„Schon sechsstellige Summen verloren“
Die Tuttlinger Hallen leiden unter der Absage von Veranstaltungen wegen Corona
- Alle öffentlichen Veranstaltungen sind aufgrund einer Allgemeinverfügung der Stadt Tuttlingen bis zunächst zum 30. April untersagt. Deshalb haben auch die Tuttlinger Hallen Veranstaltungen wie Konzerte, Gastspiele und Shows abgesagt. Redakteurin Ingeborg Wagner unterhielt sich mit Michael Baur, Geschäftsführer der Hallen, über die Konsequenzen dieser Verordnung.
Herr Baur – bis zum 30. April ist jetzt erst mal Leerlauf. Oder gehen Sie sogar von einem längeren Zeitpunkt aus?
Das Datum 30. April stammt aus der städtischen Verfügung von vergangener Woche. Seit Montag gibt es eine Rechtsverordnung des Landes BadenWürttemberg, die Veranstaltungen mit 100 und mehr Personen sogar bis zum 15. Juni untersagt. Allerdings hat das Land eine Aktualisierung ihrer Mitteilung angekündigt, und auf die warten wir nun. Die Allgemeinverfügung der Stadt wird sich daran orientieren, und wir werden uns daran halten. Entweder sagen wir Veranstaltungen ab oder wir verschieben sie.
Was sagen Ihre Vertragspartner dazu?
Alle sind angesichts der Umstände sehr einsichtig, es gibt kaum kritische Gespräche zu führen. Natürlich gilt: Wenn für uns die Folgen schon schlimm sind, umso schlimmer sind sie für die Künstler, bei denen es teils um die Existenz geht. Die Freien Theater und freischaffenden Künstler sind mit einer Absagewelle konfrontiert, die sie vor die Situation stellt, dass sie keinerlei Einkünfte mehr haben. Da fließen in den Gesprächen auch ab und zu Tränen.
Stichwort Verträge: Könnten die Künstler nicht auf das Einhalten der Vereinbarungen pochen?
GNein, weil die Allgemeinverfügung rechtlich den Zustand der höheren Gewalt herbeiführt. Beide Seiten werden dann – laienhaft ausgedrückt – so gestellt, als sei der Vertrag nicht geschlossen worden. Jeder trägt seine bis dahin getätigten Auslagen selbst. Wäre es anders, würde es diese Verordnungen nicht geben und hätten wir – weil wir nun besonders ängstlich wären – ohne diese Grundlage die Verträge gekündigt, so wären wir regresspflichtig. Ich verstehe deshalb die Forderungen vieler Künstler nach Bundeshilfen, so, wie sie die anderen Branchen, die Messebauer und Hotellerie sowie Gastronomie, auch formulieren. Überall fallen Einnahmen weg, da ist der Staat sicherlich in besonderer Weise gefragt – auch und gerade bei den Kleinsten.
Interview der Woche
In der Gemeinderatssitzung am Montag hat sich OB Michael Beck auch zum Honberg-Sommer geäußert mit der Mutmaßung, dass der
wahrscheinlich nicht stattfinden werde. Was sagen Sie dazu?
Das ist momentan eine subjektive Einschätzung. Die kann man teilen, definitiv entschieden ist aber noch nichts. Momentan hat das Land das Verbot bis zum 15. Juni terminiert. Unser Festival findet ebenso wie das Southside-Festival nach diesem Zeitpunkt statt. Ich denke, wir könnten bis in vier Wochen etwas klarer sehen. Es gibt täglich neue Erkenntnisse. Natürlich hoffe ich persönlich, dass die strikten Maßnahmen, die wegen der Corona-Pandemie angeordnet wurden, in den kommenden 14 Tagen bis drei Wochen greifen werden. Wenn ab sofort soziale Kontakte wirklich auf ein Minimum heruntergefahren werden, sollte sich der Anstieg der Fallzahlen positiv beeinflussen, also abschwächen lassen. Klar ist in Bezug auf den Honberg-Sommer aber auch, dass wir mit deutlichem Vorlauf entscheiden müssen, ob er stattfindet oder nicht. Wir können da nicht bis zum SanktNimmerleins-Tag warten.
Wie stellt sich die finanzielle Belastung für die Tuttlinger Hallen dar? Die Möhringer Angerhalle wie auch die Tuttlinger Stadthalle sind leer, die Fixkosten aber bleiben. Natürlich spüren wir das. Unsere größten Einnahmeausfälle haben wir durch die Absagen von Firmen und Vereinen, die bei uns Räume gemietet hatten. Anfang Februar kamen die ersten Stornierungen von international tätigen Firmen, die bei uns im Haus gewesen wären. Man wollte kein Risiko eingehen, internationales Publikum einfliegen lassen oder eigene Mitarbeiter einer Gefahr aussetzen. Das war noch in einer frühen Phase, in der erste Verhaltensmaßnahmen in Bezug auf Corona aufkamen, wie Hände waschen und desinfizieren. Die Entwicklung war in der Folge sehr dynamisch. Sie hat uns richtiggehend überrollt – mit einer Geschwindigkeit, die ich mir so noch vor zwei Wochen nicht hätte vorstellen können. Alles ist abgesagt worden. Nach den Unternehmen kamen die Vereine und Institutionen. Allein durch die Absagen der Industrieveranstaltungen sind uns bis jetzt schon sechsstellige Summen verloren gegangen.
Wie können Sie das auffangen?
In Einzelfällen können wir Ersatztermine noch im Herbst anbieten. Dann haben wir statt Absagen nur Verschiebungen und die Einnahmen fließen noch in diesem Jahr. Ansonsten bleibt im wesentlichen, die eigenen Ausgaben zu minimieren, etwa indem Investitionen gestrichen oder Reparaturund Instandhaltungsmaßnahmen verschoben werden. Aber das Jahresergebnis wird unter der Coronakrise leiden, so viel steht fest.
Der Mai ist traditionell ein Hochzeitsmonat – wie sieht es da bei Ihnen aus?
Ja, die Hochzeitssaison geht im Mai los und zieht sich über den gesamten Sommer hin. Stand heute wackeln große Hochzeitsfeierlichkeiten zumindest im Mai und bis Mitte Juni bedenklich, da jetzt der neue Stichtag 15. Juni im Raum steht. Jetzt gilt es aber zunächst, die neuen Vorgaben von Land und Stadt abzuwarten, ehe wir auf die Betroffenen zugehen. Aber es ist schon bitter, wenn „der schönste Tag im Leben“, wenn überhaupt, nur im kleinen Kreis oder ohne die Älteren in der Familie gefeiert werden darf oder weder Familie noch Freunde das Hochzeitspaar aufs Standesamt begleiten dürfen. Viele von uns sind ja momentan von der Krise bis hinein in den privaten Kreis betroffen. Da bleibt nur zu hoffen, dass darin auch eine Chance liegt, dass nämlich familiärer Zusammenhalt oder nachbarschaftliche Hilfe wieder mehr Stellenwert erhalten.
Wie ist das mit bereits erworbenen Tickets? Können die anstandslos zurückgegeben werden?
Viele Veranstaltungen werden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Wir bitten darum, auch im Interesse der Künstler, die Tickets zu behalten. Sie bleiben gültig. Wer dann den neuen Termin nicht wahrnehmen kann, kann sich immer noch überlegen, ob er die Karte zurückgeben will oder sie verschenkt. Das tut der Kultur in diesen Tagen gut. Wo eine Veranstaltung tatsächlich ersatzlos abgesagt wird, können Tickets bei der Vorverkaufsstelle, in der sie gekauft wurden, zurückgegeben werden. Wer in unserer Ticketbox Karten erworben hat, kann sie, da das Geschäft im Moment geschlossen ist, per Post zurücksenden oder durch Einwurf in den Briefkasten (Anm. d. Redaktion: Königstr. 13, um die Ecke rechts vom Eingang der Ticketbox) zurückgeben. Die Rückabwicklung kann auch per EMail erfolgen. Wir stellen dafür ein Formular auf unserer Homepage bereit. Und wir bitten um ein wenig Geduld, wenn die Bearbeitung im Moment etwas länger dauern kann.
Wie groß ist der Arbeitsaufwand momentan dafür?
Wegen der jüngsten Entwicklungen und zum Schutz unserer Kunden und Mitarbeiter haben wir die Ticketbox bereits am Montag geschlossen. Durch den Wegfall des Ladengeschäfts haben wir auch mit reduziertem Personal im Ticketing genügend Kapazitäten, um die Dinge abzuarbeiten, wenn auch vielleicht nicht ganz so zügig wie sonst üblich. Wir finden aber viel Verständnis bei den Kunden dafür, dass die Bearbeitung im Moment auch einmal etwaslänger dauern kann.