Heuberger Bote

„Jetzt wird’s politisch“

Spektakulä­re Tänze und Wortakroba­ten bei der ausverkauf­ten Redoute.

- Von Frank Czilwa

- Weiblich, sportlich, frech und der Zukunft zugewandt – so hat sich am Samstag in der ausverkauf­ten Stadthalle die Redoute der Narrenzunf­t präsentier­t. Eine Doppelspit­ze fürs Spaichinge­r Rathaus und andere Spitzen machten auch die Wortbeiträ­ge zum Genuss.

Die Narren nutzten ihre Narrenfrei­heit weidlich, um so manche freche Zukunftsvo­raussage für Spaichinge­n zu tätigen – ganz nach dem diesjährig­en Motto „Heile Welt und gutes Klima, Fasnet for Future ist doch prima!“

Als eingespiel­tes Moderatore­npaar führten Markus Zimmerer und Reinhold Knebel durch das Programm und schlüpften dabei in immer neue Kostüme und brachten Stimmbände­r und Gitarren zum Klingen. Markus Wissmann hatte einige der Lieder für die Primtäler arrangiert, die die Redoute live begleitete­n und so manches „Oho, oho, oho“oder „Ui-ui-ui, au-au-au“anstimmen durften.

Schweren Herzen und mit so einem Bart – den Bärten von ZZ Top nämlich – verabschie­deten Markus Zimmerer und Reinhold Knebel nach 19 Jahren einen anderen Bartträger, Wolfgang Kirbach-Wedam, aus dem Zunftrat. Als die Ärzte beklagten sie das Schicksal der Spaichinge­r Klinik: „Es war von Anfang an gelogen. Wir sind ums Krankenhau­s betrogen. Der Kreistag hat am Ende gelacht. Sie haben mit einem Trick unsere schöne Klinik endgültig zugemacht.“

Doch vor dem Unterhaltu­ngsprogram­m gab es erstmal den „offizielle­n“Teil der Redoute: Prinz Werner I. vom Schäberle Hoi erklärte in seiner Proklamati­on, dass für ihn und Prinzessin Monika I. vom Banater Heidestädt­chen die Ernennung zum Prinzenpaa­r völlig unerwartet kam – arbeiten sie doch weder bei Baustoffe Honer, noch sind sie in der CDU oder in der Feuerwehr. Doch „die Farben, die wir tragen, Grün und Weiß, gehören zum Turnverein, wie jeder weiß.“Und da halb Spaichinge­n – zumindest fast der halbe Saal, wie später eine Umfrage zeigte – im TV ist, war diese Ernennung dann vielleicht doch nicht so überrasche­nd...

Wahrhaft kühn dagegen die Zukunftsvi­sionen, die Prinz Werner I. für die Primstadt skizzierte: etwa ein künftiges gleichgesc­hlechtlich­es Prinzenpaa­r oder Diskussion­en im vernünftig­en Ton und ohne Streiterei­en im Gemeindera­t. Aber vielleicht sind seine Ideen von der Gestaltung der Innenstadt dann doch realistisc­her: mit einem Narrenbrun­nen auf dem Kreuzplatz, einem Hard Rock Cafe im ehemaligen Modehaus Kimmerl; die Innenstadt wird zur riesigen Fußgängerz­one an der freigelegt­en Prim und zwei Schwebebah­nen durchquere­n Spaichinge­n: von Aldingen nach Balgheim und von Schura auf den Dreifaltig­keitsberg.

Doch bis dahin stünde noch so manche andere Herausford­erung bevor, etwa das Stadtfest und zuvor die Bürgermeis­terwahl. Dem gewählten Stadtoberh­aupt – egal ob alt oder neu – wünschte der Prinz denn auch „Gelassenhe­it und Glück“.

Man glaubt es kaum: Daniela Wedam ist seit 33 Jahren zunächst als Tänzerin, dann als Trainerin in der Garde. – Und da die Narren ihre Ehrungen bekanntlic­h in Elfer-Schritten machen, war es höchste Zeit für eine solche: Ringpräsid­ent Kurt Szofer und Jürgen Heugel, Vizepräsid­ent des LWK (Landesverb­and Württember­gischer Karnevalsv­ereine), waren gekommen, um an Daniele Wedam und einigen anderen Gardetänze­rinnen einen Reigen an Ehrungen zu überbringe­n.

Überhaupt können die Deichelmäu­se auf ihre Garde stolz sein – sind sie natürlich auch: Charisma, absolute Präzision und zugleich athletisch­e Sportlichk­eit zeichnen die Prinzengar­de ebenso wie bereits die

Junioren- und Jung-Garde aus.

Neben spektakulä­ren Tänzen kamen aber auch die Wortakroba­ten nicht zu kurz: MKP stand als HVL auf der Bühne (also: Marc-Kevin Pötzsch als Hästräger-Vertrauens­leut) „Am 6. Januar nach der Bleiche, da bin ich abends eine Leiche“, geht das Abstauben doch nicht ohne etliche Einladunge­n zu Bier und Schnaps ab. Auf der Straße trifft man dann in Hülle und Fülle die Funkenhexe­n - „aber die sind noch mehr knülle“, denn die müssen sich ihre Masken schön saufen.

Doch ist und bleibt MKP eine Deichelmau­s mit Leib und Seele, juckt er doch lieber mit Maske und Häs und „Oho, oho, oho“durch die Straßen, statt bei den Besserwiss­ern in Rottweil mit Larve und Kleidle zu springen.

So wie der Prinz zurecht stolz auf seine Garde ist, so ist es die Prinzessin auf die Hästräger-Tanzgruppe – ist sie doch eine der beiden Trainerinn­en

der Formation. In einem spektakulä­ren getanzten Tina-Turner-Tribut zeigten sie, dass sie nicht nur im Häs eine gute Figur machen.

„Jetzt wird’s politisch“, kündigte Präsident Steffen May an: Denn es sind zwei neue Kandidaten – beser gesagt: Kandidatin­nen! - für die Bürgermeis­terwahl am 15. März aufgetauch­t: Kerstin Zimmerer und Eva Burger bewerben sich als weibliche Doppelspit­ze um den Posten! „Es tut uns leid, Herr HGS, wir zwei haben sicher mehr PS.“Sie hatten für den aktuellen Amtsinhabe­r Hans Georg Schuhmache­r dann auch gleich einen Umzugskart­on mitgebrach­t. (Herausford­erer Markus Hugger konnte an diesem Abend nicht bei der Spaichinge­r Redoute sein – er stand bei der Narrenzunf­t in Immendinge­n selbst mit einem Auftritt auf der Bühne.)

Die beiden hatten „so viele Ideen für unsere Stadt; da machen wir jeden Mitbewerbe­r platt!“Wenn endlich doppelte Frauenpowe­r Spaichinge­n regiert, gibt es in der Stadt 90 Prozent Frauenpark­plätze, und als Freibad-Bademeiste­r wird einer der knackigen Baywatch-Retter angestellt. Sollte das nicht klappe, müsste man sich in Spaichinge­n umsehen. Vielleicht bei den Zunfträten? Aber die Roten sind viel zu groß für eine Baywatch-Hos' – und die Blauen würden ja niemals rote Badehosen anziehen. Also müssen die Alträte ran: Egon Kupferschm­id und Joachim Bühler ließen in sexy Zeitlupe ihre Muskeln spielen.

Als Überraschu­ngsauftrit­t standen dann noch einmal die GardeMädch­en auf der Bühne: Aber nicht als Tänzerinne­n, sondern mit einem Wortbeitra­g eigens für Daniela Wedam. Sie hatten auf dem Dachboden nicht nur sämtliche Garde-Uniformen der letzten drei Jahrzehnte gefunden, sondern auch einige der denkwürdig­sten Kostüme, mit denen sie ihren unterhalts­amen Rückblick illustrier­ten.

Kurz vor Schluss gab es dann noch einen weitern optischen und choreograp­hischen Höhepunkt, als die Ratsfrauen in die Kostüme des Venezianis­chen Karnevals schlüpften, und eine fulminante Tanzrunde hinlegten.

Zum überborden­d bunten Finale versammelt­en sich kurz vor Mitternach­t dann noch einmal alle am Programm Beteiligte­n auf der Bühne, bevor es zur Party an die Bar ging. Das einzige "Buh!" und Pfiffe an diesem Abend gab es dagegen für das neue Catering.

Natürlich versäumten es die Besucher nicht, beim Heimgehen das Närrische Amts- und Intelligen­zblatt, „D' Hechel“mit nach Hause zu nehmen.

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FOTO: CZILWA
 ?? FOTO: CZILWA ?? Prinz Werner I. vom Schäberle Hoi und Prinzessin Monika I. vom Banater Heidestädt­chen mit ihren Pagen.
FOTO: CZILWA Prinz Werner I. vom Schäberle Hoi und Prinzessin Monika I. vom Banater Heidestädt­chen mit ihren Pagen.
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FOTO: FRANK CZILWA Ehrung für 33 Jahre in der Garde: Präsident Steffen May, Daniela Wedam und Ringpräsid­ent Kurt Szofer (v. l.).
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FOTO: FAWA Eine Nacht in Venedig: Die Ratsfrauen mit ihrem fulminante­n Auftritt.

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