50 Jahre Partnerschaft
Museumsleiterin Angelika Feldes über die Beziehung Spaichingen - Sallanches.
Eigentlich hätte in diesem Jahr das 50-Jahr-Jubiläum der Partnerschaft zwischen Spaichingen und der französischen Stadt Sallanches gefeiert werden sollen. Auch das Stadtfest wurde abgesagt. Schon vor zehn Jahren hat Museumsleiterin Angelika Feldes die gemeinsame Geschichte aufgearbeitet und eine Ausstellung umgesetzt. Regina Braungart hat sich mit ihr unterhalten.
Frau Feldes, die Feierlichkeiten zu 50 Jahre Partnerschaft sind abgesagt. Was im Kern hätte man da gefeiert?
In erster Linie das Ereignis, dass man diese Partnerschaft begründet hat. Und 50 Jahre sind ein besonderer Anlass. Und man hätte gefeiert, dass es seit 50 Jahren einen lebendigen Austausch auf vielen Ebenen gibt, was nicht selbstverständlich ist.
Inwieweit ist diese Partnerschaft
nach Ihrer Wahrnehmung im Bewusstsein der Bevölkerung verankert?
In der Bevölkerung im allgemeinen? Das ist schwer zu beurteilen. Aber auf der Ebene derer, die die Partnerschaft aktiv leben, sehr wohl. Und auch seitens der Stadt ist man sehr bemüht um diese Partnerschaft, auch bei den Vereinen. Ich weiß zum Beispiel aus persönlichen Gründen, dass der Liederkranz in unregelmäßigen Abständen Austausch hat und man sich gegenseitig zu Konzerten besucht. Und auch von den Schulen weiß ich, dass die entsprechenden Lehrer im laufenden Kontakt sind. Die Tafeln am Ortseingang weisen ja auch auf die Partnerstädte hin.
Ja, aber da steht seltsamerweise 1979 für Sallanches. Wie kommt das?
Da wurde sowohl an Spaichingen, als auch an Sallanches eine Urkunde verliehen als Auszeichnung für besondere Verdienste um den europäischen Gedanken. Die Verleihung war nicht nur für die Partnerschaft, sondern auch für die Integration der europäischen Ausländer. Schon 1978 wurde die Ehrenmedaille des europäischen Kulturrats verliehen. In den ersten Jahren hat man also sehr aufmerksam diesen politischen Aspekt des Europäischen Gedankens gepflegt.
Sie hatten jetzt vor, zusammen mit einer Fotoausstellung des Heimatvereins, eine vor zehn Jahren gezeigte Ausstellung noch einmal zu zeigen. Was wäre da zu sehen ge
wesen?
Das was von der Ausstellung verblieben ist, nämlich Fotos, Dokumente und Texte. Es gab dazu 30 bis 40 Leihgeber, an die die Objekte, Gastgeschenke, Souveniers, Sallancher Produkte, wieder zurück gegeben wurden. Es wäre sehr schwierig gewesen, diese wieder herbeizuholen. Außerdem habe ich gezeigt, welche Stadt in Baden-Württemberg wann welche Städtepartnerschaft geschlossen hat. Das war sehr interessant.
Werden Sie die Ausstellung nachholen?
Man kann das nachholen, je nachdem wie sich die Lage entwickelt. Der Heimatverein bereitet ja eine Ausstellung von Fotos von hier und aus Sallanches vor, man muss also abwarten, was jetzt geschieht. Später im Jahr haben wir weitere Ausstellungen im Museum geplant, mit denen die Sallanches-Ausstellung ja nicht kollidieren soll. Ansonsten werden wir das vielleicht nächstes Jahr nachholen.
Momentan erleben die jungen Generationen ja, was sie bisher nicht kannten: geschlossene Grenzen in Europa. Muss man sich so die Situation vor 50 Jahren vorstellen?
Für die jungen Leute ist das nicht mehr nachvollziehbar, wie das nach dem Krieg gewesen war. Jetzt sind die Grenzen ja nur temporär geschlossen. Man wird wieder frei sein, nach Frankreich zu gehen ebenso wie wir wieder frei sein werden, auf die Straße zu gehen und Leute zu treffen. Damals war das Reisen für junge Leute, Reisen allgemein, nicht so möglich, wie heute, es war nicht selbstverständlich, ins Ausland zu fahren. Der Heuberger Bote hat damals Interviews mit jungen Franzosen gemacht und da waren die Vorurteile noch ziemlich zu spüren. Da waren die Grenzen auch in den Köpfen, weil man nicht reiste. Die Situation ist heute ganz anders.
Ist es für Sie erstaunlich, dass damals die Franzosen, die die Deutschen als Eroberer und Diktatur kennen gelernt hatten, aber auch die deutschen Zivilisten, die eine französische Besatzung erlebt hatte, fähig waren, so aufeinander zuzugehen? Oder war das anfangs eine Angelegenheit der „Oberen“?
Ich denke, man kann das nicht pauschal sagen. In beiden Ländern dürfte es Vorbehalte gegeben haben, aber auch viele Menschen, die offen waren. Initiiert wurden die Partnerschaften von Älteren. Zum Beispiel der Bürgermeister von Sallanches, Marcel Goutry, war sicher um die 70. Der sagte in diesem Zusammenhang: Wir müssen diese Partnerschaft machen, damit wir uns kennenlernen. Und wer sich kennt, schießt nicht aufeinander. Die Jungen waren dann aber sehr offen.
Gab es auch Missverständnisse?
Davon weiß ich nichts. Wenn solche Partnerschaftsbegegnungen stattgefunden haben, waren die immer getragen von einer gewissen Euphorie, wie gut man sich verstanden hat. Missverständnisse, wenn es sie gegeben hat, wurden sicher auch nicht so hervorgekehrt.
Haben Sie ein Bild, das den Zustand der Partnerschaft heute beschreibt?
Ich denke, es ist ein einvernehmliches Nebeneinander, das von Interesse geprägt ist. Die Partnerschaft ist so selbstverständlich, dass es keinerlei Konflikte gibt. Heute ist weniger die politische Dimension wichtig, sondern die Freude an der Begegnung steht im Vordergrund. Man lernt von einander. Schwieriger ist es teilweise, weil die Leute, die in den Vereinen diese Partnerschaft getragen haben, nicht mehr aktiv oder vielleicht sogar gestorben sind. Aber jetzt im Vorfeld zum Stadtfest haben sich Vereine gemeldet, die gerne Kontakt zu einem Gegenpart haben wollten. Es besteht also nach wie vor Interesse.