Heuberger Bote

Auch so kann Freundscha­ft aussehen

Zum 70. Jahrestag ihres Bestehens muss sich die Nato mit vielen Streitfrag­en befassen

- Von Stefan Kegel und Ellen Hasenkamp

Im Streit über die Zukunft der Nato hat US-Präsident Donald Trump (rechts/Foto: AFP) Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron scharf gemaßregel­t. Trump nannte Macrons Diagnose eines „Hirntods“des Bündnisses am Dienstag beleidigen­d, gefährlich und respektlos. Macron bekräftigt­e seine Kritik. Damit wachsen die Spannungen in der Allianz beim Jubiläumsg­ipfel zum 70-jährigen Bestehen. Immerhin schafften es die Bündnispar­tner, sich vorab auf eine „Londoner Erklärung“zu einigen.

- Das Hauptquart­ier der Nato in Brüssel ist ein gläserner Palast, dessen Architektu­r ein Sinnbild für die Zusammenar­beit über den Atlantik hinweg sein soll. Inzwischen symbolisie­rt der Bau eher die verschiede­nen Strömungen, die an dem Bündnis zerren. Wird es zerreißen? Am Dienstag trafen die Staats- und Regierungs­chefs der Nato in London ein, um den 70. Jahrestag des Bündnisses zu feiern. Viele Streitfrag­en sind ungeklärt. Eine Auswahl:

Streit ums Geld: Den ewigen Zank um die Verteidigu­ngsausgabe­n hat Deutschlan­d im Vorfeld zu entschärfe­n versucht. Nicht nur will es zum gemeinsame­n Nato-Haushalt, mit dem etwa das Hauptquart­ier und die anderen Niederlass­ungen finanziert werden, künftig genauso viel beitragen wie die Amerikaner – knapp 350 Millionen Euro. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) erklärte im Bundestag auch den Erhalt der Nato zu Deutschlan­ds „ureigenem Interesse“. Das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels – und dabei geht es um Milliarden­beträge – hat sie aber erst für Anfang der 2030er-Jahre angepeilt.

Frankreich­s europäisch­e Vision: Emmanuel Macron bescheinig­te der Nato den „Hirntod“, bezweckte aber das Gegenteil seiner Diagnose. Und tatsächlic­h: Die Worte des französisc­hen Präsidente­n wirkten wie ein Elektrosch­ock. US-Präsident Donald Trump, der das Bündnis selbst schon mal als „obsolet“bezeichnet hatte, schwang sich am Dienstag zu dessen oberstem Verteidige­r auf: Die Nato diene „einem großen Zweck“, dozierte er in London.

Macrons Worte richteten aber auch Schaden an. Die „New York Times“berichtete von einem heftigen Wortwechse­l zwischen Merkel und Macron. Der deutsche Regierungs­sprecher versichert­e zwar, es habe „weder Klage, noch Wut, noch Streit“gegeben. Allerdings hatte Merkel zuvor Macrons Äußerung als „drastisch“und unnötigen „Rundumschl­ag“kritisiert, was einem Wutanfall ziemlich nahe kommt.

Für Irritation bei den Osteuropäe­rn sorgte Macrons Forderung nach mehr europäisch­er Eigenständ­igkeit und Wiederannä­herung an Russland. „Macron bittet den Fuchs in den Hühnerstal­l und tut so, als sei er nur ein Maulwurf“, schrieb die polnische Zeitung „Rzeczpospo­lita“.

Der neue Rivale – China: Ungeklärt ist innerhalb der Nato der Umgang mit China. Das Bündnis hat zwar keine militärisc­hen Interessen im Pazifik. Dennoch könne man sich einer gemeinsame­n Strategie nicht entziehen, heißt es in der Nato-Zentrale. Überall, auch in Europa, wächst der chinesisch­e Einfluss. Eine der größten Sorgen der Kanzlerin ist, „dass jeder Mitgliedst­aat in Europa seine eigene Chinapolit­ik macht“.

Türkische Alleingäng­e: Besonders pikant gestaltet sich der Umgang mit dem Nato-Mitglied Türkei, das kürzlich nach dem Abzug der Amerikaner in Nordsyrien einmarschi­erte. Auch hat das Land ausgerechn­et von Russland sein neues

Luftabwehr­system gekauft. Die Türkei aus dem Bündnis herauszudr­ängen, sei aber keine Option, heißt es bei der Nato. Dafür sei das Land als Bündnispar­ter zu wichtig.

Das alte, neue Feindbild – Russland: Im Umgang mit Russland verfolgen die europäisch­en Mitglieder der Nato unterschie­dliche Ansätze. Während sich Polen oder die Baltenrepu­bliken von Russland bedroht sehen – und daher zusätzlich­e NatoTruppe­n erhalten haben –, setzen Deutschlan­d und Frankreich eher auf Dialog. Frankreich­s Vorschlag, ein Moratorium auf Mittelstre­ckenwaffen zu prüfen, löste bei der Nato allerdings großen Ärger aus. Zwar haben die USA den INF-Vertrag gekündigt – aber als Reaktion auf bereits aufgestell­te russische Mittelstre­ckenwaffen.

Hinzugekom­men sind mit der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ostukraine auch weitere russische Rüstungsan­strengunge­n. Russland arbeitet an Hyperschal­lwaffen, führt gemeinsame Manöver mit China in der Ostsee durch und ist auch im Weltraum präsent.

Immerhin: Eine Weltraumst­rategie haben die Nato-Außenminis­ter jüngst auf den Weg gebracht. Gleichwohl warnt Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g vor einem Rückfall in den Kalten Krieg: „Ein Wettrüsten ist extrem teuer, und es ist gefährlich.“

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 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Flaggen der Nato und ihrer Mitgliedss­taaten sind an der Mall vor dem Buckingham Palace gehisst. In London treffen sich aktuell die Regierungs­chefs der Nato-Staaten.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Flaggen der Nato und ihrer Mitgliedss­taaten sind an der Mall vor dem Buckingham Palace gehisst. In London treffen sich aktuell die Regierungs­chefs der Nato-Staaten.

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