Kurzarbeit und Mehrarbeit sind leichter möglich
Neue Regelungen angesichts von Corona – Handwerkskammer fordert Zuschussprogramm
G/ - Viele Arbeitnehmer, aber auch Arbeitgeber und Selbstständige sind verunsichert, wie es in der Corona-Krise weitergehen soll. Wirtschaftsfördergesellschaft und Handwerkskammern haben Beratungshotlines eingerichtet. Besonders das Thema Kurzarbeit – aber auch verlängerte Arbeitszeiten für bestimmte Berufsgruppen – rückt in den Mittelpunkt.
„Am Dienstag war es atemlos, da sind die Telefone nicht stillgestanden“, sagt Cornelia Lüth, Projektleiterin bei der Wirtschaftsförderung (Wifög) Schwarzwald-Baar-Heuberg. In erster Linie seien es Selbstständige, die Rat suchten, „darunter auch unser eigener Messebauer, mit dem wir immer zusammenarbeiten, und dem jetzt die Aufträge weggebrochen sind.“Zum anderen seien es Gastronomiebetriebe, die Anfragen zu den geltenden Regelungen stellen.
Ansprechpartner für Arbeitgeber, die Kurzarbeitergeld beantragen wollen, ist die Arbeitsagentur, so Lüth, bei Beantragung von Krediten – auch staatlicher KfW-Kredite – die Hausbank.
Wie sich die Zahl der Anträge auf Kurzarbeit im Gebiet der Arbeitsagentur Rottweil/Villingen-Schwenningen aktuell entwickelt, und welche Branchen besonders betroffen sind, kann Elena Niggemann, Pressesprecherin der AA Rottweil/Villingen-Schwenningen, derzeit nicht sagen: „Es liegt noch keine aktuelle Auswertung für März vor. Zu Corona läuft gerade ein Monitoring, aber die Zahlen sind noch nicht da.“
Anträge auf Kurzarbeit stellt immer der Arbeitgeber bei der Arbeitsagentur. Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt dabei 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns. Bei Arbeitnehmern mit Kind sind es 67 Prozent.
Neu ist, dass Unternehmen jetzt bereits Kurzarbeitergeld beantragen können, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten – nicht mehr wie bisher ein Drittel – einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als zehn Prozent haben. Die Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden
werden jetzt zu 100 Prozent vom Staat erstattet. Auch Leiharbeitnehmer haben nun Anspruch auf Kurzarbeitergeld.
Kurzarbeit kann der Arbeitgeber laut Sozialgesetzbuch III anmelden, wenn der Arbeitsausfall unvermeidbar ist und der Betrieb alles getan hat, um ihn zu vermindern oder zu beheben. „Das bedeutet, dass zunächst auch Zeitguthaben, Überstunden oder Ähnliches ,abgefeiert’ werden müssen“, erklärt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gütersloh, laut dpa. Zudem sei es möglich, Urlaub anzuordnen, soweit die betreffenden Urlaubstage nicht schon genehmigt sind. Urlaub, der schon genehmigt ist, könne vom Arbeitgeber nicht ohne weiteres wieder gestrichen werden.
Zur Frage, in welchem Rahmen Urlaub angeordnet werden kann, gibt es laut Schipp keine eindeutigen Regeln. Seiner Einschätzung nach kann es aber in einer Pandemie-Situation durchaus möglich sein, dass Arbeitnehmer die Hälfte oder zwei
Drittel ihres Urlaubsanspruchs erst einmal einsetzen müssen. Dringende betriebliche Gründe stehen dann den Urlaubswünschen der Arbeitnehmer entgegen.
Selbstständige können nicht in den Genuss von Kurzarbeitergeld kommen, weil sie nicht in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sind, erklärt der Fachanwalt.
Derweil hat die Landesregierung am Mittwoch vorübergehende Ausnahmeregelungen im Arbeitszeitrecht erlassen. Menschen, die gegen die Pandemie kämpfen oder für die Daseinsvorsorge wichtig sind, sollen auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten dürfen. Die tägliche Höchstarbeitszeit könne für diesen Personenkreis auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden. Lebensmittel- und Drogeriehandel, medizinische Versorgung, die Produktion von Desinfektionsmitteln sowie Energie- und Wasserversorgung sollen so sichergestellt werden. Befristet ist die Maßnahme bis zum 30. Juni. Allerdings sind die Ausnahmen der Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) zufolge umfassend zu dokumentieren. Weiterhin sei eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden im Durchschnitt von sechs Monaten einzuhalten.
Auch die Coronavirus-Hotline, die die Handwerkskammer Konstanz eingerichtet hat, stehe nicht mehr still, so eine Pressemitteilung der Handwerkskammer; die Website www.hwk-konstanz.de/corona werde ständig aktualisiert. Da sowohl Bund als auch Land Soforthilfen zwar angekündigt, aber noch nicht bis ins Details ausformuliert hätten, seien hier Antworten nicht immer einfach. Auch die neue Landesverordnung zur Schließung von Geschäften sei „in Teilen Auslegungssache“.
„Wichtig ist jetzt“, wird Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, zitiert, „den Betrieben schnell und pragmatisch zu helfen, insbesondere um liquide zu bleiben und Löhne weiter zahlen zu können. Das vereinfachte Kurzarbeitergeld ist wichtig, greift aber nicht in jedem Fall. Die Corona-Krise darf nicht zu Kündigungen und Insolvenzen führen – hier steht die Landesregierung Baden-Württemberg bei den Unternehmen im Wort“, sagt Hiltner. Das Handwerk fordere deshalb die Einführung eines unbürokratischen Zuschussprogramms ähnlich der Frosthilfe für die Landwirtschaft im Jahr 2017, bei dem Betrieben, die Einbußen
von mehr als 30 Prozent erleiden, 50 Prozent des Schadens über einen Landeszuschuss ersetzt wird.