Hoffen auf ein „krisenfestes Klassenzimmer“
SPD-Landeschef Andreas Stoch hat mit Betroffenen über Unterricht im Krisenmodus diskutiert
- „Das krisenfeste Klassenzimmer“hat der Titel des Gesprächsabends der SPD am Mittwoch in der Trossinger „Linde“geheißen. Mit dem baden-württembergischen SPD-Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch diskutierten unter Moderation von Enrico Becker der Rektor der Löhrschule, Steffen Finsterle, der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Michael Mittelstaedt, und der Berufsschüler Christopher Brehm.
Stoch, selbst Vater von vier Kindern, stellt fest, dass das Bildungssystem nicht auf Covid-19 vorbereitet gewesen sei. Während das vergangene Schuljahr größtenteils improvisiert worden sei, betont der frühere Kultusminister, dass nun alle Anstrengungen darauf fokussiert werden sollten, den Schülern auch unter Coronabedingungen die bestmögliche Bildung zu ermöglichen.
Steffen Finsterle sprach über seine Erfahrungen während der Schulschließungen. Vor allem jüngeren Schülern fehlten grundlegende Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien, sodass schon vor Corona in Medienkursen das Anmelden und Einloggen am Computer, Material Herunter- und Hochladen teilweise ein halbes Jahr lang geübt werden müsse. Digitaler Unterricht und Homeschooling funktioniere mit vielen jüngeren Schülern daher nicht, sodass die Löhrschule im Frühjahr dazu übergegangen sei, ihnen Lernpakete direkt nach Hause zu schicken. Die älteren Schüler hingegen seien mitunter kaum greifbar gewesen, sie hätten sich einen neuen Tagesrhythmus angeeignet. Die Arbeitsbelastung
der Lehrer sei „sehr groß gewesen“, so Finsterle.
Stoch fügt dem hinzu, dass auch die technische Ausstattung der Schulen derzeit ein unnötig zäher Prozess sei. Aus dem vom Bund durch den Digitalpakt bereitgestellten 5,5 Milliarden Euro seien von dem für Baden-Württemberg vorgesehenen Anteil nur etwa 0,6 Prozent bisher tatsächlich ausgezahlt worden, was vor allem an der komplexen Beantragungsform liege, erklärt er.
In Trossingen sei die Anschaffung von Endgeräten für die Schulen zwar schon erfolgt, jedoch bliebe die Bereitstellung von personellen Kapazitäten für die Einrichtung und Wartung ungeklärt, erklärt Finsterle. „Das wird von engagierten Lehrern übernommen“, so Finsterle, erklärte aber, dass dies ein Vollzeitjob sei, der durch Fachkräfte als Administratoren
ausgeführt werden müsse. „Es ist völlig illusorisch, dass das die Lehrer machen könnten, die dafür nie ausgebildet wurden", so Stoch. Die Finanzierung dieser Administratorenstellen sei noch nicht geklärt.
Anders stellt sich die Situation an den Berufsschulen dar: Berufsschüler Christopher Brehm berichtet von guter technischer Ausstattung in den zum Landkreis gehörenden Schulen, jedoch zeitweise überlasteten Internetverbindungen im Schulgebäude. Auch die Berufsschüler seien anfangs angesichts vieler Aufgaben und fehlender Onlinekonferenzen überfordert gewesen, jedoch funktioniere der Fernunterricht mittlerweile in der Regel gut.
In Bezug auf Abstandsregeln sei die Busfahrt zur und von der Schule noch eine Herausforderung, so die Meinung in der Runde. Gerade würden die sorgsam eingehaltenen Hygienekonzepte der Schule mit einem „Transport wie Ölsardinen“konterkariert.
Schule ist mehr als Wissensvermittlung und mehr als das, was ich am Bildschirm tun kann“, so Stoch. Vielmehr gehe es um die Frage, wie Wege gefunden werden können, auch in Corona oder anderen Krisenzeiten „möglichst viel von der Schule durchführen zu können, die wir brauchen und zwar für die Entwicklung unserer Kinder“. Neben Wissensvermittlung gehe es im Kontext Schule auch um soziales Zusammenleben. Priorität sei, so viel Präsenzunterricht zu realisieren wie möglich. Angesichts des Lehrermangels schlug Stoch mehr Kreativität bei der Personalverteilung vor, etwa durch größere Flexibilität zwischen den Schulformen.