Ämter springen bei Pflegekosten ein
Zur Kasse gebeten werden Kinder ab einem Einkommen von mehr als 100 000 Euro
- Ab dem nächsten Jahr werden Kinder von pflegebedürftigen Eltern finanziell entlastet. Dafür sorgt ein neues Gesetz, das im November den Bundestag passierte. Ab 2020 werden nur noch Kinder mit einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100 000 Euro zur Kasse gebeten.
Hilfe zur Pflege:
So nennt sich eine Leistung der Sozialämter. Die Ämter springen für Pflegekosten – vor allem in Pflegeheimen – ein: Für Kosten, die die gesetzliche Pflegeversicherung nicht deckt und die die Betroffenen selbst nicht schultern können. Vier Milliarden Euro zahlten die Sozialämter 2018 hierfür. 77 Millionen holten sie sich 2018 von den Angehörigen der Pflegebedürftigen zurück, vor allem von deren Kindern. Damit ist künftig weitgehend Schluss.
Die neue 100 000-Euro-Regelung:
Zur Kasse gebeten werden nur noch Kinder von pflegebedürftigen Eltern mit einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100 000 Euro. Hat ein Pflegebedürftiger mehrere Kinder, dann zählt für die Einkommensgrenze nicht das Gesamteinkommen aller Kinder. Nur das Kind, das im Jahr auf mehr als 100 000 Euro kommt, muss zahlen. Das Einkommen der Schwiegerkinder bleibt außen vor. Die Folge: Ab Januar 2020 dürfen die Sozialämter die monatliche Unterstützungsrate nicht mehr vom Konto einziehen.
Freiwillige Zahler:
Wichtiger ist jedoch: Viele Kinder von Pflegebedürftigen haben bislang freiwillig – und ohne das Sozialamt zu bemühen – die durch das Einkommen der Pflegebedürftigen und die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflegekosten übernommen. So konnte man die Dinge „innerhalb der Familie“regeln und vermied die ansonsten vom Amt geforderte völlige Offenlegung der Einkommensund Vermögensverhältnisse der Kinder. Doch genau das fällt ab 2020 ohnehin weg. Dafür sorgt nicht nur der hohe Freibetrag, sondern auch die gesetzlich vorgeschriebene Vorgehensweise der Ämter.
Vermutungsregel:
Nur wenige in Deutschland verdienen 100 000 Euro oder mehr im Jahr. Deshalb gehen die Sozialämter künftig im Regelfall – und ohne, dass Belege vorgelegt werden müssen – davon aus, dass die Kinder der Pflegebedürftigen jährlich nicht mehr als 100 000 Euro brutto zur Verfügung haben. Die Sozialhilfeträger können nur in Ausnahmefällen, „wenn es hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze“gibt, entsprechende Belege über das Einkommen verlangen (etwa den letzten
Steuerbescheid). So steht es im Gesetzentwurf.
Antrag auf Hilfe zur Pflege:
Im Prinzip können die Kinder nun die freiwillige Zahlung der bisher geleisteten Ausgleichsbeträge einstellen. Dann muss beim örtlichen Sozialamt umgehend ein Antrag auf „Hilfe zur Pflege“gestellt werden. Das muss dann die pflegebedürftige Mutter oder der pflegebedürftige Vater selbst tun – außer, wenn die Kinder oder andere Personen hierfür eine Vollmacht haben.
Der Pferdefuß:
Das Sozialamt prüft dann, ob die betroffenen Pflegebedürftigen selbst bedürftig sind.
Dabei gibt es nur im Hinblick auf die Heranziehung der Kinder die beschriebene Entlastung. Die pflegebedürftigen Elternteile müssen dagegen nach wie vor nicht nur ihr eigenes Einkommen, sondern auch ihr Vermögen offenlegen. Das Einkommen muss – bis auf das sogenannte Taschengeld (derzeit: 114,48 Euro pro Monat) – voll eingesetzt werden, bevor das Sozialamt zahlt. Beim Vermögen gilt nur ein Schonbetrag von 5000 Euro.
Darüber hinaus ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Und vielleicht am wichtigsten: Häufig wird dann der Verkauf von „Omas kleinem Häuschen“unmittelbar zum Thema.