Erwachsene Enkel können in der Pflege einspringen
Marianne Thoma von der Fachstelle Pflege beim Landratsamt weiß um die Not der Angehörigen in der Krise
(sfk) - Die Pandemie macht sich in allen Lebensbereichen bemerkbar, in manchen auf gravierende Art. So sind Familien, die sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmern und sonst einen Tagespflegeplatz nutzen, nun mehr oder minder auf sich allein gestellt. Unsere Redakteurin Sabine Felker hat sich mit Marianne Thoma, Leiterin der Fachstelle Pflege und Selbsthilfe beim Landratsamt Tuttlingen, darüber unterhalten.
Melden sich Familien beim Stützpunkt, die aufgrund der CoronaKrise derzeit den Tagespflegeplatz ihres Angehörigen nicht mehr nutzen können? Falls ja, mit welchen Schwierigkeiten haben diese Menschen zu kämpfen, wie kann ihnen geholfen werden?
Ja, die Angehörigen arbeiten in systemrelevanten Berufen und benötigen Unterstützung bei der Betreuung ihrer pflegebedürftigen Angehörigen in der Häuslichkeit. Andere Versorgungstrukturen sind nicht vorhanden. Wir sind froh darüber, dass wir in Gosheim und in Wurmlingen zwei Not-Tagespflegen in Betrieb nehmen konnten. Die Belegung erfolgt nach Rücksprache mit der Fachstelle und nach klaren Vorgaben – analog der Not-Kitas, die im Landkreis ebenfalls angeboten werden.
Viele Eltern arbeiten seit der Schließung der Kindergärten und Schulen mit verringerter Stundenzahl, um ihre Kinder betreuen zu können. Wissen Sie von solchen Fällen auch von Angehörigen, die Familienmitglieder pflegen?
Nein, die Familien organisieren das nun alles selbst. Wir haben den Eindruck, dass die Familien in dieser schwierigen Zeit zusammenstehen.
Wie kann man einem dementen Menschen den Wechsel weg von der Tagespflege verständlich machen?
Gar nicht. Die Menschen, die an Demenz erkrankt sind können die aktuelle Situation nicht nachvollziehen. Hier braucht es viel Fingerspitzengefühl.
Gibt es im Landkreis genügend freie Kurzzeitpflegeplätze, um vielleicht die Zeit bis zur Wiedereröffnung der Tagespflege zu überbrücken?
Es gibt bei den Pflegeheimen eingestreute Kurzzeitpflegeplätze, die jedoch meist mit „Dauerliegern“belegt sind. Außerdem ist es aktuell fast unmöglich, Neuaufnahmen in einem Pflegeheim zu organisieren aufgrund der Ansteckungsgefahr. Wir hoffen, dass sich nach Ostern die Situation bei der Tagespflege wieder entspannt und die Einrichtungen sukzessive wieder öffnen. Dies entscheidet jedoch die Politik.
Hat die Angst vor Corona Ihre Arbeit verändert? Kommen die Ratsuchenden mit anderen Fragen als sonst auf Sie zu? Ist die Nachfrage vielleicht gestiegen?
Die allgemeine Verschlechterung eines Gesundheitszustandes und damit verbundene Zunahme an Pflegebedürftigkeit macht auch vor Corona nicht halt. Hier lastet zur Zeit eine große Verantwortung bei den ambulanten Diensten, mangels stationärer Versorgung wird versucht im häuslichen Bereich die Versorgungsstruktur so lange als irgend möglich aufrecht zu erhalten.
Unsere aktuellen Beratungsgespräche sind eher seelsorgerlicher Art, wir versuchen Ängste abzubauen und in der Not Perspektiven und Hoffnung aufzuzeigen.
Können alte Menschen, die sicher häufig unter Vorerkrankungen leiden, in der aktuellen Situation zuhause gepflegt werden oder ist im häuslichen Umfeld, in dem es vielleicht auch Enkelkinder gibt, die Ansteckungsgefahr zu hoch? Welche Tipps können Angehörige beachten?
Es bleibt den pflegebedürftigen und ihren Familien aktuell keine andere
Wahl, als die Versorgung mit dem Ambulanten Pflegedienst selbst zu organisieren. Enkelkinder sind in diesem Fall in der Regel erwachsen und können in die Versorgung miteinbezogen werden. Die Versorgung kann auch über die Verhinderungspflege abgerechnet werden – für studierende Enkelkinder eine durchaus attraktive Möglichkeit zu helfen.