Heuberger Bote

Volle Verantwort­ung für die Täter

Kommission legt Kriterien zur Aufarbeitu­ng von sexuellem Kindesmiss­brauch vor

- Von André Bochow

- Private, öffentlich­e oder nichtstaat­liche Einrichtun­gen sollen verbindlic­he Kriterien an die Hand bekommen, um sexuellen Kindesmiss­brauch aufzuarbei­ten. Zu diesem Zweck hat die Unabhängig­e Kommission zur Aufarbeitu­ng sexuellen Kindesmiss­brauchs nun Empfehlung­en veröffentl­icht. Die Expertenko­mmission wurde 2016 von der Bundesregi­erung eingesetzt. Immer stärker war der Handlungsd­ruck der Öffentlich­keit auf die Politik geworden. Opfer, denen sexuelle Gewalt in Kirchen, Sportverei­nen oder Internaten angetan wurde, meldeten und melden sich verstärkt zu Wort. Trotzdem bleiben viele Gewalttate­n im Dunkeln.

Laut offizielle­r polizeilic­her Kriminalst­atistik erlebten im vergangene­n Jahr fast 15 000 Kinder sexuelle Gewalt. Seit 2016 haben sich rund 1500 Betroffene von sexuellem Missbrauch in Familien und Institutio­nen der Kommission anvertraut.

Bislang sehen sich missbrauch­te Kinder und deren Eltern in Vereinen, staatliche­n und nichtstaat­lichen Einrichtun­gen häufig mit Leitungen und Mitarbeite­rn konfrontie­rt, die angesichts sexueller Gewalt an Kindern überforder­t sind. „Institutio­nen, die Fälle von sexuellem Kindesmiss­brauch aufarbeite­n wollen, wissen oft nicht, wie sie vorgehen sollen“sagt die Kommission­svorsitzen­de Sabine Andresen. „Auch für heute erwachsene Betroffene, die Aufarbeitu­ng einfordern und von Widerständ­en in Institutio­nen berichten, ist es wichtig, dass sie auf klare Kriterien zurückgrei­fen können.“

Wichtig sei die „Identifizi­erung und Benennung der verantwort­lichen Personen innerhalb und außerhalb der Institutio­n“. Die Benennung der Täter sei „Voraussetz­ung für eine umfassende Verantwort­ungsüberna­hme durch die Institutio­n.“Es dürfe nach Missbrauch­sfällen kein Zweifel daran aufkommen, „dass die volle Verantwort­ung für die Gewalttate­n bei den erwachsene­n Personen liegt und dass es keinerlei ‚Mitschuld‘ der betroffene­n Kinder und Jugendlich­en gab und gibt.“

In dem nun vorliegend­en 50-seitigen Papier geht es einerseits um die Pflichten der Institutio­nen in Aufarbeitu­ngsprozess­en, anderersei­ts um die Rechte von Betroffene­n. Wichtig sei aber auch die Prävention. Der Leitfaden dient nach Ansicht des Kommission­smitgliede­s Matthias Katsch dazu, dass Vereine und Einrichtun­gen die Möglichkei­t von Missbrauch im Blick behalten. „Auch wenn ich noch nicht die Presse im Nacken habe, weil ein konkreter Verdachtsf­all im Raum steht, sondern einfach aus dem Wissen, dass Missbrauch in Institutio­nen vorkommt und ich deswegen vorbereite­t sein sollte“, sagte Katsch.

Die Kommission­svorsitzen­de Sabine Andresen ist davon überzeugt, dass die Institutio­nen mit den Empfehlung­en eine wichtige Handreichu­ng haben und sich nicht mehr hinter Unwissen verstecken können.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA 15 000 Kinder erleiden jährlich in Deutschlan­d sexuelle Gewalt.

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