Kein Platz für wirtschaftlichen Reitbetrieb
Pächter will 45 Pferde auf der Anlage des Reitvereins unterbringen – Stadt will helfen
– Der Reitverein Tuttlingen steckt in der Krise. Das ergaben jüngste Erkenntnisse aus einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Unter anderem kann der neue Pächter seinen Reitbetrieb nicht wie gewünscht betreiben. Der neu gewählte Vorsitzende Norbert Mattes soll nun die Missstände aufdecken und für mehr Transparenz sorgen. Die Stadt Tuttlingen will aber auf Nachfrage unserer Zeitung dem Reitverein helfen.
Vor mehreren Jahren ist der Reitverein Tuttlingen vom alten, beengten Reitstall in der Jahnstraße beim Donaustadion in den Neubau einer Reitanlage nahe der Kläranlage Möhringen umgezogen. Bei der schwierigen Standortsuche wurde er von der Stadt Tuttlingen unterstützt. Das Veterinäramt des Landratsamtes als Fachbehörde sei bereits bei dem Baugenehmigungsverfahren für die neue Reitanlage beteiligt gewesen, wie es der Leiter des Veterinäramtes Karl Schwab unserer Zeitung mitteilte. Mit der Feststellung: „Die Reitanlage des Reitvereins Tuttlingen ist für einen Bestand von maximal 30 Pferden konzipiert.
In diesem Zusammenhang wurde vom Veterinäramt darauf hingewiesen, dass an dem gewählten Standort nur knapp bemessene Auslaufflächen für die Pferde zur Verfügung stehen“, erklärte Schwab.
Ein Engpass, der dem neuen Pächter Steffen Giesser zum Problem geworden ist. Als Pächter übernahm er im Frühjahr die Reitanlage des Reitvereins Tuttlingen, mit dem Ziel, dort in eigener Verantwortung einen gewerblichen Reit- und Fahrbetrieb sowie einen Pferdehandel zu führen. Den Pachtvertrag schloss Giesser mit dem Verein in Person der damals stellvertretenden Vorsitzenden Barbara Eitel. Dabei sei ihm ein Bestand von mehr als 45 Pferden versprochen worden. Für seinen Reitbetrieb beantragte er eine Erlaubnis nach dem Tierschutzgesetz.
Das zuständige Veterinäramt prüfte daraufhin die Gegebenheiten vor Ort, unter anderem die baulichen Gegebenheiten und Einrichtungen für die tierschutzgerechte Haltung der Pferde. Zu diesem Zeitpunkt habe Giesser bis zu 48 Pferde auf der Anlage gehalten – zu viele für das Landratsamt. Schwab: „Für die Zahl der Pferde, die in der Reitanlage gehalten werden können, sind die Zahl der vorhandenen Stall- und Boxenplätze und auch die zur Verfügung stehenden Auslaufflächen maßgebend“. Bei einem gemeinsamen Termin mit dem Umwelt- und Grünplanungsamt der Stadt Tuttlingen, dem Umweltamt und dem Veterinäramt des Landratsamtes habe sich gezeigt, „dass es für den Betreiber schwierig ist, an dem durch Bahnlinie, Radweg und Donau eingeengten Standort weitere Auslaufflächen für die Pferde zu akquirieren. Zumal die in der Nachbarschaft liegenden landwirtschaftlichen Grundstücke aufgrund der bekannten Flächenverknappung in diesem Bereich von den jeweiligen Landwirten benötigt werden“, teilte der Leiter des Veterinäramts mit.
Jetzt werde in der tierschutzrechtlichen Erlaubnis eine Obergrenze für die Anzahl der Pferde für den gewerblichen Reit- und Fahrbetrieb festgelegt – orientiert an den vorhandenen Stallplätzen und der begrenzt zur Verfügung stehenden Auslaufflächen. „Die Erteilung der Erlaubnis an Steffen Giesser kann nach derzeitigem Stand in Kürze erfolgen“, betonte Schwab. Der Reitverein sei in dieses Erlaubnisverfahren nicht mit einbezogen. Bei wie vielen Pferden die Obergrenze liegt, teilte das Landratsamt nicht mit.
Egal wie – Unterstützung erhalte der Reitverein und der Pächter von der Stadt Tuttlingen: „Wir wollen eine Lösung mit dem Verein finden und freuen uns, dass Norbert Mattes als Vorsitzender und Brigitte von Briel als Stellvertreterin, die dem Reitverein beide seit Jahrzehnten verbunden sind, ebenfalls mithelfen wollen“, teilte uns Benjamin Hirsch, der persönliche Referent des Oberbürgermeisters Michael Beck mit. Der Vorstand bereite nun alle Unterlagen auf und stelle die finanzielle und wirtschaftliche Situation des Reitvereins zusammen. „Wir stehen zu diesem Verein und sind auch hinsichtlich der ausstehenden Abwasserbeiträge gesprächsund handlungsbereit. In den Gesprächen mit den dann zusammen getragenen Fakten, wird besprochen, wie es weitergehen kann“, erklärte Hirsch und ergänzte: „Da der neue Pächter 45 statt 25 Pferde dort betreuen möchte, um wirtschaftlich zu sein, können wir auch bei der Suche nach den dann benötigten Bewegungsflächen behilflich sein“.
Aktuell befinden sich 35 Tiere auf der Anlage, 16 von Pensionspferdehaltern, in Beritt vier Pferde vom Reitverein und 15 von Giesser. „Für meine weiteren Pferde habe ich Stallungen im nahen Umfeld angemietet. Zum Training hole ich sie sporadisch in die Reithalle und fahre sie dann abends wieder in die Stallungen“, beschreibt er die unzufriedene Situation. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, plane er mit 45 Pferden auf der Anlage. „Das ist auch die Meinung des neuen Vorstands“, sagte Giesser unserer Zeitung.
Der Verein habe zudem bisher noch keinen Erbbauzins bezahlt. Das liege laut der Stadt aber nicht daran, dass der Reitverein es aus finanzieller Sicht nicht konnte – so wurde es von Vereinsseite vermutet (wir berichteten) – sondern weil die Abrechnung aus steuerlichen Gründen noch nicht erfolgt sei.