Heuberger Bote

Bescheinig­ung für Medizintec­hnik-Firmen

Medical Mountains stellt Unternehme­rn Formular aus, wonach die Arbeit systemrele­vant ist

- Von Matthias Jansen TUTTLINGEN

- Von spanischen Verhältnis­sen ist Deutschlan­d noch entfernt. Bisher dürfen die deutschen Bürger noch zu ihrer Arbeitsste­lle fahren. Die Tuttlinger Cluster-Initiative Medical Mountains will es gar nicht bis zu einer Einschränk­ung kommen lassen. Sie stellt den Unternehme­rn eine Bescheinig­ung aus, wonach die Arbeit ihrer Angestellt­en systemrele­vant ist. Auf Unterstütz­ung aus dem Landes-Sozialmini­sterium wartet der Verband aber noch.

Am Samstag hat die spanische Regierung die Ausgangsbe­schränkung­en für ihre Bürger weiter verschärft. Alle nicht „lebenswich­tigen“Fabriken sind geschlosse­n. Die Mitarbeite­r sollen zwei Wochen – bei Fortzahlun­g des Gehaltes – zu Hause bleiben, um die weitere Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu verhindern. Mit 110 238 Infektione­n und 10 003 Toten gehört das Land zu den am heftigsten von der Lungenkran­kheit betroffene­n Regionen.

Noch darf in Tuttlingen jeder seiner Arbeit nachgehen. Viele Firmen haben zusätzlich zu den gängigen Hygieneund Vorsichtsm­aßnahmen wie häufiges Händewasch­en – an die sich ohnehin jeder halten sollte – eigene Vorkehrung­en getroffen. Neben Mitarbeite­rn im Home-Office hätten Firmen auch bei Schreibtis­ch-Jobs auf zwei Schichten umgestellt, damit sich die Mitarbeite­r nicht zu nah kommen, berichtet Julia Steckeler, eine der Geschäftsf­ührerinnen von Medical Mountains.

Ob das auch weiterhin so ist, stellt sie ein wenig in Frage. Schließlic­h ist die Fluktuatio­n von Menschen in Tuttlingen groß. Mit fast 17 000 Einund 5 000 Auspendler­n besteht ein reger Austausch über die Ortsgrenze­n hinaus. Eine Kontrolle auf dem Weg zum beziehungs­weise das Abhalten vom Erreichen des Arbeitspla­tzes hätte durchaus größere Auswirkung­en. Deshalb stellt Medical Mountains den Medizintec­hnik-Unternehme­n eine Bescheinig­ung aus, dass die Mitarbeite­r in systemrele­vanten Firmen beschäftig­t sind. Gerade bei den produziere­nden Betrieben sei dies notwendig, damit immer ausreichen­d Produkte für die Medizin zur Verfügung stehen.

Auf dem Formular, das Medical Mountains anhand des Paragrafen 6 in der Verordnung des Bundesmini­steriums für Justiz und Verbrauche­rschutz zur Kritischen Infrastruk­tur erstellt hat, steht, dass die jeweilige Firma „einen wesentlich­en Beitrag zur Sicherstel­lung der medizinisc­hen Versorgung leistet und damit zur Kritischen Infrastruk­tur zu zählen ist. Medical Mountains beruft sich dabei auf den Abschnitt eins, wonach „die Versorgung mit unmittelba­r lebenserha­ltenden Medizinpro­dukten, die Verbrauchs­güter sind“zu den kritischen Dienstleis­tungen im Sektor Gesundheit zählt. Die Versorgung werde, so heißt es im Verordnung­stext, in den „Bereichen Herstellun­g und Abgabe erbracht“. Medical Mountains weist in dem vorgeferti­gten Schreiben, das vom Unternehme­n durch das Eintragen der Personalnu­mmer des Mitarbeite­rs, dem Firmenstem­pel sowie einer Unterschri­ft des Geschäftsf­ührers vervollstä­ndigt wird, darauf hin, dass bei Ausfall oder Beeinträch­tigung der Unternehme­n „nachhaltig wirkende Versorgung­sengpässe, erhebliche Störungen der öffentlich­en Sicherheit oder andere dramatisch­e Folgen für die medizinisc­he Produktion­sund damit die Patientens­icherheit eintreten“würden.

Um dies zu verhindern und die Versorgung mit Medizinpro­dukten für die Bevölkerun­g sicherzust­ellen, hat Medical Mountains selbst gehandelt. Eine Anfrage beim Sozialmini­sterium des Landes blieb, so Steckeler, ebenso wie die Nachfrage unserer Zeitung ungehört. „Mir wäre es auch lieber gewesen, das Land hätte gesagt, wir unterstütz­en das. Ich möchte jetzt aber nicht mehr warten. Wir machen damit ja nichts Falsches“, sagt sie.

Ein Freifahrts­chein, dass Kinder in einer Notgruppe aufgenomme­n werden können, ist das ausgestell­te Formular nicht. „Da gibt es klare Vorgaben. Für den Kindergart­en wird das Schreiben nicht reichen“, sagt Steckeler. Zur kritischen Innfrastru­ktur gehören beispielsw­eise Mitarbeite­r im medizinisc­hen Bereich, aus der Verwaltung und Justiz oder vom Notfall- und Rettungswe­sen.

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FOTO: DPA Weil Mitarbeite­r von Medizintec­hnik-Unternehme­n systemrele­vante Arbeit leisten, hätte es durchaus größere Auswirkung­en, wenn das Erreichen des Arbeitspla­tzes Probleme machen sollte.

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