Eine neue Stufe der Barbarei
Frankreich hat in den vergangenen Jahren nach Terroranschlägen eine beeindruckende Widerstandsfähigkeit gezeigt. Nach dem Attentat auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“und den jüdischen Supermarkt gingen im Januar 2015 Millionen Menschen für die Meinungsfreiheit auf die Straße. „Ich bin Charlie“lautete damals der Slogan der Solidarität. „Alle ins Café“hieß es wenige Monate später nach den Anschlägen auf den Konzertsaal Bataclan und die Pariser Bars und Restaurants. Nun ist durch einen tödlichen Angriff auf einen Geschichtslehrer die Schule ins Visier der Islamisten geraten. Nicht zum ersten Mal, denn schon 2012 verübte Mohammed Merah ein Attentat auf eine jüdische Schule in Toulouse. Doch mit der Enthauptung eines Lehrers auf offener Straße ist eine neue Stufe der Barbarei erreicht. Ein 18-jähriger Tschetschene metzelte den 47-jährigen Samuel Paty brutal nieder, weil dieser im Unterricht die Mohammed-Karikaturen behandelt hatte.
Patys Tod zeigt, wie stark Islamisten auf den Unterricht Einfluss nehmen. Eltern wehren sich gegen das, was in den Klassenzimmern gelehrt wird. Ihre Kinder stören Geschichtsstunden über den Holocaust und lehnen die Evolutionslehre ab. Lange hatten die Regierungen das Problem geleugnet, das spätestens seit einem Expertenbericht 2004 bekannt ist. Inzwischen hat sich eine Mehrheit der jungen Muslime von der Republik verabschiedet: Laut einer Umfrage stellen 74 Prozent der Muslime unter 25 ihre religiösen Überzeugungen über die Werte der Republik.
Samuel Paty kämpfte genau gegen solche Einstellungen und bezahlte dafür mit seinem Leben. Tausende Menschen gingen deshalb am Sonntag auf die Straße. Doch es darf diesmal nicht bei Demonstrationen bleiben. Die Serie der islamistischen Gewalttaten und Einschüchterungen, die sich allein in den vergangenen Wochen ereignete, fordert eine klare Antwort im Alltag. Sie fordert den Mut, seine Meinung zu sagen. Den Mut, die Werte der Republik zu verteidigen. Die Widerstandsfähigkeit der Französinnen und Franzosen ist gefragt. Jeden Tag.