Der Spielmacher und der Räuber Hotzenplotz
Günther Rieckmann und Karl Hipp sind seit 50 Jahren beim Kulturring aktiv
- Seit ihrem 15. Lebensjahr haben Karl Hipp und Günther Rieckmann auf und hinter der Bühne des Kulturrings Fridingen die Geschicke des Vereins maßgeblich mitbestimmt. 1970 erstmals als Statisten dabei werden sie 50 Jahre später für ihr langjähriges, aktives Engagement geehrt.
137 Stücke, in denen er als Schauspieler oder als Spielleiter mitgewirkt hat, dazu 2016 die Silberne Verdienstmedaille der Stadt Fridingen mit dem Eintrag ins Goldene Buch: das ist Günther Rieckmanns Bilanz. Und auch Karl Hipp hat einen Meilenstein für die Vereinsgeschichte gesetzt: Auf sein Betreiben hin gibt es seit 1977 zusätzlich ein Kinderstück auf dem Spielplan. „Ganz nebenbei“war Hipp auch noch in der Stadtkapelle und zeitweise als Feuerwehrkommandant aktiv.
1970 haben beide beim Theater angefangen: in der Schule vom damaligen Fridinger Rektor und Kulturring-Vorsitzenden Josef Hagel rekrutiert, als Statisten in Zuckmayers „Schinderhannes“. In Erinnerung haben sie auch noch gut Max Frischs „Andorra“vier Jahre später – als modernes, gerade mal 13 Jahre altes Stück damals eine Wegmarke für Hagels hohen Anspruch an das Spielniveau. Im Rückblick der beiden Jubilare brachte dieser Anspruch Spieler und Publikum durchaus auch an deren Grenzen. So habe sich etwa
Büchners „Woyzeck“nicht allen sofort erschlossen. „Hagel hat immer im Alleingang festgelegt, was wir spielen“, erinnern sich die Geehrten. Erst mit Rieckmann als Spielleiter wurden auch die Darsteller am Entscheidungsprozess beteiligt.
1981 durfte Rieckmann erstmals bei Hagels Regie assistieren. Den ersten großen Schritt zur Emanzipation gegenüber seinem Ziehvater vollzog er zehn Jahre später, bei den Proben zu Horvaths „Glaube-Liebe Hoffnung“. Für Rieckmann stand fest: eine Szene musste im Bett gespielt werden. „Nur so konnte die Schauspielerin an dieser Stelle in ihre Rolle finden.“Davon ist er bis heute überzeugt. „Für Hagel war damals eine Bettszene auf der Bühne völlig undenkbar.“Der wehrte sich vehement, aber vergeblich. Und bei dieser Gelegenheit erinnern sich die beiden Altgedienten auch gleich noch an eine andere, diesmal heitere „Bettszene“: Bei Dürrenmatts „Romulus der Große“hatte es ein Schauspieler nach einem anstrengenden Nachmittag am Bodensee zwar gerade noch geschafft, rollengemäß unters Bett zu kriechen. Allerdings war er dort eingeschlafen und nur unter Mühen wieder für seinen Einsatz wach zu bekommen.
In der Zwischenzeit hat Rieckmann mit impulsiver Kreativität bei unzähligen Inszenierungen seine persönliche Visitenkarte hinterlassen. „Hagel konnte genau erklären, was wer warum machen sollte. Ich bin ein Vormacher, kein Erklärer“, beschreibt er ihre unterschiedliche Herangehensweise als Spielleiter.
Wegweisend für den Verein war auch die Hartnäckigkeit Karl Hipps: Angeregt vom Besuch der Freilichtbühne in Heidenheim initiierte er die Aufführung eines Jugendstückes in Fridingen. Entgegen aller literarischen Bedenken Hagels startete 1977 der erste Versuch – mit Hipp höchstpersönlich in der Titelrolle als „Räuber Hotzenplotz“. „Mit dem Erfolg, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, waren alle Bedenken vom Tisch“, sagt er rückblickend. Und nicht nur ein Kinderstück war fortan im Spielplan etabliert. Auch ein Statist aus jenem Stück blieb der Truppe bis heute in dieser Funktion erhalten – obwohl er inzwischen Pater in Beuron ist.
„Weil die Schauspieler nachmittags im Kinder- und abends auch noch im Erwachsenenstück mitspielten, kamen bis zu 20 Aufführungen zusammen“, erinnert sich Rieckmann. Und es begann die Tradition, dass ganze Familien, mittlerweile in Generationen, ihre Sommerwochenenden in und um die Bühne im Steintäle verbringen. „Familiärerer Zusammenhalt“scheint das Zauberwort für beide Jubilare zu sein. Dazu gehört auch, gemeinsam Silvester zu feiern und zuzupacken, wo immer es nötig ist – anstatt wie andere Bühnen „schaffen zu lassen“.
Ganz anders nun in diesem Jahr, in dem Corona alles lahmgelegt hat: statt umtriebiger Sommerwochenenden viel freie Zeit. „Ich war geschockt“, sagt Rieckmann. „Es hat mir alles schwer gefehlt. Dann versucht man, es zu akzeptieren.“Jetzt hoffen alle, dass sich niemand in der Bequemlichkeit des Nichtstuns einrichtet und die Freude am Engagement zurückkommt. Die Proben zum geplanten Winterstück „Es geht rauf und wieder runter“haben begonnen. „Proben mit Abstand: Das ist nichts, was man sich wünscht“, sagt Rieckmann. „Aber Nichtstun ist auch keine Lösung.“„Eine Bettszene kommt so jedenfalls nicht in Frage“, schmunzelt Hipp.