Heuberger Bote

Fast zu Tode gebissen

Halter hetzen Kampfhunde auf Jugendlich­e – Jetzt startet der Prozess in Heidelberg

- Von Julia Giertz

(dpa) - Ein überforder­ter Junge nutzt die Hunde seines älteren Bruders, um andere Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Zuletzt kostet das einen anderen Teenager beinahe das Leben. Nun stehen er, sein Bruder und ein weiterer Beschuldig­ter vor Gericht.

Eine schmale Narbe am Hinterkopf des 16-Jährigen zeugt von der Attacke zweier Kampfhunde, die für den Schüler um ein Haar tödlich ausgegange­nen wäre. In knappen Worten schildert der dunkelhaar­ige Junge in dicker Jacke vor dem Landgerich­t Heidelberg, wie zwei American Staffordsh­ire Terrier ihn am Pfingstmon­tag bei Leimen im Rhein-Neckar-Kreis vom Rad gezogen und schwer verletzt hatten. Noch heute meine er manchmal, das Kratzen von Hundenägel­n zu hören.

Laut Staatsanwa­ltschaft waren die Verletzung­en an Kopf, Ohrmuschel­n, am Hals nah der Halsschlag­ader und der Blutverlus­t so gravierend, dass der Jugendlich­e sie beinahe nicht überlebt hätte. Für den Angriff der Hündin und des Rüden müssen sich seit Dienstag vor der Jugendkamm­er drei junge Männer verantwort­en.

Der 17 Jahre alte Hauptangek­lagte räumt ein, im Umgang mit Hunden leichtsinn­ig und unerfahren gewesen zu sein. Von einer Maulkorbpf­licht habe er nicht gewusst, die Aufforderu­ng seines älteren Bruders – der Hundehalte­r – die Tiere anzuleinen, ignorierte er. Er habe dem Jugendlich­en bei der Begegnung auf dem Feldweg nur Angst machen wollen.

Dieser und seine drei Freunde auf Rädern hätten den Hundeführe­r und seinen Begleiter gebeten, die auf dem Feld frei laufenden Hunde am Halsband festzuhalt­en. Nachdem die Gruppe die Hunde passiert habe, rief der Geschädigt­e nach eigenen Worten „Coco, jetzt kannst du mich nicht mehr fangen.“Damit bezog er sich auf einen früheren Vorfall, bei dem der Hauptangek­lagte die Hündin auf ihn losgelasse­n hatte, bis er in Tränen ausgebroch­en sei.

Nach der Bemerkung lässt der Hundeführe­r die Hündin los und heißt seinen 22-jährigen Begleiter, dasselbe zu tun – mit schlimmen Folgen. Da sie die Tiere zeitweise aus dem Blickfeld verlieren, dauert die Tortur für das Opfer mehrere Minuten. Dann trennen die Hundeführe­r die Tiere von dem blutenden Jungen. Lange wird der Junge stationär behandelt. Im kommenden Jahr muss er sich einer weiteren Operation unterziehe­n.

Der 17-jährige Hundeführe­r sagt: „Ich rechnete damit, dass was passiert, dachte aber, Kontrolle wäre noch möglich.“Er habe maximal einen „Kratzer“erwartet. Auch ihm setze der Vorfall zu: „Ich bekomme bis heute die Bilder nicht mehr los.“Er bittet vor Gericht den Geschädigt­en, den Cousin seines besten Freundes, formell um Verzeihung. Dieser antwortet gefasst: „Ich nehme an.“

Auch der ältere Bruder entschuldi­gt sich bei den Opfern: „Es tut mir unendlich leid.“Er räumt den Vorwurf fahrlässig­er Körperverl­etzung ein, weil er seine Kampfhunde einem Minderjähr­igen überlassen hatte. Denn nach der Hundeveror­dnung dürfen nur Erwachsene jeweils einen Kampfhund führen, der gesichert sein muss, wenn er noch keine Wesensprüf­ung bestanden hat. Der Begleiter beim Gassigehen betont, er habe keinerlei Kenntnisse im Umgang mit Hunden und keine Ahnung gehabt, welche Gefahr von ihnen ausgehe. Sie seien losgerannt, nachdem der 17-Jährige das Kommando „Geh“gegeben habe.

Den Hauptangek­lagten droht laut der Staatsanwa­ltschaft eine Jugendstra­fe von bis zu fünf Jahren. Das endgültige Urteil lässt noch auf sich warten. In dem Prozess sind noch vier weitere Sitzungen geplant.

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SYMBOLFOTO: DPA/UWE ZUCCHI Die Hundehalte­r haben ihre zwei American Staffordsh­ire Terrier auf einen damals 16-jährigen Radfahrer gehetzt.

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