Bitte warm anziehen
Dereinst, wenn wir uns schenkelklopfend an diese merkwürdige Corona-Zeit erinnern, wenn die Altbestände von Nudeln und Klopapier endgültig aufgebraucht sind, werden wir Bilanz ziehen. Was wir gelernt haben über unseren Nächsten, werden wir uns fragen. Ob wir Corona danken sollen, oder es dafür verfluchen, dass wir nun wissen, wie manche Leute ticken. Jedenfalls wird es nicht mehr so sein, wie vorher.
Nehmen wir nur die Banalität des Lüftens! Während der Deutsche Mieterbund bereits seit den ausgehenden 1950er-Jahren gebetsmühlenartig das stoßweise Öffnen der Fenster gerade zur Winterzeit anpreist, wird erst das Virus dafür gesorgt haben, dass mit ihm auch der gemeine Hausschwamm für immer aus Fensterecken verschwindet. Jeder, der schon einmal ein Klassenzimmer nach zwei Doppelstunden Mathematik betreten hat, in dem Pubertierende sitzen, wird sich mit der herzhaft erfrischenden Situation regelmäßiger Sauerstoffzufuhr unschwer anfreunden.
In unseren zunehmend von den Amtskirchen abgewandten Zeiten bringt uns das Virus statt zu Stoßgebeten also zur Stoßlüftung. Nicht allein in Klassenzimmern gilt bis auf Weiteres: Fenster auf, warm anziehen und ohne Murren durchs Corona-Schlamassel, auch wenn’s bisweilen ein wenig zieht. Der Mieterbund jedenfalls hat’s ja schon immer gewusst. Und wie sagte schon der längst verblichene österreichische Erzähler, Novellist und Maler Adalbert Stifter? „Reine Luft, reines Wasser und mäßiges Leben, das ist die Apotheke des Herrgotts.“(nyf)