Die Trossinger, leicht bekehrbar und schwärmerisch veranlagt
Anfang des 19. Jahrhunderts trafen Prediger in der Stadt auf der Baar auf ein begeistertes Publikum
TROSSINGEN - Der Trossinger Walter Haas blickt für unsere Zeitung auf die Geschichte der Stadt zurück. in loser Folge veröffentlichen wir Artikel von ihm. In diesem Serienteil geht es um die Zionskapelle, in der eine evangelische Gemeinschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts viel Energie in die Bekehrung investierte.
Ein ehemaliges Gotteshaus stand bis 1964 auf der Ostseite der Goethestraße – es war die Zionskapelle der evangelischen Gemeinschaft. Als „Betsaal“am 14. August 1903 vom Königlichen Oberamt Tuttlingen baurechtlich genehmigt, wurde die Kapelle mit der Hausnummer 17 in der Goethestraße noch im selben Jahr in Backsteinbauweise erbaut.
Die evangelische Gemeinschaft stand unter dem Namen Schwenninger Mission, gehörte jedoch zum Tuttlinger Arbeitsfeld. Sie war nach den wenigen Unterlagen, die dem Chronisten zur Verfügung stehen, eine stark auf Evangelisation ausgerichtete Gemeinschaft. Es wird während solcher Evangelisationen von „Bekehrungen“berichtet.
Aus dem Jahr 1935/37 ist ein Bericht hinterlassen, wonach „in Trossingen dieses Jahr Prediger Baumgärtner evangelisierte. Gott tat Wunder seiner Gnade.
Von Abend zu Abend wurde der Besuch besser. Bänke und Stühle mussten aus dem Nachbarhaus geholt werden, Kinder suchten ihren Platz auf der Kanzel-treppe. Der Geist der Pfingsten tat sein Werk an den Hörern. Acht Personen sind öffentlich herausgetreten. Sie haben bekannt, dass sie in Christus Frieden gefunden hätten. Auch die auf halbem Wege befindlichen rette vollends der Herr !“
Aus einem GemeindevorsteherBericht 1922/23 geht hervor, dass ander Sonntagsschule 130 Kinder teilgenommen haben und vier Mitarbeiter zur Verfügung standen. Derselbe Prediger namens H. Deiss berichtet anfangs der 1920er-Jahre: „Trossingen, teils Fabrikort, teils Bauerndorf, hat eine Bevölkerung, die leicht für Religiöses zugänglich ist, aber auch schwärmerische Veranlagungen hat“.
Die Zionskapelle lag damals am westlichen Grundstücksrand des Sägewerks Burgbacher. Vielleicht aus Platzgründen verließ die Gemeinde die Kapelle und verkaufte sie an die Firma Burgbacher und zwar im Jahr 1951.
Die Firma Burgbacher nutzte den ehemaligen Betsaal für Betriebsfeiern. Die Zionskapelle wurde im Jahr 1964 abgebrochen.
Das neue Domizil der Gemeinschaft wurde nun ab 1952 die neu erbaute Pauluskirche in der Wagnerstraße, gegenüber dem ehemaligen Krankenhaus, heute Seniorenzentrum Bethel.
1968 wurden die damaligen Gemeinden evangelische Gemeinschaft und Methodistenkirche vereinigt, woraus der heutige Name evangelisch-methodistische Kirche resultiert. Anlässlich der 40-Jahr-Feier der Pauluskirche im Jahr 1992 schrieb der damalige Pastor: „Ja, wenn die alten Kirchenbänke erzählen könnten. Das hätte ich mir manches mal bei den Nachforschungen zu diesem Jubiläum gewünscht. Denn vieles der Gemeindegeschichte liegt im Dunkeln der Geschichte verborgen. Sicher ist nur eines: Die Anfänge der Gemeindearbeit der damaligen evangelischen Gemeinschaft gehen mindestens zurück bis zum Jahr 1903.“