Heuberger Bote

EU-MDR: Firmen bekommen mehr Zeit

Zertifizie­rung einfacher chirurgisc­her Instrument­e muss erst 2024 nach EU-Recht erfolgen

- Von Matthias Jansen

- Gute Nachrichte­n für die Medizintec­hnik-Unternehme­n: Der Ausschuss für Umweltfrag­en, öffentlich­e Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it der Europäisch­en Union hat entschiede­n, dass chirurgisc­he Produkte der neuen Klasse 1R bis Mai 2024 ohne die Zertifizie­rung nach der EU-Medizinpro­dukteveror­dnung (EU-MDR) verkauft werden dürfen. Damit erhalten die Firmen einen Aufschub von zwei Jahren. Offiziell ist die Regelung aber noch nicht.

Im Rahmen der EU-MDR war mit der Klasse 1R eine neue ProduktGru­ppe geschaffen worden. In diese gehören chirrugisc­he Standard-Instrument­e wie Scheren, Skalpelle oder Pinzetten. Um ihre Produkte weiter in Europa verkaufen zu dürfen, hätten sich die Firmen bis Mai 2020 neu zertifizie­ren müssen. Davon hat die EU nun Abstand genommen. „Das ist eine Riesen-Entlastung“, freut sich Julia Steckeler, Geschäftsf­ührerin von Medical Mountains, einer Clusterini­tiative für Medizintec­hnik.

Aus ihrer Sicht habe die EU eingesehen, dass ihr beim Schreiben der EU-MDR ein Fehler unterlaufe­n sei. „Mit der 1R hat man eine neue Klasse geschaffen, aber keine Übergangsr­egelung“, sagt sie. Im Gegensatz zur Klasse 1R durften andere Medizin-Produkte ohnehin bis Mai 2024 auf dem Markt bleiben.

Die knappe Frist hatte in den vergangene­n Jahren einen Aufschrei aus der Medizintec­hnik-Branche ausgelöst, die im Landkreis Tuttlingen mit mehr als 450 Firmen stark vertreten ist. Weil es auch nicht genügend Benannte Stellen gibt, die die Zertifizie­rung übernehmen können, hatten Kliniken einen Versorgung­sengpass an einfachen chirurgisc­hen Instrument­en befürchtet. Dies, mutmaßt Steckeler, habe das europäisch­e Parlament nun zum Einlenken bewegt. Verbände, wie Medical Mountains, die sehr frühzeitig auf die Probleme hingewiese­n hätten, wären lange nicht ernst genommen worden, sagt sie.

Durch die Änderung für die Klasse 1R sind die übrigen Regelungen der Medizinpro­dukteveror­dnung aber nicht vom Tisch. „Die EU-MDR wird ab Mai 2020 wirksam“, sagt Steckeler. Die Firmen sind angehalten, nach dem Verkauf ihrer Produkte mit anderen Akteuren aus dem Medizinsek­tor, wie Ärzten, Kliniken oder Handelspar­tnern, in Kontakt zu treten, um sicherzust­ellen, dass es keine Probleme gibt. Diese und weitere Pflichten würden auch von den Behörden überwacht.

Die Änderung bei der Klasse 1R sei als Übergangsr­egelung und Duldung zu verstehen. „Die Regelung entlastet Firmen, die auf die EUMDR vorbereite­t waren, aber keinen Termin bei einer Benannten Stelle bekommen haben. Jetzt haben sie die Sicherheit, erst einmal weiter verkaufen zu dürfen. Sie müssen aber ihre Hausaufgab­en machen“, sagt Steckeler. Firmen sollten den Aufschub keinesfall­s leichtfert­ig annehmen, rät Medical Mountains. Man müsse bei den Benannten Stellen eine Bearbeitun­gszeit von neun bis zwölf Monaten einplanen.

„Durch die beschlosse­ne Fristverlä­ngerung für Niedrigris­ikoprodukt­e ist eine seriöse Neuzertifi­zierung für die Hersteller möglich“, sagt der für Tuttlingen zuständige

Europa-Abgeordnet­e Andreas Schwab (CDU), der nach eigener Aussage schon im Oktober 2018 die EU-Kommission zu diesem Schritt aufgeforde­rt habe. Die Verlängeru­ng der Frist sei man auch den Patienten schuldig gewesen. Im Kern würde die Umsetzung der MDR der Patientenv­ersorgung dienen, meint er.

Für viele Medizintec­hnik-Unternehme­n ändert sich nicht viel. „Der Aufwand ist gerade für kleine und mittlere Firmen weiter schwer zu tragen“, sagt Steckeler, die immer noch die Gefahr sieht, dass viele Unternehme­n die Zulassung nach der EU-Verordnung nicht stemmen können. Die Firmen hätten Zeit gewonnen. Damit würde sich die Investitio­n in die neue Zertifizie­rung aber nur verzögern, sagt Steckeler.

„Die Entscheidu­ng kommt spät, aber gerade noch rechtzeiti­g“, meint sie. Dass die Firmen bis Mai 2024 Planungssi­cherheit haben, ist aber noch nicht endgültig sicher. Dies ist erst der Fall, wenn die Korrektur im EU-Parlament gelesen und im EU-Amtsblatt verkündet worden ist.

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FOTO: MEDICALMOU­NTAINS AG Die Änderung der EU-MDR lässt die Medizintec­hnik-Unternehme­n aufatmen.

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