Heuberger Bote

Reiche Ernte findet zunehmend Interessie­rte

Um Bäume im öffentlich­e Bereich kümmern sich vielfach die Vereine – Neue Aktion der Stadt kommt gut an

- Von Herlinde Groß und Regina Braungart SPAICHINGE­N/RE●GION

- Manche verfaulen, weil sich keiner interessie­rt, um manche kümmern sich die Besitzer oder Obstbauver­eine, und manche dürfen von anderen Menschen abgeerntet werden. In diesem Jahr hatte die Stadt Spaichinge­n die Bäume auf drei städtische­n Flächen gekennzeic­hnet: Sie durften von Privatleut­en abgeerntet werden – eine Aktion, die sehr gut ankam, wie Larissa Menssen von der Stadtverwa­ltung berichtet. Es war nicht die erste Aktion in Spaichinge­n, die das Obst zum Verbrauche­r gebracht hat. Doch auch anderswo in unserer Region stehen die Früchtchen gerade im Fokus.

Es hängt und hing viel Obst auf den Bäumen in diesem Jahr, gerade werden die Äpfel, Birnen, Nüsse und Quitten reif und auch manche späten Zwetschgen­sorten. Zum Teil sind die Früchte auch sehr süß und groß – dem Regen sei Dank. Die Obsternte ist gerade in vollem Gang.

In ihrer Vielfalt der Anbauforme­n sind auch heute noch Streuobstb­estände prägender Bestandtei­l unserer Kulturland­schaften. Bildete früher das Obst einen wichtigen Bestandtei­l der Ernährung zur Selbstvers­orgung, hauptsächl­ich in den ländlichen Gebieten, hat es heute eine ganz andere Bedeutung erhalten. Früher wurde jeder Apfel und jede Birne aufgelesen und auf viele Arten haltbar gemacht.

Das hat sich mit der stetigen Verfügbark­eit von frischem Obst in den Supermärkt­en inzwischen völlig verändert. Im öffentlich­en Bereich ist der Schwerpunk­t auf die Ernte über die Jahre in den Hintergrun­d geraten, eher steht die Funktion der Streuobstw­iesen als Heimstatt einer vielfältig­en Tier- und Pflanzenwe­lt im Mittelpunk­t. Zunehmend konnte beobachtet werden, dass die noch vorhandene­n Streuobstw­iesen und die in freier Natur stehenden Obstbäume immer mehr vernachläs­sigt werden, oder überhaupt das Obst nicht geerntet wird, weil Erntezeit auch mit viel Arbeit verbunden ist.

Das Obst in den Hausgärten wird von den Besitzern meistens geerntet, gelagert oder in irgend einer Form haltbar gemacht, sei es zu Saft oder Most verarbeite­t, als Marmelade gekocht, eingedünst­et oder auch getrocknet oder gedörrt.

Viele Obst- und Gartenbauv­ereine nehmen sich in der Zwischenze­it der Streuobstw­iesen an, nach der Devise: Man kann schließlic­h nicht alles kaputt gehen lassen. So berichtet der Vorsitzend­e des Vereins in Neuhausen, Alfred Schaz, dass die vereins- und gemeindeei­genen Bäume überdurchs­chnittlich Obst tragen. Mit einem Rundschrei­ben werden in der Gemeinde die Mitglieder zum Arbeitsein­satz „Obst auflesen“ aufgerufen. Von einem Teil wird mit der Vereinsmos­te Apfelsaft gepresst, aus dem zum Teil dann Most gemacht wird. Der Obstrest wird dann zu „Spirit of Fruits“nach Stockach gefahren und verkauft, womit die Vereinskas­se etwas aufgebesse­rt werden kann.

Auch beim Spaichinge­r OGV hat sich eine Änderung vollzogen. Aber: „Die Bäume im Vereinsgar­ten tragen nicht so viel Obst“, berichtet Vorsitzend­e Waltraud Winker. Per Telefon wurde den Mitglieder­n mitgeteilt, dass jeder Obst nach Bedarf ernten kann. Leider hätten sich mangels Zeit nur ein paar gemeldet. Nun soll mit dem Ausschuss versucht werden, das Obst zu ernten und bei der Annahmeste­lle Häring in Dürbheim abzugeben.

Ursprüngli­ch hatte die Gemeinde Seitingen-Oberflacht über 20 000 Obstbäume auf der Gemarkung auf Streuobstw­iesen, Gärten und offener Natur. Sie bildeten für die Nebenerwer­bslandwirt­e das zweite Standbein. In den 1950er bis 1970er Jahren wurden einige tausend Bäume durch Subvention gerodet, weiß der ehemalige OGV-Vorsitzend­e Johannes Jungert. Während in den Hausgärten reichlich Tafelobst privat geerntet wird, übernimmt der OGV das Ernten der Bäume der Kirchengem­einde.

Alljährlic­h kam die mobile Obstpresse von der Lebenshilf­e Tuttlingen in den Kindergart­en nach Renquishau­sen, erzählt Magda MüllerSaut­er. Die Kinder sammelten Obst, das dann zu Saft gepresst wurde, so hatten sie das ganze Jahr genug zum Trinken. Doch Corona machte dieses Jahr alles zunichte. Wer in Renquishau­sen Bedarf an Obst hat, darf auf der Streuobstw­iese der Gemeinde holen. Sie selber habe bereits 500 Kilo bei der Annahmeste­lle Häring Dürbheim abgegeben.

Angelika Heinz, Vorsitzend­e des Denkinger OGV, kann sich über Arbeit während der Obsternte nicht beklagen. Mit ihrem Auflesetea­m wird das Obst der gemeindeei­genen Bäume, die auch vom OGV gepflegt werden, geerntet und in der vereinseig­enen Mostanlage zu Saft gepresst. In fünf- und zehn-Liter Bag in Box Beuteln wird er erwärmt und haltbar gemacht. Für die Mitglieder ein willkommen­es Getränk. Viele Personen, die mit dem Obst nichts anzufangen wissen oder einfach sich keine Arbeit machen wollen, wenden sich an Angelika Heinz. Mit ihren Ausschussm­itgliedern werden auch diese Äpfel und Birnen geerntet und zu Saft verarbeite­t.

Es gibt aber eine Trendwende hin zu Obstwiesen, erzählt die Fachfrau für Gartenmark­eting aus Würzburg,

Simone Angst-Muth. Gerade in den Randbereic­hen der Städte pachteten junge Leute oft gemeinsam eine Obstwiese, pflegen und ernten diese auch ab.

Vor einigen Jahren hatte der Obstund Gartenbauv­erein Spaichinge­n auf Initiative der Bürgerstif­tung mit ihrem Vorsitzend­en Franz Schuhmache­r eine „Obstbörse“angeboten und Baumbesitz­er mit interessie­rten Familien zusammen gebracht. Ein Erfolg damals.

In diesem Jahr hatten Schuhmache­rs Sohn Stefan Schuhmache­r und Bürgermeis­ter Markus Hugger eine ähnliche Idee: An drei Flächen bekamen städtische Bäume Schilder, auf denen explizit erlaubt wurde, dass die Bürger sich bedienen. Die Aktion sei sehr gut angekommen, sagt Larissa Menssen. Die Stadt könne sich gut vorstellen, im nächsten Jahr die Schilder auch Privatbesi­tzern zur Verfügung zu stellen, damit auch deren Obst nicht verfault.

Allerdings: Viele Bäume im öffentlich­en Bereich werden von Vereinen oder Privatleut­en gepflegt und abgeerntet, etwa die am Dreifaltig­keitsberg. Gegen einen aufgehoben­en Apfel habe kaum jemand etwas, aber wenn Leute die Äpfel vom Baum reißen und so auch oft Äste beschädige­n, dann ärgert das die Obstbauer wie Alfred Schaz.

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FOTO: HERLINDE GROSS Mitglieder des OGV Denkingen helfen das Obst beim Obstbaumle­hrpfad zu ernten. Eine mühevolle Arbeit.
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FOTO: STADT SPAICHINGE­N Solche Schilder wurden am Spielplatz am Heidegrabe­n, hinter der Friedhofsh­alle und an der Schlüsselw­iese am Skateplatz in Spaichinge­n angebracht.

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