„Jetzt wird’s politisch“
Spektakuläre Tänze und Wortakrobaten bei der ausverkauften Redoute.
- Weiblich, sportlich, frech und der Zukunft zugewandt – so hat sich am Samstag in der ausverkauften Stadthalle die Redoute der Narrenzunft präsentiert. Eine Doppelspitze fürs Spaichinger Rathaus und andere Spitzen machten auch die Wortbeiträge zum Genuss.
Die Narren nutzten ihre Narrenfreiheit weidlich, um so manche freche Zukunftsvoraussage für Spaichingen zu tätigen – ganz nach dem diesjährigen Motto „Heile Welt und gutes Klima, Fasnet for Future ist doch prima!“
Als eingespieltes Moderatorenpaar führten Markus Zimmerer und Reinhold Knebel durch das Programm und schlüpften dabei in immer neue Kostüme und brachten Stimmbänder und Gitarren zum Klingen. Markus Wissmann hatte einige der Lieder für die Primtäler arrangiert, die die Redoute live begleiteten und so manches „Oho, oho, oho“oder „Ui-ui-ui, au-au-au“anstimmen durften.
Schweren Herzen und mit so einem Bart – den Bärten von ZZ Top nämlich – verabschiedeten Markus Zimmerer und Reinhold Knebel nach 19 Jahren einen anderen Bartträger, Wolfgang Kirbach-Wedam, aus dem Zunftrat. Als die Ärzte beklagten sie das Schicksal der Spaichinger Klinik: „Es war von Anfang an gelogen. Wir sind ums Krankenhaus betrogen. Der Kreistag hat am Ende gelacht. Sie haben mit einem Trick unsere schöne Klinik endgültig zugemacht.“
Doch vor dem Unterhaltungsprogramm gab es erstmal den „offiziellen“Teil der Redoute: Prinz Werner I. vom Schäberle Hoi erklärte in seiner Proklamation, dass für ihn und Prinzessin Monika I. vom Banater Heidestädtchen die Ernennung zum Prinzenpaar völlig unerwartet kam – arbeiten sie doch weder bei Baustoffe Honer, noch sind sie in der CDU oder in der Feuerwehr. Doch „die Farben, die wir tragen, Grün und Weiß, gehören zum Turnverein, wie jeder weiß.“Und da halb Spaichingen – zumindest fast der halbe Saal, wie später eine Umfrage zeigte – im TV ist, war diese Ernennung dann vielleicht doch nicht so überraschend...
Wahrhaft kühn dagegen die Zukunftsvisionen, die Prinz Werner I. für die Primstadt skizzierte: etwa ein künftiges gleichgeschlechtliches Prinzenpaar oder Diskussionen im vernünftigen Ton und ohne Streitereien im Gemeinderat. Aber vielleicht sind seine Ideen von der Gestaltung der Innenstadt dann doch realistischer: mit einem Narrenbrunnen auf dem Kreuzplatz, einem Hard Rock Cafe im ehemaligen Modehaus Kimmerl; die Innenstadt wird zur riesigen Fußgängerzone an der freigelegten Prim und zwei Schwebebahnen durchqueren Spaichingen: von Aldingen nach Balgheim und von Schura auf den Dreifaltigkeitsberg.
Doch bis dahin stünde noch so manche andere Herausforderung bevor, etwa das Stadtfest und zuvor die Bürgermeisterwahl. Dem gewählten Stadtoberhaupt – egal ob alt oder neu – wünschte der Prinz denn auch „Gelassenheit und Glück“.
Man glaubt es kaum: Daniela Wedam ist seit 33 Jahren zunächst als Tänzerin, dann als Trainerin in der Garde. – Und da die Narren ihre Ehrungen bekanntlich in Elfer-Schritten machen, war es höchste Zeit für eine solche: Ringpräsident Kurt Szofer und Jürgen Heugel, Vizepräsident des LWK (Landesverband Württembergischer Karnevalsvereine), waren gekommen, um an Daniele Wedam und einigen anderen Gardetänzerinnen einen Reigen an Ehrungen zu überbringen.
Überhaupt können die Deichelmäuse auf ihre Garde stolz sein – sind sie natürlich auch: Charisma, absolute Präzision und zugleich athletische Sportlichkeit zeichnen die Prinzengarde ebenso wie bereits die
Junioren- und Jung-Garde aus.
Neben spektakulären Tänzen kamen aber auch die Wortakrobaten nicht zu kurz: MKP stand als HVL auf der Bühne (also: Marc-Kevin Pötzsch als Hästräger-Vertrauensleut) „Am 6. Januar nach der Bleiche, da bin ich abends eine Leiche“, geht das Abstauben doch nicht ohne etliche Einladungen zu Bier und Schnaps ab. Auf der Straße trifft man dann in Hülle und Fülle die Funkenhexen - „aber die sind noch mehr knülle“, denn die müssen sich ihre Masken schön saufen.
Doch ist und bleibt MKP eine Deichelmaus mit Leib und Seele, juckt er doch lieber mit Maske und Häs und „Oho, oho, oho“durch die Straßen, statt bei den Besserwissern in Rottweil mit Larve und Kleidle zu springen.
So wie der Prinz zurecht stolz auf seine Garde ist, so ist es die Prinzessin auf die Hästräger-Tanzgruppe – ist sie doch eine der beiden Trainerinnen
der Formation. In einem spektakulären getanzten Tina-Turner-Tribut zeigten sie, dass sie nicht nur im Häs eine gute Figur machen.
„Jetzt wird’s politisch“, kündigte Präsident Steffen May an: Denn es sind zwei neue Kandidaten – beser gesagt: Kandidatinnen! - für die Bürgermeisterwahl am 15. März aufgetaucht: Kerstin Zimmerer und Eva Burger bewerben sich als weibliche Doppelspitze um den Posten! „Es tut uns leid, Herr HGS, wir zwei haben sicher mehr PS.“Sie hatten für den aktuellen Amtsinhaber Hans Georg Schuhmacher dann auch gleich einen Umzugskarton mitgebracht. (Herausforderer Markus Hugger konnte an diesem Abend nicht bei der Spaichinger Redoute sein – er stand bei der Narrenzunft in Immendingen selbst mit einem Auftritt auf der Bühne.)
Die beiden hatten „so viele Ideen für unsere Stadt; da machen wir jeden Mitbewerber platt!“Wenn endlich doppelte Frauenpower Spaichingen regiert, gibt es in der Stadt 90 Prozent Frauenparkplätze, und als Freibad-Bademeister wird einer der knackigen Baywatch-Retter angestellt. Sollte das nicht klappe, müsste man sich in Spaichingen umsehen. Vielleicht bei den Zunfträten? Aber die Roten sind viel zu groß für eine Baywatch-Hos' – und die Blauen würden ja niemals rote Badehosen anziehen. Also müssen die Alträte ran: Egon Kupferschmid und Joachim Bühler ließen in sexy Zeitlupe ihre Muskeln spielen.
Als Überraschungsauftritt standen dann noch einmal die GardeMädchen auf der Bühne: Aber nicht als Tänzerinnen, sondern mit einem Wortbeitrag eigens für Daniela Wedam. Sie hatten auf dem Dachboden nicht nur sämtliche Garde-Uniformen der letzten drei Jahrzehnte gefunden, sondern auch einige der denkwürdigsten Kostüme, mit denen sie ihren unterhaltsamen Rückblick illustrierten.
Kurz vor Schluss gab es dann noch einen weitern optischen und choreographischen Höhepunkt, als die Ratsfrauen in die Kostüme des Venezianischen Karnevals schlüpften, und eine fulminante Tanzrunde hinlegten.
Zum überbordend bunten Finale versammelten sich kurz vor Mitternacht dann noch einmal alle am Programm Beteiligten auf der Bühne, bevor es zur Party an die Bar ging. Das einzige "Buh!" und Pfiffe an diesem Abend gab es dagegen für das neue Catering.
Natürlich versäumten es die Besucher nicht, beim Heimgehen das Närrische Amts- und Intelligenzblatt, „D' Hechel“mit nach Hause zu nehmen.