Bayerisches Integrationsgesetz teils verfassungswidrig
Höchste Richter im Freistaat erlauben aber den Begriff „Leitkultur“
- Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat etliche Bestimmungen des vor drei Jahren verabschiedeten Bayerischen Integrationsgesetzes für nichtig erklärt. Der in der Präambel verwendete Begriff der „Leitkultur“, der besonders umstritten ist, wurde aber nicht beanstandet.Die Begründung der Richter: Der „hohe Abstraktionsgrad dieser Zielvorstellungen“mache deutlich, dass die Präambel kein unmittelbar anwendbares Recht darstelle.
Horst Arnold, Vorsitzender der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, übersetzte das so: Der Begriff sei ohnehin so „unbestimmt“, dass er nicht anwendbar sei. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Landtag Tobias Reiß hingegen wertete den Fortbestand der „Leitkultur“als Erfolg: „Das Gericht hat die ,Leitkultur‘ als solches bestätigt.“
Wo es allerdings konkret wird und die „Leitkultur“mit Sanktionen im Gesetz bewehrt ist, haben die Landesverfassungsrichter Stoppschilder aufgestellt. Besonders empfindlich zeigten sich die Richter, wo aus ihrer Sicht die Meinungsfreiheit berührt ist. So wurde die im Artikel 11 des Gesetzes niedergelegte Verpflichtung der Rundfunkanstalten, zur Vermittlung der „Leitkultur“beizutragen, als „Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsferne“aufgehoben. Als Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit wertete das Gericht die in Artikel 13 des Gesetzes fixierte Ermächtigung der Sicherheitsbehörden, „bußgeldbewehrte Verpflichtungen“zur Teilnahme an einem Grundkurs über die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
auszusprechen. Die Bestimmungen seien zu unklar und unverhältnismäßig.
Die Verfassungsrichter ließen es dem Land Bayern auch nicht durchgehen, das in der Kompetenz des Bundes stehende Strafrecht nach eigenem Gutdünken zu erweitern. Daher wurde die Bestimmungen für nichtig erklärt, dass mit Bußgeld belegt wird, wer außerhalb der Rechtsordnung der Bundesrepublik eine eigene Rechtsordnung aufzubauen versucht. Diese Regelung zielte auf Versuche, der islamischen Scharia in Deutschland Geltung zu verschaffen. Die verfassungsmäßige Ordnung werde aber bereis durch Bundesrecht „in abschließender Weise strafrechtlich geschützt“, so der Verfassungsgerichtshof.
Die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen im bayerischen Landtag begrüßten den Richterspruch. CSU-Vertreter hoben hingegen hervor, dass der Großteil des Gesetzes vor dem Gericht standgehalten habe. Die CSU hatte das Integrationsgesetz noch zur Zeit der absoluten Mehrheit der CSU im bayerischen Landtag beschlossen.
Die Freien Wähler, seit zwei Jahren Koalitionspartner der CSU im Landtag, freuten sich über die teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes. Als Oppositionsfraktion hatten sie das ausschließlich von der CSU durchgesetzte Integrationsgesetz ebenfalls kritisiert. Als Teil der Staatsregierung werde seine Partei nun dafür sorgen, „dass das Thema Integration frei von ideologischen Debatten auf eine verfassungsgemäße Grundlage gestellt wird“, so Alexander Hold, Freie-Wähler-Abgeordneter aus Kempten.