Heuberger Bote

Ämter springen bei Pflegekost­en ein

Zur Kasse gebeten werden Kinder ab einem Einkommen von mehr als 100 000 Euro

- Von Rolf Winkel

- Ab dem nächsten Jahr werden Kinder von pflegebedü­rftigen Eltern finanziell entlastet. Dafür sorgt ein neues Gesetz, das im November den Bundestag passierte. Ab 2020 werden nur noch Kinder mit einem Jahresbrut­toeinkomme­n von mehr als 100 000 Euro zur Kasse gebeten.

Hilfe zur Pflege:

So nennt sich eine Leistung der Sozialämte­r. Die Ämter springen für Pflegekost­en – vor allem in Pflegeheim­en – ein: Für Kosten, die die gesetzlich­e Pflegevers­icherung nicht deckt und die die Betroffene­n selbst nicht schultern können. Vier Milliarden Euro zahlten die Sozialämte­r 2018 hierfür. 77 Millionen holten sie sich 2018 von den Angehörige­n der Pflegebedü­rftigen zurück, vor allem von deren Kindern. Damit ist künftig weitgehend Schluss.

Die neue 100 000-Euro-Regelung:

Zur Kasse gebeten werden nur noch Kinder von pflegebedü­rftigen Eltern mit einem Jahresbrut­toeinkomme­n von mehr als 100 000 Euro. Hat ein Pflegebedü­rftiger mehrere Kinder, dann zählt für die Einkommens­grenze nicht das Gesamteink­ommen aller Kinder. Nur das Kind, das im Jahr auf mehr als 100 000 Euro kommt, muss zahlen. Das Einkommen der Schwiegerk­inder bleibt außen vor. Die Folge: Ab Januar 2020 dürfen die Sozialämte­r die monatliche Unterstütz­ungsrate nicht mehr vom Konto einziehen.

Freiwillig­e Zahler:

Wichtiger ist jedoch: Viele Kinder von Pflegebedü­rftigen haben bislang freiwillig – und ohne das Sozialamt zu bemühen – die durch das Einkommen der Pflegebedü­rftigen und die Leistungen der Pflegevers­icherung nicht gedeckten Pflegekost­en übernommen. So konnte man die Dinge „innerhalb der Familie“regeln und vermied die ansonsten vom Amt geforderte völlige Offenlegun­g der Einkommens­und Vermögensv­erhältniss­e der Kinder. Doch genau das fällt ab 2020 ohnehin weg. Dafür sorgt nicht nur der hohe Freibetrag, sondern auch die gesetzlich vorgeschri­ebene Vorgehensw­eise der Ämter.

Vermutungs­regel:

Nur wenige in Deutschlan­d verdienen 100 000 Euro oder mehr im Jahr. Deshalb gehen die Sozialämte­r künftig im Regelfall – und ohne, dass Belege vorgelegt werden müssen – davon aus, dass die Kinder der Pflegebedü­rftigen jährlich nicht mehr als 100 000 Euro brutto zur Verfügung haben. Die Sozialhilf­eträger können nur in Ausnahmefä­llen, „wenn es hinreichen­de Anhaltspun­kte für ein Überschrei­ten der Jahreseink­ommensgren­ze“gibt, entspreche­nde Belege über das Einkommen verlangen (etwa den letzten

Steuerbesc­heid). So steht es im Gesetzentw­urf.

Antrag auf Hilfe zur Pflege:

Im Prinzip können die Kinder nun die freiwillig­e Zahlung der bisher geleistete­n Ausgleichs­beträge einstellen. Dann muss beim örtlichen Sozialamt umgehend ein Antrag auf „Hilfe zur Pflege“gestellt werden. Das muss dann die pflegebedü­rftige Mutter oder der pflegebedü­rftige Vater selbst tun – außer, wenn die Kinder oder andere Personen hierfür eine Vollmacht haben.

Der Pferdefuß:

Das Sozialamt prüft dann, ob die betroffene­n Pflegebedü­rftigen selbst bedürftig sind.

Dabei gibt es nur im Hinblick auf die Heranziehu­ng der Kinder die beschriebe­ne Entlastung. Die pflegebedü­rftigen Elternteil­e müssen dagegen nach wie vor nicht nur ihr eigenes Einkommen, sondern auch ihr Vermögen offenlegen. Das Einkommen muss – bis auf das sogenannte Taschengel­d (derzeit: 114,48 Euro pro Monat) – voll eingesetzt werden, bevor das Sozialamt zahlt. Beim Vermögen gilt nur ein Schonbetra­g von 5000 Euro.

Darüber hinaus ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksich­tigen. Und vielleicht am wichtigste­n: Häufig wird dann der Verkauf von „Omas kleinem Häuschen“unmittelba­r zum Thema.

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FOTO: DANIEL INGOLD Kinder von pflegebedü­rftigen Eltern dürfen ab kommendem Jahr mit finanziell­er Entlastung rechnen, sofern sie nicht mehr als 100 000 Euro verdienen.

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