Nach Eklat im Rat: So geht es nun weiter
Unverständnis in Worndorf – Darum wurde geheim über die neue Ortsvorsteherin abgestimmt
- Im Neuhauser Ortsteil Worndorf brodelt es. Der Gemeinderat hat in seiner jüngsten Sitzung eine Entscheidung getroffen, mit der die wenigsten gerechnet haben: Die vom Worndorfer Ortschaftsrat als neue Ortsvorsteherin vorgeschlagene Nicole Weikart wurde seitens des Gremiums nicht gewählt (sechs Ja-Stimmen stehen zwei Gegenstimmen und sechs Enthaltungen gegenüber, wir haben berichtet). Wie es weitergeht, wird sich wohl erst Ende des Monats zeigen.
Viele Worndorfer können das Abstimmungsergebnis nicht nachvollziehen. „Ich kenne das nicht, dass ein Vorschlag des Ortschaftsrates, der zudem noch eindeutig war, vom Gemeinderat abgebügelt wurde“, sagt ein Worndorfer Bürger im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch der ehemalige Ortsvorsteher Harald Boos zeigt sich überrascht über das Geschehene, spricht gar von einem Schmierentheater im Sitzungssaal.
Er berichtet, dass er die Sitzung als Zuhörer verfolgte. „Bereits beim Tagesordnungspunkt 1 (Wahl einer Ortsvorsteherin/ eines Ortsvorstehers für die Ortschaft Worndorf) wähnte ich mich bei einem Theaterbesuch“, schreibt er. Weil der bisherige Ortsvorsteher Andreas König aus persönlichen Gründen um die Befreiung seiner Ämter als Ortsvorsteher, Ortschaftsrat und Gemeinderat gebeten hatte, war es erforderlich, einen neuen Ortsvorsteher beziehungsweise in diesem Fall eine neue Ortsvorsteherin für Worndorf zu wählen. Diese war mit Nicole Weikart, die bisher stellvertretende Ortsvorsteherin war, bei einer Sitzung des Ortsgremiums einstimmig gewählt und vorgeschlagen worden.
Ein Blick zurück: Weikart hatte bei den Kommunalwahlen im Mai 2019 genauso viele Stimmen bekommen wie König. Insgesamt schlugen nämlich beide 221 Stimmen der Worndorfer Bürger zu Buche. König bekam 195 an der Urne und 26 per Briefwahl, Weikart 186 im Wahllokal und 35 Stimmen per Briefwahl. Als seine Stellvertreterin habe sie auch in den vergangenen Wochen viele Termine übernommen.
„Soweit mir bekannt ist, wählten bislang die Gemeinderäte die jeweils von den Ortschaftsräten vorgeschlagenen Kandidaten in einer formalen offenen Abstimmung“, äußert sich
Boos weiter. „Als Bürgermeister Hans-Jürgen Osswald den Tagesordnungspunkt aufgerufen hatte, präsentierte er bereits eine Wahlurne und bereitgelegte Wahlzettel mit der Begründung, diese Wahl müsse geheim stattfinden“, so Boos weiter. Doch warum das der Fall war, entziehe sich seiner Kenntnis. „Die Wahlen werden in der Regel offen durchgeführt und auch kein Gemeinderatsmitglied hatte geheime Wahl gewünscht“, sagt er.
Das sei bei einer Wahl aber auch gar nicht nötig, wie Stefan Helbig, Erster Landesbeamter, auf Nachfrage unserer Zeitung mitteilt. Denn vom Grundsatz her sollten Wahlen immer geheim mit Stimmzettel stattfinden, sagt er. Hintergrund dieses Passus sei, dass eine unbefangene Zusammenarbeit zwischen dem Gewählten und auch denen, die gegen den Kandidaten gestimmt haben, stattfinden könne, erklärt der Erste Landesbeamte. „Bei Personalentscheidungen empfiehlt sich das.“Zudem erklärt er: „Wenn nicht positiv für jemanden gestimmt wird, hat das die Wirkung einer Gegenstimme.“Dadurch werde die Möglichkeit reduziert, dass der Kandidat mehr als die Hälfte der Stimmen gewinnt.
Und damit zurück zur Wahl. Boos schreibt weiter: „Bei der Auszählung der Stimmen wurde dann festgestellt, dass auf Nicole Weikart sechs Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen fielen. Der Herr Bürgermeister Osswald zeigte sich aufgrund des Wahlergebnisses überrascht und erklärte, dass Frau Weikart nicht als Ortsvorsteherin gewählt ist. Auf die Wahl von Herrn Dürler zum Stellvertreter wurde dann verzichtet.“Zum Hintergrund: Tom Dürler wurde bei der Ortschaftsratssitzung als Weikarts Stellvertreter, also als künftiger stellvertretender Ortsvorsteher gewählt. Helbig erklärt: „In dem Moment, in dem Nicole Weikart nicht gewählt wurde, ist das Amt des Stellvertreters nicht vakant gewesen.“Denn nach dem Ergebnis der Wahl bleibe sie vorerst die stellvertretende Ortsvorsteherin von Worndorf.
Insgesamt fasst Boos seine Eindrücke des denkwürdigen Abends wie folgt zusammen: „Als Besucher der Gemeinderatssitzung kann ich nur vermuten, dass vor der Sitzung bereits eine Absprache unter den Gemeinderäten stattfand und das geheime Wahlergebnis bereits vor der Wahl festgelegt wurde. Warum der Gemeinderat nicht dem Vorschlag des Ortschaftsrates gefolgt ist und vor wessen Karren er sich spannen ließ, entzieht sich meiner Kenntnis – jedoch fängt der Fisch meist am Kopf zu stinken an“, schreibt Boos. Abschließend meint er, dass sich niemand mehr über die steigende Politikverdrossenheit zu wundern brauche, „wenn man von solchen Possen erfährt“.
Das Landratsamt sei nach dem Ausgang der Wahl als Rechtsaufsichtsbehörde kontaktiert worden und in diesem Fall beratend in Bezug auf das weitere Vorgehen tätig, erklärt Helbig. „Das ist sicherlich kein alltäglicher Vorgang, aber auch noch nichts ganz Außergewöhnliches“, sagt er in Bezug auf das Wahlergebnis. Denn noch kann Weikart nach wie vor zur Ortsvorsteherin gewählt werden. Laut Gemeindeordnung soll es frühestens eine Woche nach dem ersten Wahlgang dann einen weiteren geben – dieser wird voraussichtlich in der nächsten Gemeinderatssitzung am 20. Oktober vonstatten gehen. „Dann wird man sehen, ob sie die Mehrheit bekommt“, sagt Helbig.
Voraussetzung für die Wahl Weikarts als Ortsvorsteherin: „Es müssen mehr als die Hälfte der Stimmen abgegeben werden“, so Helbig. Das heißt, dass Weikart bei der Besetzung von der letzten Gemeinderatssitzung acht Ja-Stimmen benötigt, um Worndorfs neue Ortsvorsteherin zu werden.
Wenn aber beim zweiten Wahlgang erneut gegen Weikart gestimmt werde, „dann ist sie endgültig nicht gewählt“, so Helbig. Davon gehen aber zum jetzigen Zeitpunkt weder Helbig noch Bürgermeister HansJürgen Osswald aus. „Ich habe die Hoffnung, dass die Beteiligten sich jetzt so verständigen, dass es zu einem Ergebnis kommt – wie immer das dann aussieht“, sagt Helbig.
Auch Osswald geht davon aus, dass es Ergebnisse geben wird, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet. Er hatte den Gemeinderäten empfohlen, sich an einen Tisch zu setzen und das Gespräch zu suchen. Markus Seeh, neben Ramona Haßler-Denzel und Bärbel Hensler einer der drei Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat, teilt am Montag auf Nachfrage mit: „Es werden jetzt Gespräche stattfinden.“
Vordergründig werde es aber um die Besetzung der Ausschüsse gehen, in denen der bisherige Worndorfer Ortsvorsteher Andreas König Mitglied war, sagt er.
Nicole Weikart möchte sich in der momentanen Situation zu der ganzen Sache nicht äußern. Sie wolle die Antwort über das weitere Vorgehen abwarten, „und dann sieht man weiter“, sagt sie gegenüber unserer Zeitung.