Als das alte Heilbronn in Bombenhagel und Feuersturm unterging
Vor 75 Jahren wurde die Stadt bei einem Luftangriff in Schutt und Asche gelegt – Die Katastrophe vom 4. Dezember 1944 gilt heute als Mahnung zum Frieden
(epd) - Eine Glocke im Turm der Heilbronner Kilianskirche läutet jedes Jahr nur an einem Tag: Die schmucklose älteste Glocke der Käthchenstadt, im 14. Jahrhundert gegossen, ist eine von zweien, die den Feuersturm des 4. Dezember 1944 überlebt hat. Nur im Gedenken an die Katastrophe erklingt sie jedes Jahr am 4. Dezember, zuerst allein, dann mit ihren heute sieben Glockenschwestern.
„Am 4. Dezember 1944 versank um 19.20 Uhr das alte Heilbronn in Schutt und Asche“, heißt es in einem Bericht des Stadtarchivs. Am Spätnachmittag dieses Tages war die britische Royal Air Force unter dem Kommando von Arthur Harris mit Hunderten Flugzeugen in Großbritannien gestartet. Über dem Stadtkern von Heilbronn und im benachbarten Böckingen luden am frühen Abend über 280 Bomber 37 Minuten lang weit über eine Million Kilogramm Brand- und Sprengbomben ab. Durch die Stadt raste ein Feuersturm.
Menschen erstickten auch in Luftschutzkellern, wurden zerfetzt, verbrannt. Der flammend rote Himmel war noch im angrenzenden Landkreis Ludwigsburg zu sehen. Am Ende beklagten die Überlebenden mehr als 6500 Tote.
Tausende Tote durch Luftangriffe
Kurz vor Kriegsende starben im Südwesten noch Tausende Menschen durch Luftangriffe. An der Spitze steht Pforzheim, wo am 23. Februar 1945 rund 15 900 Menschen umkamen, danach Heilbronn, gefolgt von Freiburg, wo es bereits am 27. November 1944 fast 3000 Tote gegeben hatte, und Bruchsal, wo am 1. März 1945 etwa 800 Menschen sterben. Nahezu komplett zerstört wurde auch Crailsheim am 20. und 21. April 1945, doch die Menschen waren größtenteils schon auf die Dörfer geflohen.
Nahezu gleichzeitig mit Heilbronn wird am 4. Dezember 1944 Dobel in Nordschwarzwald getroffen und das bei vorherigen Angriffen schon schwer zerstörte Karlsruhe, wo unzählige Bomber – der Karlsruher Stadtarchivdirektor Ernst Otto Bräunche geht von bis zu 900 Flugzeugen aus – ihre tödliche Fracht abwerfen und nochmals 375 Menschen sterben.
In Heilbronn erinnern bis heute nicht nur der Ehrenfriedhof im Waldgebiet Köpfer und die Ehrenhalle am Rathaus mit einem Relief des Zerstörungszustands an den Untergang der Stadt. Seit Herbst 1964 hält auch ein Glockenspiel auf dem Hafenmarktturm jeden Abend das Gedenken an jenen Tag aufrecht, an dem das alte Heilbronn in Flammen aufging. Lange erklang die Melodie von „Kein schöner Land“. Inzwischen ist es eine Reihe wechselnder Melodien. Seit 1952 hat der Turm einen Phönix als Wetterfahne. Er wurde von einem Heilbronner gestiftet als „Zeichen, dass es mit Heilbronn wieder aufwärts geht“.
Das Gedenken als Warnung
Der Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD), sagt: „Jedes Jahr schmerzt unsere Stadt der Bombenangriff von 1944 als Folge nationalsozialistischer Diktatur aufs Neue.“Die Erinnerung an das Leid in Heilbronn vor 75 Jahren warne „vor jeglichen nationalistischen Tendenzen in Europa und auf der Welt“.
Diesmal – 75 Jahre nach jener Bombennacht – gibt es eine Gedenkwoche mit Gottesdiensten, Ausstellungen, Zeitzeugenberichten und Vorträgen. Genau am 4. Dezember wird, wie jedes Jahr, auf dem Ehrenfriedhof
der Opfer in einer Trauerstunde gedacht. Die Glocken der evangelischen und katholischen Kirchen im Stadtkreis läuten um 15.05 Uhr und um 19.20 Uhr. Der Weihnachtsmarkt schließt schon um 17.30 Uhr. Es gibt die Filmaufführung „Feuersturm. Der Luftkrieg in Heilbronn 1944/1945“im Haus der Stadtgeschichte und in der Ehrenhalle ist eine Klanginstallation zu hören. Religionsvertreter und Schulen haben einen Heilbronner Friedensweg mit drei Stationen gestaltet. Am Abend des 4. Dezember wird im Rahmen des traditionellen Gedenkkonzerts in der Kilianskirche das „Heilbronner Inferno“von Hans-Günther Bunz uraufgeführt.
Den Abschluss der Gedenkwoche gestaltet am Sonntag, 8. Dezember um 10 Uhr der württembergische Landesbischof Frank Otfried July in der Kilianskirche. Dort erinnern bis heute auf einer Seite des Kirchenschiffs schlichte Glasfenster mit eingelassenen kleinen Buntglasfragmenten an die Verluste des 4. Dezember 1944.