Eine Branche setzt den Rotstift an
Die deutschen Autobauer müssen sparen – Allein Daimler will bis zu 15 000 Stellen streichen – ZF setzt auf Forschung und Entwicklung
(dpa/ehe) - Zwei Millionen Menschen hängen direkt oder indirekt von der deutschen Automobilindustrie ab. Zu dem ohnehin schwierigen Umbruch von der alten Verbrenner-Welt in die neue Zeit der Alternativantriebe, kommt jetzt eine tiefe Absatzkrise. Dabei befassten sich etliche Unternehmen schon vor Corona mit rigiden Sparplänen. Die aktuelle Lage:
Daimler: Zuletzt war beim schwäbischen Autobauer der Abbau von 10 000 bis 15 000 der weltweit rund 300 000 Stellen kolportiert worden – davon rund 4000 am Stammsitz in Stuttgart-Untertürkheim. Die Zahlen kommentiert Daimler nicht – man strebe möglichst sozialverträgliche Lösungen an. Der unter Druck stehende Autobauer will sich am Dienstag näher zu seiner künftigen Ausrichtung äußern. Corona sorgt für tiefrote Zahlen bei Daimler und zwingt den Autobauer zur Verschärfung seines ohnehin geplanten Sparkurses – im zweiten Quartal fuhr der Konzern rund zwei Milliarden Euro Verlust ein.
ZF: Der Autozulieferer hatte im Mai intern angekündigt, in den nächsten Jahren bis zu 15 000 Stellen weltweit streichen zu wollen, die Hälfte davon in Deutschland. Die rund 50 000 deutschen Tarifbeschäftigten sind zwar bis Ende 2022 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt – Jobs können aber trotzdem gestrichen werden, etwa über Abfindungen oder Altersteilzeitregelungen. „An der Zukunft sparen wir aber nicht, halten die Budgets für Forschung und Entwicklung also hoch“, versichert ein ZF-Sprecher. Das Unternehmen setzt auf Sicherheitstechnik, Software, automatisierte Fahrfunktionen und Elektromobilität, „die Umsätze mit diesen Produkten werden in Zukunft weiter steigen“.
Bosch: Bosch plante schon vor der Corona-Krise angesichts der Transformation zu Elektromotoren, Tausende Stellen an zahlreichen Standorten abzubauen. Inzwischen ist klar: Die Werke in Bremen und Bietigheim werden geschlossen. Anderswo sind Tausende Mitarbeiter in Kurzarbeit. Es gibt Gehaltskürzungen; außerdem wurde die wöchentliche Arbeitszeit von 35 000 Mitarbeitern in Entwicklung, Forschung, Vertrieb und Verwaltung langfristig verringert.
Continental: Bereits vor der Pandemie hatte bei Conti ein Umbauprogramm begonnen, das nun verschärft wurde. Zuletzt hieß es seitens der Conti-Führung, dass weltweit 30 000 Jobs „verändert“werden, davon 13 000 in Deutschland. Während es bei Verbrennungsmotoren oder Hydraulik
spürbare Einschnitte gibt, werden bei der Elektronik und der Software neue Stellen geschaffen. Auch am Reifengeschäft wird gespart, Conti gibt sein Werk in Aachen mit 1800 Mitarbeitern auf.
BMW: Der bayerische Autobauer streicht 6000 seiner 126 000 Stellen, verzichtet aber auf betriebsbedingte Kündigungen. Stattdessen bekommen freiwillig ausscheidende Mitarbeiter und Frührentner Abfindungen. Auch die Altersteilzeit-Angebote sind laut Betriebsrat „sehr attraktiv“. Personalchefin Ilka Horstmeier spricht von einem Paket, „das uns kurzfristig hilft, das Unternehmensergebnis zu verbessern, uns aber langfristig die Innovationskraft erhält“. Die Autoverkäufe brachen im zweiten Quartal ein, das Unternehmen schrieb zum ersten Mal seit elf Jahren rote Zahlen. Gleichzeitig investiert BMW Milliarden in E-Mobilität und Digitalisierung.
Volkswagen: Eine Verschärfung laufender Einsparungen infolge von Corona ist bei der Kernmarke des weltgrößten Autokonzerns bisher nicht vorgesehen. Schon 2016 startete ein heftig umstrittener „Zukunftspakt“, mit dem bis Ende 2019 bereits fast 11 000 Stellen gestrichen und knapp drei Milliarden Euro an Ausgabenkürzungen erreicht wurden. Im Laufe der kommenden Jahre dürften weitere 20 000 Jobs wegfallen. Kündigungen will VW vermeiden, im Kern gilt eine Beschäftigungsgarantie bis 2029. Für die E-Mobilität werden Mitarbeiter derweil umgeschult, für Digitalisierung und Vernetzung baut der Konzern eine Software-Sparte mit mehr als 10 000 Beschäftigten auf.
Audi: Die VW-Tochter hatte schon im November 2019 beschlossen, in Ingolstadt und Neckarsulm 9500 der 61 000 Stellen abzubauen – ohne Kündigungen. Die Fertigungskapazität wird um ein Sechstel verkleinert, dafür sollen 2000 Jobs bei Elektromobilität und Digitalisierung neu entstehen. Audi will sechs Milliarden Euro einsparen, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte sichern und profitabler werden.