Paris sperrt zu
Behörden verschärfen Corona-Maßnahmen drastisch – Cafés für zwei Wochen dicht
Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin gefällt die Entwicklung nicht. „Wir sind Franzosen – wir lieben es zu trinken, essen, leben, lachen und einander zu küssen“, sagte er. Dennoch verteidigte er die Entscheidung, in Paris alle Bars und Cafés (Foto: Jacopo Landi/imago images) zu schließen. Die Zahl der CoronaInfektionen sei massiv gestiegen. Die Schließung solle verhindern, dass junge Leute bis in die Nacht feiern und die Schutzmaßnahmen missachten. Die Restaurants bleiben weiter geöffnet.
- Die Miene des Pariser Polizeipräfekten Didier Lallement war noch ernster als sonst. Der hagere Beamte, der sich sonst eher nach Gewalttaten äußert, stellte am Montagmorgen neue Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus vor. „Man muss bremsen, bevor das System überfordert ist“, leitete Lallement bei einer Pressekonferenz seine Ankündigungen ein. Ab Dienstag müssen deshalb im Großraum Paris, wo seit Montag die höchste CoronaWarnstufe scharlachrot gilt, Cafés, Bars, Schwimmbäder, Sporthallen und Fitnessstudios für zwei Wochen schließen. In den Universitäten dürfen nur noch die Hälfte der Studenten Vorlesungen hören und in den Altersheimen sind höchstens zwei Besucher pro Bewohner möglich. Die Restaurants dürfen unter strengen Regeln weiter öffnen, die unter anderem eine Erfassung der Besucher wie in Deutschland vorsehen. Auch Kinos, Museen und Theater bleiben geöffnet.
Es ist also keine Vollbremsung, die die Behörden vollziehen. Stattdessen soll mit einer Art Stotterbremse verhindert werden, dass die CoronaZahlen in Paris und den angrenzenden Kommunen weiter nach oben schnellen. In der Hauptstadt würden 3500 neue Fälle täglich registriert, warnte der Leiter der regionalen Gesundheitsbehörde, Aurélien Rousseau. „Das sind dreimal so viel wie vor einem Monat.“Paris hatte zuletzt alle festgelegten Grenzwerte überschritten: Die Zahl der Neuinfektionen
lag bei mehr als 260 pro 100 000 Einwohner und damit deutlich über der Grenze von 50. Unter den partyfreudigen 20- bis 30-Jährigen waren es sogar mehr als 500 pro 100 000 Einwohner. Das führte dazu, dass die Beatmungsbetten bereits wieder zu 36 Prozent ausgelastet sind.
Wichtig sei, genug Krankenhauspersonal für die Patienten zu haben. An Beatmungsgeräten, Medikamenten und Schutzkleidung fehle es nicht. Martin Hirsch, der Leiter der Pariser Krankenhäuser, appellierte bereits an das Personal, auf Urlaub in den Herbstferien zu verzichten. Der Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten am Pariser Krankenhaus Tenon, Gilles Pialoux, warf der Regierung vor, zu spät auf den Anstieg der Infektionszahlen zu reagieren. „Wir rennen dem Virus hinterher“, sagte Pialoux im Fernsehsender BFMTV. Auch die Franzosen sehen das Krisenmanagement kritisch: 64
Prozent trauen Präsident Emmanuel Macron nicht zu, die Epidemie zu bekämpfen.
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die am Wochenende noch über die „Stop-and-go“-Strategie der Regierung geschimpft hatte, gab sich bei der Pressekonferenz zahm. Die Stadtverwaltung werde an der Seite des Staates ihren Beitrag leisten, versprach die Sozialistin. „Wir hoffen, dass wir in zwei Wochen eine andere Situation haben.“Regierungschef Jean Castex hatte die Maßnahmen mit Hidalgo abgesprochen, nachdem eine Woche zuvor im Hotspot Marseille die Schließung der Bars und Restaurants ohne Rücksprache mit der Stadtverwaltung erfolgt war. Neben Paris und Marseille ist die Lage auch in anderen Großstädten wie Lyon und Lille kritisch. „Wir erleben eine echte zweite Welle“, zitiert die Zeitung „Le Monde“einen Vertrauten von Macron.