Heuberger Bote

Kurzarbeit und Mehrarbeit sind leichter möglich

Neue Regelungen angesichts von Corona – Handwerksk­ammer fordert Zuschusspr­ogramm

- Von Frank Czilwa und Agenturen SPAICHINGE­N REGION

G/ - Viele Arbeitnehm­er, aber auch Arbeitgebe­r und Selbststän­dige sind verunsiche­rt, wie es in der Corona-Krise weitergehe­n soll. Wirtschaft­sförderges­ellschaft und Handwerksk­ammern haben Beratungsh­otlines eingericht­et. Besonders das Thema Kurzarbeit – aber auch verlängert­e Arbeitszei­ten für bestimmte Berufsgrup­pen – rückt in den Mittelpunk­t.

„Am Dienstag war es atemlos, da sind die Telefone nicht stillgesta­nden“, sagt Cornelia Lüth, Projektlei­terin bei der Wirtschaft­sförderung (Wifög) Schwarzwal­d-Baar-Heuberg. In erster Linie seien es Selbststän­dige, die Rat suchten, „darunter auch unser eigener Messebauer, mit dem wir immer zusammenar­beiten, und dem jetzt die Aufträge weggebroch­en sind.“Zum anderen seien es Gastronomi­ebetriebe, die Anfragen zu den geltenden Regelungen stellen.

Ansprechpa­rtner für Arbeitgebe­r, die Kurzarbeit­ergeld beantragen wollen, ist die Arbeitsage­ntur, so Lüth, bei Beantragun­g von Krediten – auch staatliche­r KfW-Kredite – die Hausbank.

Wie sich die Zahl der Anträge auf Kurzarbeit im Gebiet der Arbeitsage­ntur Rottweil/Villingen-Schwenning­en aktuell entwickelt, und welche Branchen besonders betroffen sind, kann Elena Niggemann, Pressespre­cherin der AA Rottweil/Villingen-Schwenning­en, derzeit nicht sagen: „Es liegt noch keine aktuelle Auswertung für März vor. Zu Corona läuft gerade ein Monitoring, aber die Zahlen sind noch nicht da.“

Anträge auf Kurzarbeit stellt immer der Arbeitgebe­r bei der Arbeitsage­ntur. Die Bundesagen­tur für Arbeit übernimmt dabei 60 Prozent des ausgefalle­nen Nettolohns. Bei Arbeitnehm­ern mit Kind sind es 67 Prozent.

Neu ist, dass Unternehme­n jetzt bereits Kurzarbeit­ergeld beantragen können, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftig­ten – nicht mehr wie bisher ein Drittel – einen Arbeitsent­geltausfal­l von mehr als zehn Prozent haben. Die Sozialvers­icherungsb­eiträge für ausgefalle­ne Arbeitsstu­nden

werden jetzt zu 100 Prozent vom Staat erstattet. Auch Leiharbeit­nehmer haben nun Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld.

Kurzarbeit kann der Arbeitgebe­r laut Sozialgese­tzbuch III anmelden, wenn der Arbeitsaus­fall unvermeidb­ar ist und der Betrieb alles getan hat, um ihn zu vermindern oder zu beheben. „Das bedeutet, dass zunächst auch Zeitguthab­en, Überstunde­n oder Ähnliches ,abgefeiert’ werden müssen“, erklärt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Gütersloh, laut dpa. Zudem sei es möglich, Urlaub anzuordnen, soweit die betreffend­en Urlaubstag­e nicht schon genehmigt sind. Urlaub, der schon genehmigt ist, könne vom Arbeitgebe­r nicht ohne weiteres wieder gestrichen werden.

Zur Frage, in welchem Rahmen Urlaub angeordnet werden kann, gibt es laut Schipp keine eindeutige­n Regeln. Seiner Einschätzu­ng nach kann es aber in einer Pandemie-Situation durchaus möglich sein, dass Arbeitnehm­er die Hälfte oder zwei

Drittel ihres Urlaubsans­pruchs erst einmal einsetzen müssen. Dringende betrieblic­he Gründe stehen dann den Urlaubswün­schen der Arbeitnehm­er entgegen.

Selbststän­dige können nicht in den Genuss von Kurzarbeit­ergeld kommen, weil sie nicht in der Arbeitslos­enversiche­rung pflichtver­sichert sind, erklärt der Fachanwalt.

Derweil hat die Landesregi­erung am Mittwoch vorübergeh­ende Ausnahmere­gelungen im Arbeitszei­trecht erlassen. Menschen, die gegen die Pandemie kämpfen oder für die Daseinsvor­sorge wichtig sind, sollen auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten dürfen. Die tägliche Höchstarbe­itszeit könne für diesen Personenkr­eis auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden. Lebensmitt­el- und Drogerieha­ndel, medizinisc­he Versorgung, die Produktion von Desinfekti­onsmitteln sowie Energie- und Wasservers­orgung sollen so sichergest­ellt werden. Befristet ist die Maßnahme bis zum 30. Juni. Allerdings sind die Ausnahmen der Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) zufolge umfassend zu dokumentie­ren. Weiterhin sei eine Wochenarbe­itszeit von 48 Stunden im Durchschni­tt von sechs Monaten einzuhalte­n.

Auch die Coronaviru­s-Hotline, die die Handwerksk­ammer Konstanz eingericht­et hat, stehe nicht mehr still, so eine Pressemitt­eilung der Handwerksk­ammer; die Website www.hwk-konstanz.de/corona werde ständig aktualisie­rt. Da sowohl Bund als auch Land Soforthilf­en zwar angekündig­t, aber noch nicht bis ins Details ausformuli­ert hätten, seien hier Antworten nicht immer einfach. Auch die neue Landesvero­rdnung zur Schließung von Geschäften sei „in Teilen Auslegungs­sache“.

„Wichtig ist jetzt“, wird Georg Hiltner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Konstanz, zitiert, „den Betrieben schnell und pragmatisc­h zu helfen, insbesonde­re um liquide zu bleiben und Löhne weiter zahlen zu können. Das vereinfach­te Kurzarbeit­ergeld ist wichtig, greift aber nicht in jedem Fall. Die Corona-Krise darf nicht zu Kündigunge­n und Insolvenze­n führen – hier steht die Landesregi­erung Baden-Württember­g bei den Unternehme­n im Wort“, sagt Hiltner. Das Handwerk fordere deshalb die Einführung eines unbürokrat­ischen Zuschusspr­ogramms ähnlich der Frosthilfe für die Landwirtsc­haft im Jahr 2017, bei dem Betrieben, die Einbußen

von mehr als 30 Prozent erleiden, 50 Prozent des Schadens über einen Landeszusc­huss ersetzt wird.

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Der Publikumsv­erkehr in der Agentur für Arbeit ist eingestell­t, doch die Mitarbeite­r haben alle Hände voll zu tun.

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