Lennart Schilgen macht das Ding
Der Krähe-Preisträger 2020 kommt aus Berlin – Alle Preisgelder werden aufgeteilt
- Der Liedermacher und Musik-Kabarettist Lennart Schilgen aus Berlin ist Gewinner der Tuttlinger Krähe 2020. Am Sonntagabend wurden ihm und drei weiteren Preisträgern die renommierten Kleinkunstpreise übergeben: Stand-Up-Comedian Martin Niemeyer aus Hamburg erhielt den zweiten Jurypreis, Komiker und Musiker Heinz Gröning den Sonderpreis der Jury und der fränkische Liedermacher El Mago Masin den Publikumspreis.
„Heute ist alles anders. Wir sind nicht nah beieinander. Aber: Sie gucken alle so fröhlich“, meinte Moderator Frank Fischer gutgelaunt und begrüßte die etwa 150 Besucher des Preisträgerabends in der ausverkauften Möhringer Angerhalle. Als ersten der vier Preisträger stellte er El Mago Masin vor, den sympathischen Dreadlocks-Träger, der sich am dritten Wettbewerbsabend in „Schlafhosen“vorgestellt hatte. Augenzwinkernd, locker und amüsant erzählt der Franke mit seiner Gitarre von Menschen mit Macken, von einer grotesken Welt, einer schwierigen Beziehung mit Kirschkernkopfkissen oder (man muss das Kopfkino einschalten) von einem toten blaugefärbten Fuchs im Regen. Der „Meister der Anarchokomik“
motiviert das Publikum mit ha, ha, ha und mh, mh, mh zum Mitmachen und zum Alphabet aufsagen – vorwärts und rückwärts. Auch sein Lied über Tuttlingen, das beim Wettbewerbsabend Furore gemacht hat, darf nicht fehlen. Es beweist, dass er vorher bestens über lokale Begebenheiten recherchiert hat.
Dass er als komischer Kauz bezeichnet wird, findet er nicht gut, meint der „Nerd in Grau“, Martin Niemeyer. Er will auch nicht als Serienmörder durchgehen, denn er sammelt auch keine Menschenteile im Tiefkühler. Doch man wittert hinter seinem Witz die dunklen Abgründe der Seele. Seine Pointen pirschen sich aus dem Hintergrund heran. Er macht sich zum Beispiel Sorgen, wie man ein Spannbettlaken zusammenlegt, über Gästehandtücher und Untersetzer für Gläser. Niemeyer überlegt sich, wie er die Kuscheltiere seiner Kinder schonungsvoll entsorgen kann oder für welches Haustier er am liebsten die Verantwortung übernehmen möchte, redet über Eheprobleme und wie man Spießigkeit ablegen kann. Auch über regionale Lebensmittel und Fleischselbstversorger macht er sich Gedanken.
Der junge Liedermacher Lennart Schilgen gestand: „Ich bin Shouter in einer Heavy-Metal-Band - doch ohne Happy End“. Mit gewinnendem Lächeln
animiert der Gewinner der Krähe sein Publikum – trotz Corona – mit seiner Gitarre zum ganz, ganz leisen Mitsingen und beschwor elysische Harmonien herauf. Doch es gibt auch Probleme, Konflikte in der Beziehung, die er mit Beschwichtigungsversuchen seiner Freundin erklären will: „Schau mich nicht so an. Ich wurde abgefüllt, ich ließ es nur geschehen“. Ohne Gitarre und Gesang trägt er Gedichte für Wagner -Fans vor; als die Reime erschöpft waren, greift er wieder zu seinem Instrument und fordert das Publikum zum Aufstehen auf: „Es ist Partytime, Kopfnicken und Rumstehen, glasiger Blick mit Bier in der Hand ist angesagt“. Doch ohne ein Gute-NachtLied (über das Schlafen, was man viel zu selten macht) geht er nicht von der Bühne. Und sein Laptop schaltet auch auf „Stand bye“.
„Schön, dass ihr da seid“, meint der rockige Liedermacher aus dem Rheinland mit 30-jähriger Bühnenerfahrung Heinz Gröning. Mit rabenschwarzem Humor und verspielten Reimen nimmt er sein Publikum gleich mit. So betont er: „Lachen macht glücklich, 300 Muskeln sind daran beteiligt“. Er schlägt vor, Party zu machen. Doch er selbst geht künftig nur noch auf Partys Über 50, denn „Ich hab´ keine Haare und sie die Wechseljahre“und lästert „Älterwerden
ist der größte Ritt, denn alle machen mit“. In seiner „Comedy-Messe“meint er, „Wir glauben an die Kraft der Lachkraft“und liest aus dem Buche Heinz vor: „Am Anfang war das Wort“.
Zum Finale kommen die vier Künstler auf die Bühne, die Spannung wird aufgelöst. Den Gewinnern werden unter großem Beifall ihre Preise, die Tuttlinger Krähe, überreicht. Kurz zuvor hatte Moderator Frank Fischer ins Mikro gerufen: „Hallo, Stadthalle“, können Sie mich hören?“, denn das Finale wurde in die Stadthalle übertragen. Michael Baur, Chef der Tuttlinger Hallen, freute sich, dass alles hervorragend geklappt hat.
In der Stadthalle hatten sich zum Preisträgerabend 200 Besucher eingefunden. Dort moderierte Jess Jochimsen, in der Angerhalle Frank Fischer, beide trugen auch die Laudationen über die Preisträger vor. Die Wettbewerbsabende und der Preisträgerabend hatten jeweils in beiden Häusern stattgefunden. Alle zwölf Finalisten haben die „Krähe 2020“für eine beeindruckende Solidaraktion genutzt und beschlossen, die Preisgelder – die gesamte Dotierung belief sich auf 20 000 Euro – zwischen den zwölf Finalisten aufzuteilen, um ihnen in der jetzigen schwierigen Lage Unterstützung zukommen zu lassen.