Plan für härtere Corona-Regeln an Schulen
Spahn stellt Konzept zur Eindämmung von Infektionen vor – Novemberhilfen laufen weiter
BERLIN (AFP/kab/dpa) - In der Debatte über Corona-Infektionen bei Schülern hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein neues Konzept vorgeschlagen, um die Schließung ganzer Schulen zu verhindern. „Für die Kinder und ihre Eltern ist es sehr wichtig, dass Schulen und Kitas offen bleiben“, sagte Spahn den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland im Vorfeld der neuen Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch. Der Minister schlug vor, dass bei Infektionsfällen sofort die gesamte betroffene Klasse zu Hause isoliert werden solle. „Nach negativen Schnelltests am fünften Tag könnten die Schülerinnen und Schüler wieder in die Schule zurückkehren“, sagte Spahn. „Ob das aus Sicht der Länder vor Ort umsetzbar ist, darüber müssen wir am Mittwoch sprechen“, fügte er hinzu. Es gelte, pragmatische Lösungen zu finden.
Für Baden-Württemberg wäre der Plan Spahns eine drastische Kehrtwende: Dort gilt von Klasse 5 an die Pflicht, Maske zu tragen und regelmäßig zu lüften. Werden diese Regeln eingehalten, müssen selbst Nebensitzer von infizierten Schülern nicht mehr in jedem Fall auf das Coronavirus
getestet werden – geschweige denn zu Hause bleiben.
Am Mittwoch wollen sich die Länderregierungschefs und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut mit den Corona-Regeln befassen. Zuletzt hatte es dabei wieder vermehrt Forderungen gegeben, die Lage an den Schulen verstärkt in den Blick zu nehmen. Im Hinblick auf das Treffen zeichnet sich auch ab, dass eine Verlängerung des Teil-Lockdowns um bis zu drei Wochen wahrscheinlich ist. Bundes- und viele Landespolitiker sehen keinen anderen Weg, Christdemokraten ebenso wie Sozialdemokraten. „Wir sind uns einig, dass schon viel erreicht wurde, aber nicht genug. Zwar konnte das exponentielle Wachstum ausgebremst werden, aber die Infektionszahlen sind weiterhin zu hoch“, sagt Berlins Regierender Bürgermeister und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller, am Sonntag.
Für den Fall einer Verlängerung des Teil-Lockdowns kündigte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) an, dass er die im November gezahlten Hilfen für Unternehmen in der aktuellen Form auf den Dezember ausweiten will.
BERLIN/LEIPZIG (dpa) - Aus Protest gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern sind am Wochenende Tausende Menschen in deutschen Städten auf die Straße gegangen. Allerdings traten ihnen teils auch Hunderte Gegendemonstranten entgegen, die etwa einen groß angekündigten „Schweigemarsch“durch Berlin mit Blockaden und anderen Störaktionen begleiteten. Leipzig wurde zwei Wochen nach der chaotischen „Querdenken“-Demo ebenfalls erneut zum Schauplatz für Proteste von Gegnern der Corona-Politik und Gegendemos.
Die Berliner Polizei bezifferte die Zahl der Teilnehmer am sogenannten Schweigemarsch vom Prenzlauer Berg zum zentral gelegenen Alexanderplatz mit rund 1000. Angemeldet worden waren fünfmal so viele. Die meisten Demonstranten trugen der Polizei zufolge Mund-NasenSchutz, vereinzelt habe es Strafanzeigen wegen mutmaßlich gefälschter Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht gegeben. Der Marsch bis in die Stadtmitte war begleitet von Protesten Hunderter Gegendemonstranten, teils aus dem linken Spektrum. Während die Teilnehmer des „Schweigemarschs“unter anderem einen Verzicht auf Impfungen forderten, machten Anwohner in Prenzlauer Berg mit Töpfen Lärm und bezogen Stellung mit Plakataufschriften wie „Kein Platz für CoronaLeugner“und „Abstand halten gegen
Rechts“. Rund 600 Polizisten waren im Einsatz, es kam vereinzelt zu vorläufigen Festnahmen. Vor dem Hintergrund der völlig aus dem Ruder gelaufenen „Querdenker“-Demo vor zwei Wochen in Leipzig war die Polizei dort am Samstag mit 1600 Beamten im Einsatz. Hunderte Menschen kamen zu einer Kundgebung von Gegnern der Corona-Politik auf dem Kurt-Masur-Platz, die aber kurzfristig vom Veranstalter abgesagt wurde. In der Innenstadt trafen gegensätzliche Lager immer wieder aufeinander und mussten von der Polizei voneinander ferngehalten werden.
Größtenteils friedliche Demonstrationen gab es am Wochenende auch in vielen anderen Städten, etwa in Frankfurt, Stuttgart, Pforzheim, Bochum und Cottbus. Bei einer „Querdenken“-Demo in Hannover hat eine junge Rednerin, die sich mit der NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl verglich, für einen Eklat gesorgt. Auf einem Video, das bei Twitter geteilt wurde, erklärte die Frau, sie fühle sich „wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten hier aktiv im Widerstand bin“. Zahlreiche Kommentatoren zeigten sich erschüttert und empört und sprachen von Geschichtsvergessenheit. Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte am Sonntag auf Twitter: Wer sich heute mit Sophie Scholl vergleiche, „verhöhnt den Mut, den es braucht, Haltung gegen Nazis zu zeigen“.