„Das Problem der Nato ist eher ihr Herz“
- Die Zukunft der Nato ist offen. Doch es gibt den gemeinsamen Willen der Beteiligten, das Bündnis vor dem Aus zu bewahren, meint der Außenpolitik-Experte Markus Kaim (Foto: oh) im Gespräch mit Guido Bohsem.
Wie wird sich die Nato entwickeln?
Da geht die Analyse in Deutschland und in Frankreich auseinander. Beide sehen, dass man sich nicht mehr bedingungslos auf die alten Strukturen verlassen kann. Die Schlussfolgerungen daraus sind aber unterschiedliche. Während Frankreich eher auf eine strategische Autonomie unter französischer Führung setzt, will die Bundesrepublik den europäischen Pfeiler innerhalb der Nato stärken.
Außenminister Maas will mehr Absprachen …
Es wäre tatsächlich gut zu wissen, wie die Absprachen aussehen. Was heißt das genau, eine Sitzung der Europäer vor der Sitzung? Und: Welche Absprachen werden dort genau getroffen?
Kann das die Nato in der heutigen Form schnell ersetzen?
Auf kurze und mittelfristige Zeit – mindestens 25 Jahre – dürften die europäischen Bemühungen um eine eigene Verteidigungsidentität fruchtlos und die Nato nicht zu ersetzen sein.
Reicht das angesichts des Befunds des französischen Präsidenten?
Wenn Macron die Nato als hirntot bezeichnet, hat er damit ja nur zur Hälfte Recht. Mir scheint, das Problem der Nato ist eher ihr Herz. Der Glaube an die Verlässlichkeit des Bündnisses hat gelitten, das Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander. Das mehr eine Frage des Gefühls als eine des Verstandes.
Nützen die bisherigen Bemühungen einer europäischen Absprache?
Das scheint mir zu sehr von unten gedacht. Man setzt darauf, dass eine immer stärkere Kooperation auch zu einer Integration der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik führt. Auf diese Weise kann man zum Beispiel einen Flugzeugträger anschaffen. Das scheint mir kein großes Problem. Doch wer entscheidet darüber, wo er eingesetzt wird und in welchen Situationen? Ich weise nur auf die EU-Battlegroups hin, die 2007 aufgestellt wurden, um schnell auf Krisen reagieren zu können. Sie kamen bislang nicht einmal zum Einsatz.