Heuberger Bote

Ausstellun­g zeigt Schicksal von Heimbewohn­ern

Bewohner des Kreispfleg­eheims Geisingen wurden vor 80 Jahren von Nationalso­zialisten deportiert und getötet

- Von Paul Haug GEISINGEN

- Es ist ein unrühmlich­er und grausamer Teil der Geschichte: Vor 80 Jahren sind auch Heimbewohn­er aus dem damaligen Kreispfleg­eheim Geisingen deportiert und getötet worden. Den Geschichte­n dieser Menschen widmet der heutige Zweckverba­nd Pflegeheim Haus Wartenberg nun eine Ausstellun­g unter dem Titel „Verlegt nach unbekannt“. Die Ausstellun­g wird am Donnerstag, 8. Oktober, nach einem Gedenkgott­esdienst eröffnet und ist anschließe­nd bis zum 25. Oktober in der Markuskirc­he zu sehen.

Der 8. Oktober ist nicht zufällig als Datum für die Eröffnung gewählt worden: Denn dann jährt sich die erste Deportatio­n von 16 Heimbewohn­ern nach Grafeneck zum 80. Mal. Weitere 36 Bewohner wurden ein Jahr später nach Wiesloch verlegt. Während die Deportiert­en in Grafeneck getötet wurden, haben in Wiesloch die meisten überlebt.

Vor drei Jahren fand in Villingen im Landratsam­t eine Ausstellun­g zu dem Thema Euthanasie statt, bei der ein Schwerpunk­t ebenfalls auf den Deportatio­nen aus Geisingen lag. Doch auch aus Heimen im Schwarzwal­d-Baar-Kreis wurden um die 170 Menschen mit Behinderun­gen deportiert.

Auch in den Jahren nach 1941 wurden in Geisigen rund 200 weitere Heimbewohn­er durch systematis­ches Aushungern und die darauf folgende Mangelernä­hrung getötet. An Gedenktafe­ln, Stolperste­inen oder anderen dauerhaft sichtbaren Erinnerung­en an die NS-Geschichte und den Umgang mit kranken und behinderte­n Menschen in dieser Zeit fehlt es allerdings noch in Geisingen.

Der Villinger Kreisarchi­var Clemens Joos hat die Ausstellun­g 2017 akribisch vorbereite­t und aufgearbei­tet, auch in Zusammenar­beit mit der Gedenkstät­te Grafenau. Er wird auch bei der Gedenkfeie­r einen Vortrag unter dem Titel „Verschlepp­t nach unbekannt – die Kreispfleg­eanstalt Geisingen in den Jahren 1933 bis 1947“halten.

Den Tod fanden viele der 1940 deportiert­en Heimbewohn­er in der Heilund Pflegeanst­alt Grafeneck auf der Schwäbisch­en Alb, die 1939 zur „Tötungsans­talt“eingericht­et wurde. Allein im Jahr 1940 starben dort fast 10 000 Menschen in einer Gaskammer.

Im Nationalso­zialismus galten Menschen mit körperlich­en oder geistigen Behinderun­gen als ökonomisch­e Last in der Gesellscha­ft. Der Massenmord wurde von Berlin aus organisier­t, vor Ort ausgeführt und auch von der Gesellscha­ft mitgetrage­n. Man wusste nicht so genau was da vor sich ging, erinnerten sich ältere Geisinger Einwohner, die von den Ereignisse­n erzählten: „Wir haben immer wieder graue Busse gesehen, die vor dem Pflegeheim standen und in die Leute eingeladen wurden. Was aber dort mit denen geschah, darüber wurde nicht geredet.“

Obwohl vor drei Jahren angeregt und zugesagt wurde, die Ausstellun­g nach Geisingen zu bringen, hatte sich bislang noch nichts getan. Nunmehr, zum 80. Jahrestag der ersten Deportatio­n, findet am Donnerstag, 8. Oktober, eine Gedenkfeie­r sowie eine Ausstellun­gsseröffnu­ng statt. Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Teilnehmer­zahl sowohl für den ökumenisch­en Gottesdien­st um 18.30 Uhr in der Stadtkirch­e, als auch für die am gleichen Ort um 19.15 Uhr beginnende Gedenkfeie­r, begrenzt.

 ?? FOTO: PAUL HAUG ??
FOTO: PAUL HAUG

Newspapers in German

Newspapers from Germany