Sorge um die Alten treibt alle um
Seniorenzentrum in Aldingen versucht Corona-Maßnahmen zu erleichtern
G- „Mama, es wird in nächster Zeit niemand kommen können, damit keiner krank wird.“Die hochbetagte Mama hat Verständnis, sie hört ja, dass es ihre Tochter gut meint. Ob sie noch versteht, was da im Moment passiert, warum sie ihre Tochter nur durch eine Scheibe sehen und mit ihr nur übers Telefon sprechen kann – das weiß man nicht. Die alte Dame leidet an Demenz. Fürs Seniorenzentrum im Brühl in Aldingen gilt wie für alle Alten- und Pflegeheime auch: Besuchsverbot.
Das ist schlimm für die alten Leutle, auch die dementen. Sie verstehen vielleicht nicht, was da gerade passiert, aber sie spüren die veränderte Stimmung im Haus. Viel an Kommunikation geht sonst übers Gerüche, anfassen, streicheln, in den Arm nehmen. Weil außer den Mitarbeitern niemand mehr ins Haus, das zu den Zieglerschen gehört, darf, fällt ganz viel weg. Die angestellte Ergotherapeutin versucht einiges aufzufangen.
Aber es fallen auch die Angebote weg, die auch von Ehrenamtlichen im Haus gemacht werden: Gymnastik, offenes Kochen, offenes Singen mit Erich Vosseler, die Therapieclowns alle zwei Wochen, Musiktherapie.
Wolfgang Schwarz aber hat eine Lösung gefunden, die Bewohner mit seiner Harmonika auch in Coronazeiten zu erfreuen: Vom Hof aus mit Verstärker. So will er einmal die Woche
weitermachen.
Schlimm ist das Besuchsverbot aber auch für Angehörige. Manche kamen täglich, wie die alte Dame, die ihren demenzkranken Mann täglich besucht. „Und jetzt darf sie ihn plötzlich nach 60 Jahren nicht mehr besuchen“, sagt Korb. „Das ist ganz schlimm.“
Karin Korb, die sich um das soziale Leben mit und für die 45 Bewohner kümmert, hat sich zumindest für die Kommunikation nach außen zusammen mit dem Leiter des Hauses, Ulli Hekeler, einiges einfallen lassen: Coronasichere Besuche zum Beispiel. Am Donnerstag wurde ein Pavillon an der Seite des Gebäudes aufgestellt, denn eine zuvor genutzte Möglichkeit an der hinteren Terrasse war nicht sehr praktikabel. Die Mitarbeiter holen die Bewohner und durch die Scheibe können sich Besucher und Bewohner sehen, die Hand von innen und außen an die Scheibe halten und per Telefon sprechen. Die Fenstergriffe sind extra abgeschraubt - damit man nicht doch noch in Versuchung gerät.
Geskypt, also per Computerprogramm direkt mit jemandem sprechen, der ebenso am Computer sitzt und den man sehen kann, das haben manche Bewohner schon vor Corona. Immer donnerstags um 14 Uhr wird so mit Amerika gesprochen, wo die Tochter einer Bewohnerin lebt. Das wird jetzt ausgeweitet. Und: Tatsächlich schreiben Angehörige mehr Briefe, berichtet Korb. Die liest dann die junge FSJ-lerin auch gern vor und schreibt die Antwort auf.
Manchen Bewohnern fehle aber auch das Verständnis: So ein Theater zu machen wegen einer Grippe. Früher hätte man einen Schnaps getrunken und gut war’s, meinen manche, die zwei Weltkriege überlebt haben. – Da müssen auch auch Korb und Hekeler lachen.
Die neuen Hygieneempfehlungen allerdings sind für die Mitarbeiter des Seniorenzentrums ohnehin Standard: Überall Desinfektion, keine Arbeitskleidung nach draußen und und vieles mehr – das hat auch früher gegen multiresistente Keime und Grippeviren geholfen und die helfen jetzt auch gegen Corona.
Kommunikation ermöglichen, zu zweit oder dritt spazieren gehen, das ist momentan die erste Aufgabe, sagen Korb und Hekeler. Wie lange man das alles aufrechterhalten kann? „Bis Weihnachten“, sagt Korb trocken. Hekeler bestätigt: „Die Bewohner sind unser höchstes Gut, manche sind schon so lange hier, dass sie wie Familie sind. So ähnlich müssen sie sich das vorstellen.“
Das erklärt vielleicht auch, dass manche Mitarbeiterinnen sich sogar für den schlimmsten Fall wappnen, wenn das Virus im Haus auftauchen würde und unter Quarantäne stünde: Der Rucksack mit den Sachen für einen 24-Stunden-Aufenthalt steht bereit.