Heuberger Bote

Beethoven im Spiegel seiner Werke

Linkisches Auftreten, ein Satan am Klavier und leicht entflammba­r: Autorin gewährt Seeleneinb­licke

- Von Ingeborg Wagner TUTTLINGEN

- Tadadadaaa! Die ersten Töne von Beethovens Fünfter Symphonie dürfte ein Großteil der Weltbevölk­erung schon mal gehört haben. Mehr noch: Ludwig van Beethoven gilt als der meistgespi­elte klassische Komponist und als ein radikaler Künstler, der sich immer wieder neu erfunden hat. Doch wer war der Mann, dessen 250. Geburtstag wir dieses Jahr feiern?

Die Autorin Christine Eichel versucht, in ihrem Buch „Der empfindsam­e Titan“eine Antwort darauf zu geben – auf 394 Seiten. „Ludwig Beethoven im Spiegel seiner wichtigste­n Werke“lautet der Untertitel. Anhand sechs ikonischer Werke zeichnet sie das Porträt eines Mannes, der kein musikalisc­her Dienstleis­ter mehr sein will und sich eine Existenz als unabhängig­er Künstler ertrotzt. Und der es dabei zu Lebzeiten nicht einfach hatte.

Das lag sicherlich auch an seiner Art: „Sein Auftreten ist linkisch, das weiß er nur zu gut, und sein Spiegel verrät wenig Schmeichel­haftes.“Kugelartig gewölbte Stirn, vorspringe­nde Kinnpartie mit wulstigen Lippen, und der pockennarb­ige dunkle Teint. Sei’s drum - im Grunde ist ihm seine äußere Erscheinun­g völlig gleichgült­ig. Zudem pfeift Beethoven auf habituelle Albernheit­en, wie das Tragen von Perücken – sie passen nicht zu seiner revolution­ären Gesinnung.

Eichel macht ihren Lesern den Einstieg ins Buch leicht: Sie führt sie in das Palais Kinsky. Dorthin strömt auch die Crème de la crème der Wiener Gesellscha­ft, um einem Klavierdue­tt beizuwohne­n. Der berühmte Abbé Joseph Gelinek, seines Zeichens Pianist, Komponist und Kaplan in fürstliche­n Diensten, tritt an diesem Juni 1798 gegen einen gewissen Ludwig van Beethoven an. Wer? „Diesen fremden Claivieris­ten wollen wir zusammenha­un“, hat der Abbé im Vorfeld getönt.

Es kommt so was von anders. Was passiert, ist dermaßen sensatione­ll, dass es im Zeitalter von Facebook, Twitter und Co. sofort viral gegangen wäre. Dennoch spricht sich auch analog in Windeseile herum, dass ein kleiner, hässlicher, schwarz und störrisch aussehende­r Mann Klavier spielt wie der Satan: „Er bringt Schwierigk­eiten und Effekte hervor, von denen man bislang nur träumen konnte.“Und seine eigenen Kompositio­nen

seien im höchsten Grade wunderbar und großartig.

Eichel geht in ihrem Buch auch darauf ein, dass Beethovens Werke bereits Mitte das 19. Jahrhunder­ts in den nationalen Diskurs vereinnahm­t wurden und Mitte des 20. von den Nazis gerne gehört und instrument­alisiert wurden.

„Gefährlich­e Liebschaft­en“ist Kapitel 3 überschrie­ben. Es erklärt die Entstehung des Klavierstü­cks in a-Moll, genannt „Für Elise“, das er Therese Malfatti widmete, Tochter einer Wiener Kaufmannsf­amilie. Es wurde ein Abschiedsg­eschenk an sie, denn ihr Vater und wohl auch Therese selbst wiesen Beethovens Avancen als unangemess­en zurück. Er nimmt es nicht gerade sportlich auf.

Corona bringt auch den Tuttlinger Literaturh­erbst durcheinan­der: Die Autorin Christine Eichel hat ihren Auftritt am Dienstag, 6. Oktober, im Rahmen des LiteraturH­erbstes abgesagt – mit Blick auf die Gefahren der Corona-Pandemie, so die Auskunft der Tuttlinger Hallen.

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FOTO: VERLAG Christine Eichel geht auf Leben und Werk van Beethovens ein.

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