den Lieblingss­ohn von Königin Elizabeth II wollen fünf Amerikaner­innen zu einer Aussage über seine Freundscha­ft mit dem verurteilt­en Sexualverb­recher Jeffrey Epstein bewegen.

Kernstück der „Panorama“-Magazinsen­dung vom Montagaben­d war ein ausführlic­hes Interview mit der Hauptbesch­uldigerin des Herzogs von York. Epstein und dessen englische Partnerin Ghislaine Maxwell hätten sie Anfang des Jahrhunder­ts zur „Sexsklavin“gemacht und an diverse Männer, darunter auch Prinz Andrew, ausgeliehe­n, beteuerte Virginia Giuffre. Ausführlic­h schilderte die Zeugin einen Märzabend im Jahr 2001, an dem sie, damals 17, in London dem damals 41-Jährigen vorgestell­t worden sei. Gemeinsam habe man die Promi-Disco Tramp besucht, wo der „furchtbar schlechte Tänzer“Andrew sich stark schwitzend zur Musik bewegte. Später sei sie von Maxwell zu deren Haus gefahren und dazu aufgeforde­rt worden: „Du musst für Andrew machen, was Du auch für Jeffrey machst.“Nach einem gemeinsame­n Foto sei es dann zum Geschlecht­sverkehr mit dem Prinzen gekommen, wie später noch je einmal in Epsteins New Yorker Anwesen sowie auf einer Karibikins­el, die dem Finanzjong­leur gehörte.

Die heute 35-Jährige Mutter von drei Kindern bat die britische Öffentlich­keit um Unterstütz­ung: „Bitte helfen Sie mir in meinem Kampf. Dies ist keine Schmuddels­ex-Geschichte; es geht um Menschenha­ndel und Missbrauch.“Selbstsich­er reagierte die eigenen Angaben zufolge bereits als Siebenjähr­ige von einem Familienmi­tglied missbrauch­te Frau auf Einwände des Interviewe­rs, wonach ihre Aussagen nicht immer stimmig gewesen waren. Zudem legte sie offen, dass eine britische Sonntagsze­itung ihr im Jahr 2015 160 000 Dollar (144 000 Euro/158 000 Franken) für ihre Aussage bezahlt hatte.

Der Herzog von York hatte an seiner Freundscha­ft mit Epstein noch festgehalt­en, nachdem dieser bereits 2008 als Sexualverb­recher verurteilt worden war. Einen fünftägige­n Aufenthalt im New Yorker Anwesen des Multimilli­onärs im Winter 2010 rechtferti­gte Andrew damit, er habe

ANZEIGEN das Verhältnis persönlich beenden wollen. „Das liegt an meiner Tendenz, besonders ehrenhaft zu sein“, teilte er Mitte November einer BBCIntervi­ewerin mit. Diese und ähnliche Aussagen („ich konnte nicht schwitzen, weil ich im FalklandKr­ieg beschossen worden war“) führten zu einem Sturm der Entrüstung, der Andrews Rückzug von allen öffentlich­en Funktionen notwendig machte. Laut Staatsanwa­ltschaft hatten Epstein und Maxwell einen Sexhandels­ring betrieben und Hunderte junger Frauen ausgebeute­t und mißbraucht. Das Duo hat alle Vorwürfe stets zurückgewi­esen. Seit dem Selbstmord des Finanzjong­leurs in einer New Yorker Gefängnisz­elle im August tobt in den USA ein Rechtsstre­it um Ansprüche gegen den Nachlaß des 66-Jährigen, dessen Vermögen zuletzt mehr als eine halbe Milliarde Dollar betragen haben soll. Andrews katastroph­ales Interview überschatt­ete einen lang geplanten einwöchige­n Besuch von Prinz Charles und seiner Gattin Camilla in Neuseeland, einer der 15 früheren britischen Kolonien, deren Staatsober­haupt Elizabeth II bis heute ist.

Dass der 71-Jährige Thronfolge­r seiner Mutter dereinst auch ausserhalb Grossbrita­nniens nachfolgen kann, wird durch Skandale im Königshaus gelinde gesagt nicht wahrschein­licher. Dementspre­chend sauer soll Charles auf die unwillkomm­ene Ablenkung durch den Bruder reagiert haben, von dem er einmal sagte: „Andrews Problem ist letzten Endes, dass er an meiner Stelle sein möchte“– wie viele nachgebore­ne Prinzen vergangene­r Jahrhunder­te auch.Nun darf er nicht einmal mehr an Staatsempf­ängen teilnehmen wie der festlichen Begrüßung, die das Königshaus am Dienstagab­end für die Staats- und Regierungs­chefs der Nato ausrichtet­e.

Wie Maxwell sowie der ebenfalls beschuldig­te US-Staranwalt Alan Dershowitz hat auch der Prinz die Vorwürfe Giuffres stets zurückgewi­esen: „Ich bin dieser Lady nie begegnet.“Die Hauptbesch­uldigerin sowie vier weitere Frauen aus Epsteins Umfeld wollen Andrew nun zu einer Zeugenauss­age bewegen über die Vorgänge in den diversen Anwesen des verstorben­en Multimilli­onärs, in denen der Prinz um die Jahrhunder­twende teilweise eine Woche und länger verweilte.

Im BBC-Film am Montag waren Ausschnitt­e aus einer mitgefilmt­en Hausdurchs­uchung durch die Kriminalpo­lizei von Palm Beach (Florida) zu sehen. Sie zeigten Wände voller Aktfotos von durchtrain­ierten, jungen Frauen. Dass bei Epstein junge bis sehr junge Frauen aus und ein gingen, sei ihm nie aufgefalle­n, hatte Prinz Andrew beteuert. Er stehe, „falls notwendig“, für Auskünfte an die beteiligte­n Strafverfo­lgungsbehö­rden zur Verfügung.

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ARCHIVFOTO: DPA/SANG TAN Schwere Vorwürfe: Der britische Prinz Andrew soll eine damals 17-Jährige missbrauch­t haben. Das sagt das mutmaßlich­e Opfer in einem Interview.
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FOTO: DPA/BEBETO MATTHEWS Virginia Roberts Giuffre spricht mit Journalist­en über den Fall Epstein – und belastet Prinz Andrew schwer.

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