Selbstbestimmung im Alter
Wurmlingen baut Komplex aus altersgerechten Wohnungen und pflegerischer Einrichtung
Die Kinder? Längst aus dem Haus und mit eigener Familie kilometerweit entfernt. Der Partner? Verstorben. Und der eigene Körper? Macht auch nicht mehr so richtig mit. Aber ein Pflegeheim ist keine Option. In Wurmlingen gründet sich im kommenden Jahr eine SeniorenWG. Die ist Teil des Gemeindeprojekts „Wohnen beim Schloss“.
Im Sommer 2020 soll die Anlage zwischen Unterer Hauptstraße und Faulenbach bezugsfertig sein. Dazu gehören neben der Wohngemeinschaft auch seniorengerechte Wohnungen. Das Konzept verspricht im Alter so viel Selbstbestimmung wie möglich.
„Es wird eine pflegerische Einrichtung, in der die Bewohner mithelfen, soweit sie können und wollen“, erklärt Bürgermeister Klaus Schellenberg. Alle zwölf Bewohner beziehen ein eigenes Zimmer, inklusive Nasszelle. Wohnzimmer, Küche und Essbereich werden geteilt. Im Außenbereich ist ein Gartenhaus mit Hühnern und Hasen geplant. Auf Beeten sollen die Bewohner ihr eigenes Gemüse anpflanzen können. „Statt rein zu betreuen, wollen wir die Menschen aktivieren. Über alle Sinne“, sagt Schellenberg. Es gehe darum, die letzten Lebensjahre bestmöglich zu verbringen. „Einsamkeit spielt oft eine Rolle. Aber durch das Konzept bleiben soziale Kontakte bestehen, da die Menschen im Ort bleiben.“
Ein niederschwelliges Angebot, nicht nur zur Unterstützung von Senioren, sondern auch Familien, hat die Gemeinde bereits 2013 geschaffen: Die Nachbarschaftshilfe. „Hier werden aber immer mehr Stunden geleistet. 2018 waren es mehr als 7000.“Ein deutlicher Sprung, sagt Schellenberg, der sich nicht so einfach stemmen ließe. „Wir haben zwar ein paar geringfügig Beschäftigte im Verein. Das meiste leisten aber Ehrenamtliche.“So habe die Gemeinde weiter an dem Angebot feilen wollen. „Ambulante Dienste,
Tagespflege und eine betreute Wohnanlage haben wir bereits. Nur im pflegerischen Bereich hat noch etwas gefehlt“, sagt der Bürgermeister, der zugleich Vorsitzender der Nachbarschaftshilfe ist.
Der Verein wickelt in Zukunft den Betrieb der SeniorenWG ab. „Da 365 Tage immer 24 Stunden jemand da sein muss, benötigen wir 8,4 Vollzeitäquivalente.“Flexibilität sei im Dauerbetrieb wichtig. Daher werde es Voll und Teilzeitstellen geben, erklärt Schellenberg. Neben Pflegewerden auch Hauswirtschaftskräfte engagiert. „Die Bewohner können mithelfen beim Kochen und zum Beispiel das Gemüse putzen. Das muss auch nicht viel sein.“Auch die Wäsche könne jeder selbst übernehmen. „Wir haben uns ein ähnliches Projekt angeschaut. Eine Bewohnerin war dement und hat ihre Blusen gleich mehrfach gebügelt“, erzählt der Bürgermeister. Solange sich die WGMitglieder nicht langweilen, ist jedoch alles erlaubt.
Egal mit welchem Betreuungsbedarf können Menschen ein Zimmer beziehen. „Wir teilen die Plätze nach den fünf Pflegestufen auf. Anteilig sind das dann immer 20 Prozent“; sagt Schellenberg. Die Gemeinde vermietet die Zimmer. Gewinn soll das Angebot aber nicht abwerfen. „Wir streben eine schwarze Null an.“
Die Betriebskosten übernimmt die Gemeinde. Bei den Baukosten in Höhe von rund sieben Millionen Euro ist jedoch der Bauträger, die SWR GmbH, in der Pflicht. „Der verkauft auch die Wohnungen, die mit zur Anlage gehören“, sagt Schellenberg. Insgesamt 15 Wohnungen gibt es – von 60 bis mehr als 100 Quadratmetern. 14 haben jedoch schon einen Eigentümer, nur noch eine ist frei.
Die Nachfrage sei hoch, sagt Schellenberg. Auch bei den Einzelzimmern. Die Zielgruppe sei 60 plus. Wobei Schellenberg das bei den Wohnungen nicht so eng sieht. „Das würde schon noch etwas mehr Leben reinbringen, wenn auch mal ein kleines Kind durch den Flur tobt.“