Heuberger Bote

Zverevs Unvernunft: Statt zum Arzt auf den Tennisplat­z

- PARIS

(SID) - Wie ernst die Lage im französisc­hen Corona-Hotspot wieder ist, wird auf den Straßen von Paris mehr als deutlich. Bars und Cafés müssen für zwei Wochen schließen, seit Sonntagabe­nd gilt an der Seine die höchste Warnstufe. Umso verwunderl­icher, dass Alexander Zverev wenige Stunden zuvor trotz Hustens, Halsschmer­zen und Atemproble­men bei den French Open auf dem Court stand – und offenbar weder der Hamburger selbst noch die Veranstalt­er dies für bedenklich hielten. So rückte Zverevs Aus im Achtelfina­le gegen den Italiener Jannik Sinner schnell in den Hintergrun­d, stattdesse­n standen der Umgang mit der Pandemie und die Sicherheit­smaßnahmen in Roland Garros im Fokus. Und damit: der Weltrangli­stensiebte und der französisc­he Tennisverb­and FFT.

„Ich bin komplett krank, ich kann kaum atmen“, berichtete Zverev nach der Partie hinter seiner Maske, immer wieder hustend. Noch am Vorabend des Matches habe er 38 Grad Fieber gehabt. An eine Corona-Infektion „glaube“er aber nicht, da weder Geschmacks­noch Geruchssin­n beeinträch­tigt seien. Und: „Wir werden hier ja regelmäßig getestet.“

Mit der Regelmäßig­keit ist das so eine Sache. Alexander Zverevs letzter Test vor dem Match, so teilte es am Sonntag die FFT mit, sei vergangene­n Dienstag erfolgt, ist damit völlig im Einklang mit den Regularien, die Tests nur alle fünf Tage vorschreib­en. All seine bisherigen Corona-Tests seien negativ gewesen, versichert­e der 23-Jährige und kündigte einen weiteren an. Trotz des Ausscheide­ns. Auch der fiel negativ aus. „Ich habe das Ergebnis heute bekommen: Ich bin negativ. Ich habe kein Corona“, sagte Zverev am Montag dem TV-Sender Eurosport.

Und doch wirft der Fall Fragen auf: Ob die Vorgaben wirklich ausreichen­d sind? Und warum ein Spieler mit grippeähnl­ichen Symptomen auf dem Platz stehen durfte, bei denen derzeit jede seriöse Gesundheit­sbehörde vom Umgang mit anderen Menschen dringend abrät?

In einem Handbuch an die Profis, aus dem die „New York Times“zitiert, heißt es: Stellt ein Spieler Symptome wie Fieber oder Atemwegsbe­schwerden fest, müsse er dies den Turnierärz­ten melden und werde in einem speziellen Raum getestet. Bis zum Ergebnis dieses Tests müsse sich der Spieler isolieren. Wie die Veranstalt­er aber mitteilten, habe Alexander Zverev vor dem Match das medizinisc­he Personal nicht konsultier­t.

Hat die deutsche Nummer 1 das Kranksein also verschwieg­en und das Protokoll missachtet? Über seinen Physiother­apeuten Hugo Gravil habe er sich vom Turnierarz­t im Vorfeld ein Medikament gegen eine Erkältung geben lassen, versichert­e Zverev; die Beschwerde­n seien schon nach dem Spiel gegen Marco Cecchinato am Freitag aufgetrete­n. Bedenklich sind aber auch die offenbar laxen Sicherheit­smaßnahmen des französisc­hen Verbandes. Noch bei den US Open wurde bei den Profis regelmäßig die Temperatur gemessen, in Paris wird dies nicht getan. Im Spielerhot­el logieren überdies auch andere Gäste.

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany