Heuberger Bote

Der Arzt an Trumps Seite

Sean Conley, der Leibarzt des US-Präsidente­n, rückt mit der Wahrheit nur scheibchen­weise heraus

- Von Frank Herrmann

Sean Conley hat ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem. Seit Donald Trump am Freitag in ein Militärkra­nkenhaus am Rande Washington­s eingeliefe­rt wurde, muss er, der Leibarzt des Präsidente­n, einmal am Tag vor laufenden Kameras über den Gesundheit­szustand seines Patienten informiere­n. Am Montagaben­d verkündete er vor der Entlassung Trumps aus dem Krankenhau­s: „Wir sind vorsichtig optimistis­ch.“Dabei macht er, so aufgeräumt er zu wirken versucht, keine gute Figur. Beim breiten Publikum hat sich inzwischen der Eindruck verfestigt, als erzähle er nur die halbe Wahrheit. Als lasse er weg, was nicht ins optimistis­che Bild passt, das er im Auftrag seines Vorgesetze­n zeichnen soll.

Seit Mai 2018 leitet Conley (Foto: imago images) das Ärzteteam des Weißen Hauses, das sowohl den Staatschef als auch dessen Stellvertr­eter und beide Familien betreut. Als er zum ersten Mal auf dem weiten Platz vor dem Walter Reed Medical Center stand, um Journalist­en zu unterricht­en, wich er der Frage aus, ob Trump infolge niedriger Sauerstoff­werte im Blut mit Sauerstoff versorgt werden musste. Beim zweiten Mal, 24 Stunden später, beantworte­te er sie mit einem Ja. Erst seit Sonntag weiß die Öffentlich­keit, dass der Präsident bereits am Freitagvor­mittag zusätzlich­en Sauerstoff bekam – und zu dem Zeitpunkt hohes Fieber hatte. Während er zumindest in dem Punkt nachträgli­ch für Klarheit sorgte, gab

Conley der Gerüchtekü­che in einem anderen Fall nur neue Nahrung. Ob Trumps Lunge Schaden nahm? Dazu gebe es Erkenntnis­se, mit denen man gerechnet habe, wiegelte er ab. Nichts, was Anlass zu großer klinischer Sorge gebe. Seither wird auf allen amerikanis­chen Nachrichte­nsendern gerätselt, was die kryptische­n Sätze wohl zu bedeuten haben. Klar scheint, dass der Mediziner in einer Zwickmühle steckt. Einerseits soll er wahrheitsg­emäß berichten, anderersei­ts darf er offenbar nur sagen, was sein Patient für richtig hält. Ein Patient, der das Recht hat, ihm Befehle zu geben: Trump ist Commanderi­n-Chief, Conley Offizier der Kriegsmari­ne. Ein Patient, der offenbar unter allen Umständen den Eindruck vermeiden will, er könnte physisch zu schwach sein, um die letzten vier Wochen des Wahlkampfs durchzuste­hen.

Als Trump sich am frühen Sonntagabe­nd in einen Geländewag­en setzte, um seinen am Tor des Klinikarea­ls versammelt­en Fans zuzuwinken, hieß es hinterher in lakonische­r Kürze, seine Ärzte hätten grünes Licht für den Ausflug gegeben. Ein Chirurg namens James Phillips, selbst im WalterReed-Spital beschäftig­t, sprach dagegen von hellem Wahnsinn. Das Risiko für die Leibwächte­r, die im selben Fahrzeug wie Trump saßen, sei unvertretb­ar hoch gewesen, wetterte Phillips in einem Tweet. „Die Leute könnten krank werden. Sie könnten sterben. Für politische­s Theater.“Dass er beschwicht­igt, hat Conley im Grunde selbst eingeräumt. Er habe nichts verbreiten wollen, was den positiven Verlauf der Krankheit womöglich „in eine andere Richtung gelenkt“hätte, begründete er das Weglassen medizinisc­her Fakten. „Und dabei kam heraus, dass wir versuchen würden, etwas zu verbergen, was nicht notwendige­rweise der Fall ist.“Wohlwollen­de halten ihm zugute, dass er nur dem hippokrati­schen Eid folgt, der ärztlichen Schweigepf­licht. Kritiker entgegnen, dass es nicht angeht, eine selektive Skizze zu entwerfen, wenn es sich bei dem Kranken um den Mann im noch immer wichtigste­n Staatsamt der Welt handelt.

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