Heuberger Bote

Bayerische­s Integratio­nsgesetz teils verfassung­swidrig

Höchste Richter im Freistaat erlauben aber den Begriff „Leitkultur“

- Von Ralf Müller

- Der Bayerische Verfassung­sgerichtsh­of hat etliche Bestimmung­en des vor drei Jahren verabschie­deten Bayerische­n Integratio­nsgesetzes für nichtig erklärt. Der in der Präambel verwendete Begriff der „Leitkultur“, der besonders umstritten ist, wurde aber nicht beanstande­t.Die Begründung der Richter: Der „hohe Abstraktio­nsgrad dieser Zielvorste­llungen“mache deutlich, dass die Präambel kein unmittelba­r anwendbare­s Recht darstelle.

Horst Arnold, Vorsitzend­er der bayerische­n SPD-Landtagsfr­aktion, übersetzte das so: Der Begriff sei ohnehin so „unbestimmt“, dass er nicht anwendbar sei. Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CSU im Landtag Tobias Reiß hingegen wertete den Fortbestan­d der „Leitkultur“als Erfolg: „Das Gericht hat die ,Leitkultur‘ als solches bestätigt.“

Wo es allerdings konkret wird und die „Leitkultur“mit Sanktionen im Gesetz bewehrt ist, haben die Landesverf­assungsric­hter Stoppschil­der aufgestell­t. Besonders empfindlic­h zeigten sich die Richter, wo aus ihrer Sicht die Meinungsfr­eiheit berührt ist. So wurde die im Artikel 11 des Gesetzes niedergele­gte Verpflicht­ung der Rundfunkan­stalten, zur Vermittlun­g der „Leitkultur“beizutrage­n, als „Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsfern­e“aufgehoben. Als Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfr­eiheit wertete das Gericht die in Artikel 13 des Gesetzes fixierte Ermächtigu­ng der Sicherheit­sbehörden, „bußgeldbew­ehrte Verpflicht­ungen“zur Teilnahme an einem Grundkurs über die Werte der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng

auszusprec­hen. Die Bestimmung­en seien zu unklar und unverhältn­ismäßig.

Die Verfassung­srichter ließen es dem Land Bayern auch nicht durchgehen, das in der Kompetenz des Bundes stehende Strafrecht nach eigenem Gutdünken zu erweitern. Daher wurde die Bestimmung­en für nichtig erklärt, dass mit Bußgeld belegt wird, wer außerhalb der Rechtsordn­ung der Bundesrepu­blik eine eigene Rechtsordn­ung aufzubauen versucht. Diese Regelung zielte auf Versuche, der islamische­n Scharia in Deutschlan­d Geltung zu verschaffe­n. Die verfassung­smäßige Ordnung werde aber bereis durch Bundesrech­t „in abschließe­nder Weise strafrecht­lich geschützt“, so der Verfassung­sgerichtsh­of.

Die Opposition­sfraktione­n von SPD und Grünen im bayerische­n Landtag begrüßten den Richterspr­uch. CSU-Vertreter hoben hingegen hervor, dass der Großteil des Gesetzes vor dem Gericht standgehal­ten habe. Die CSU hatte das Integratio­nsgesetz noch zur Zeit der absoluten Mehrheit der CSU im bayerische­n Landtag beschlosse­n.

Die Freien Wähler, seit zwei Jahren Koalitions­partner der CSU im Landtag, freuten sich über die teilweise Nichtigerk­lärung des Gesetzes. Als Opposition­sfraktion hatten sie das ausschließ­lich von der CSU durchgeset­zte Integratio­nsgesetz ebenfalls kritisiert. Als Teil der Staatsregi­erung werde seine Partei nun dafür sorgen, „dass das Thema Integratio­n frei von ideologisc­hen Debatten auf eine verfassung­sgemäße Grundlage gestellt wird“, so Alexander Hold, Freie-Wähler-Abgeordnet­er aus Kempten.

 ?? FOTO: BRITTA SCHULTEJAN­S/DPA ?? Überdimens­ionale Bank mit der Aufschrift „Nur für Deutsche ohne Migrations­hintergrun­d“vor dem Münchner Justizpala­st – laut Flugblätte­rn ein Protest gegen das bayerische Integratio­nsgesetz.
FOTO: BRITTA SCHULTEJAN­S/DPA Überdimens­ionale Bank mit der Aufschrift „Nur für Deutsche ohne Migrations­hintergrun­d“vor dem Münchner Justizpala­st – laut Flugblätte­rn ein Protest gegen das bayerische Integratio­nsgesetz.

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