Corona-Leugner: Schulen unter Druck
E-Mails fordern Lehrer auf, sich Maskenpflicht zu widersetzen – Teils massive Störungen
- Bei einigen Schulen in der Stadt gehen derzeit Mails aus der Querdenker-Szene ein, die das Personal unter Druck setzen sollen. Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer werden davor gewarnt, die Maskenpflicht für Kinder und Jugendliche durchzusetzen – sie machten sich den Mails zufolge strafbar.
Auf die Welle solcher Mails sogenannter Corona-Leugner machte als erster OB Michael Beck aufmerksam, als er davon im Gemeinderat berichtete. Mehrere Schulleiterinnen und Schulleiter bestätigen die Mails, die nicht nur an den Schulen beziehungsweise deren Sekretariate eingehen, sondern teils auch an die Privatadressen. Die meisten Botschaften sind anonym verfasst, erklärt etwa Patricia Pulfer-Jauch, Chefin des IKG, die von „demagogisch verfassten Inhalten spricht.“
Konkret sei es so, dass beim Thema Corona derzeit viele Lehrerinnen und Lehrer den Eindruck haben, „dass manche Eltern weniger von der Sorge um ihr Kind getrieben werden, sondern einen seltsam irrationalen und sehr emotionalen Weg gehen. Für Argumente sind sie nicht mehr ansprechbar“, fasst auf Anfrage unserer Zeitung Stadt-Pressesprecher Arno Specht zusammen. Die Stadt ist Trägerin der meisten Schulen in der Kommune.
Dem Rathaus zufolge liegen diverse Mailanhänge oder postalische Schreiben (also mit Nennung des Absenders) vor, in denen es darum geht, Anträge, die zum Beispiel von der Website Klagepaten.eu vorformuliert sind, zu stellen: für jeden Schüler eine individuelle Gefährdungsbeurteilung des schulischen Arbeitsplatzes erstellen oder eine Untersuchung der zeitlichen Tragedauer für den Mund-Nasenschutz durchzuführen oder ähnliches. „Dabei werden rechtliche Schritte angedroht für den Fall der Nichtbeachtung, auch Fristen werden gesetzt oder die persönliche Haftung im Klagefall betont“, erläutert die Verwaltung weiter; der Grundton sei dabei „ziemlich aggressiv“und „habe nichts mit der bisher vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus zum Wohle der Kinder zu tun.“
Anonyme Briefe würden – auch an die postalische Privatadresse von Lehrerinnen und Lehrern, Rektorinnen und Schulleitern – geschickt, in denen wieder Druck aufgebaut werde, man sei verantwortlich und hafte persönlich, wenn die Kinder durch das Tragen der Maske krank würden oder schwerere Schäden bekämen; ein Vorgehen, dass die Stadt als „grenzwertig“einschätzt.
„Für Argumente sind sie nicht mehr ansprechbar.“
Das sagt Stadt-Pressesprecher Arno Specht über die Einstellung mancher Eltern zur Maskenpflicht in der Schule.
Aus Elternkreisen hat der Schulträger erfahren, dass die CoronaLeugner
dazu aufrufen, die Schulleitungen quasi mit solchen Anfragen zu überschwemmen, um deren Arbeit zu torpedieren und die Schulen durch die Androhung rechtlicher Schritte zu beschäftigen und unter Druck zu setzen.
Im Rathaus hat man den Eindruck, dass Schulleitungen und die Lehrkräfte dazu aufgerufen werden sollen, zu remonstrieren. Dieser Begriff des Beamtenrechts bedeutet, dass man sich gegen rechtlich falsche Dienstanordnungen eines Dienstherrn wehren soll. Diese Erfahrung hat auch das IKG gemacht, dessen Leiterin Patricia Pulfer-Jauch erläutert: „... da wir auf der Grundlage der
Corona-VO-Schule handeln und die entsprechenden Anordnungen für sinnvoll erachten, um die Gesundheit vieler Schülerinnen und Schüler, aber auch die der Lehrkräfte und Erziehungsberechtigten, soweit es in unserer Macht und Verantwortung steht, zu schützen, hat bisher noch keine Lehrkraft gegen die Mundschutzpflicht remonstriert.“
Und sie ergänzt: „In diesem Zusammenhang finde ich es wichtig, einmal festzuhalten, dass es nur sehr wenige Mundschutzgegner gibt, die auf sich aufmerksam machen wollen, dass aber die Mehrheit der IKGler mit den Maßnahmen einverstanden und froh ist, wenn wir das gesellschaftliche Leben soweit wie möglich aufrechterhalten oder hoffentlich bald auch wieder weitere Einrichtungen öffnen können. Für die meisten IKGler ist die Mundschutzpflicht das kleinere Übel und eine verständliche Maßnahme!“
Nicht alle Schulen sind von solchen Einwirkungen betroffen. Monika Kirschnick, Leiterin der Schillerschule, hat entsprechende Mails nicht erhalten; und auch der Rektor der Ludwig-Uhland-Realschule Matthias Funk-Baumgärtner weiß auf Anfrage nur von zwei Einzelfällen von Diskussionen um die Maskenpflicht zu berichten.
Fakt ist, dass das Thema an einigen Schulen zu erheblichen Belastungen führt. Insgesamt bekommt die Stadt aus Schulen die Rückmeldung, dass die Aktivitäten dieser Gruppierungen sehr viel Zeit binden – Zeit, die für andere dringend notwendige Arbeiten in dieser Pandemie dann fehlt.“Ein Schulleiter bestätigt die Vorfälle zwar, will aber anonym bleiben, weil er wieder Shitstorm und Mobbing befürchtet, wenn sein Name und der seiner Schule in der Öffentlichkeit genannt werden.