Die Not der Wälder im Südwesten
Forstminister Hauk erwartet 2020 erneut große Schäden – Besitzer sollen für Waldpflege Prämie bekommen
- Dem Wald in BadenWürttemberg geht es immer schlechter. Waldarbeiter und -besitzer fordern mehr Hilfe vom Land. Die stellte Forstminister Peter Hauk (CDU) am Dienstag in Stuttgart zwar in Aussicht. Er sprach aber auch von Schwierigkeiten – unter anderem wegen der Corona-Pandemie.
Hitze und Trockenheit der vergangenen beiden Jahre haben die Bäume geschwächt. Sie können nicht genug Harz bilden, um sich gegen Borkenkäfer zu wehren. Im Südwesten wurde 2019 Wald im Ausmaß von mehr als 10 000 Fußballfeldern zerstört. Dieses Jahr könnten die Schäden noch höher sein. Denn: „Dieser April zählt zu den drei trockensten Aprilmonaten seit Aufzeichnung der Wetterdaten“, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag sagte. „Hinter der Pandemiekrise verbirgt sich eine weitaus größere, die man nicht wegimpfen kann“, nämlich der Klimawandel.
Kretschmann hat vergangene Woche Post von einem Aktionsbündnis aus forstlichen Verbänden, Privatwaldbesitzern und Gewerkschaft bekommen. Die Zukunft der Wälder stehe auf dem Spiel, mahnt das Bündnis „Wald in Not – Handelt jetzt!“. Es fordert, dass die im Dezember angekündigten Hilfen schneller fließen und Hürden bei der
Holzlagerung und dem Abtransport fallen müssen. Nur noch im Mai kann Holz mit besonders schweren Maschinen schnell aus dem Wald transportiert werden. Die Ausnahmegenehmigung läuft aus. Noch ist unklar, ob Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) diese verlängert.
Im Dezember hatte Hauk einen Notfallplan Wald vorgestellt. Mit je 40 Millionen Euro in diesem und im nächsten Jahr will das Land den Forstbesitzern dabei helfen, ihre Wälder fit zu machen für den Klimaschutz. Zuvor müsse aber das beschädigte Holz weg sein, erklärt ein Sprecher Hauks. Deshalb werde das meiste Geld wohl im Sommer und Herbst fließen. „Wenn wir Geld haben, die Maschinen und die Fachleute aber nicht beibekommen, stoßen wir an die faktische Grenze der Aufarbeitung von Schadhölzern“, so Hauk.
Die Corona-Krise verschärfe die Notlage der Wälder, erklärt der Forstminister. Arbeitskräfte, an denen es ohnehin mangele, fielen krisenbedingt aus. Sägewerke nähmen zu wenig Holz ab, denn „deren Export ist häufig total zusammengebrochen“, so Hauk. Wenn die Sägewerke kein Holz abnehmen, bleibe es im Wald liegen – und der Borkenkäfer kann sich munter weiter vermehren.
Chemische Pflanzenschutzmittel könnten dabei helfen, Holzlager vor den Käfern zu schützen. Das werde zwar getan, allerdings nach sehr aufwendigen Prüfungen und in „homöopathischen Dosen, zumindest im Vergleich zu dem, was in der Landwirtschaft eingesetzt wird“, sagt Hauk. Alternativ kann Holz in Nasslagern vor den Käfern geschützt werden. Diese müssen örtliche Behörden genehmigen, was nicht einfach ist. Denn das Wasser spült Gerbstoffe aus dem Holz. Diese dürfen nicht in hoher Konzentration in Gewässer oder Grundwasser gelangen.
Hauk spricht sich für mehr Pestizideinsatz zum Schutz der Bäume vor Käferbefall aus. „Dann müssten wir nicht über die ganz großen Maßnahmen nachsinnen, über die wir derzeit auch nachsinnen.“Damit deutet Hauk Gedanken an, Waldgebiete ganz aufzugeben. „Wir haben große Erfolge bei der Borkenkäferbekämpfung in Oberschwaben und auf der Schwäbischen Alb geschafft“, so Hauk. Südbaden sei indes schwer betroffen, vor allem die Region um Waldshut. Der Grünen-Forstexperte Reinhold Pix hatte dort ein Modellprojekt vorgeschlagen. Der Kern davon: Ein Expertenteam, das gezielt Besitzer kleiner Waldflächen unterstützt und berät. Dazu eine klare Reihenfolge, welche Waldbereiche zuerst bearbeitet werden – so sollen Bäume, die keine Brutstätte mehr für Borkenkäfer sind, im Wald bleiben. Pix fordert, Geld aus dem Notfallplan entsprechend anzupassen.
Für manche Waldbesitzer lohnt es sich derzeit nicht, den Wald zu bewirtschaften. Das müsse aber zwingend passieren, sagt Hauk. „Wir brauchen eine Motivation der Waldbesitzer, die gerade ihr gesamtes Vermögen im Wald verloren haben, weil den der Käfer gefressen hat und er sein Holz nicht los wird.“Damit die Eigentümer ihre Wälder weiter pflegen, stellt Hauk eine Flächenprämie in Aussicht. Die Waldbesitzer sollen also Geld bekommen, wenn sie ihren Wald weiter bewirtschaften – so wie etwa nach Sturm Lothar 1999. Er kündigt eine Gesamtstrategie bis zum Sommer an. SPD-Forstexperte Reinhold Gall kritisiert die Prämie, weil sie nach dem Gießkannenprinzip auch jenen Waldbesitzern zufließen könnte, die das Geld nicht benötigten.