Der Fahrkartenautomat als Königsdisziplin
Neuer Studiengang am Campus Tuttlingen soll das Zusammenspiel von Mensch und Maschine verbessern
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TUTTLINGEN - Der Fahrkartenautomat ist nicht intuitiv bedienbar, in der Videokonferenz ist alles furchtbar unübersichtlich und der Drucker macht ohnehin, was er will. Die Interaktion von Mensch und Maschine bietet viele Fallstricke. Wie man zumindest einige davon umgehen kann, soll ab dem kommenden Sommersemester am Campus Tuttlingen der Hochschule Furtwangen erforscht werden. „Human Factors“heißt der neue Masterstudiengang, in dem sich künftig Studierende mit der Schnittstelle von Ingenieurwissenschaften und Psychologie beschäftigen.
Betreut wird er von Studiendekan Prof. Dr. Stefan Pfeffer. Er wird auch die Module „Human Factors Design“und „Virtuelle Ergonomie“unterrichten. „Wir beschäftigen uns unter anderem mit den Bereichen Produktentwicklung, Komfort und Ergonomie“, erläutert Pfeffer. Absolventen des neuen Studiengangs lernen zum Beispiel, wie ein Skalpell geformt sein muss, damit es auch bei langen Operationen gut in der Hand liegt oder wie ein Fahrzeug aufgebaut sein muss, damit es sich angenehm und vor allem sicher fahren lässt. „Das sind Risikobereiche, hier ist der Human Factor schon fast ein verpflichtendes Element“, so Pfeffer.
Wichtig sei, „für den Menschen zu denken“. Benötigt werden „Kreativität, komplexes Denken und Lösungsorientierung“, so Pfeffer. 15 Studienplätze soll es geben.
Auf einen davon will sich auch Alexander Weber bewerben. Er studiert aktuell Ingenieurspsychologie im siebten Semester in Tuttlingen und arbeitet an seiner Bachelorarbeit. Dass ihn dieser Bereich besonders interessiert, habe er in seinem Praxissemster entdeckt. „Manche Firmen sind in dem Bereich nicht gut oder noch gar nicht aufgestellt“, berichtet der Student.
Insgesamt steht Deutschland aber gut da. „Im internationalen Vergleich sind wir da gut mit dabei“, bestätigt Professor Pfeffer. Große Firmen berücksichtigen den Bereich Human
Factors häufiger. Die Mittelständler ziehen langsam nach. In Bewerbungsgesprächen habe er oft erläutern müssen, was genau der Schwerpunkt seines Studiums sei, so Alexander Weber. „Sobald ich das erklärt habe, heißt es oft: Oh super, das ist genau, was wir suchen“, erzählt Weber.
Im Zentrum des Studiengangs Human Factors steht die Frage: Was will der Nutzer? Das soll sowohl durch Befragungen, aber auch durch objektive Messungen herausgefunden werden. Einen großen Einfluss spielen unter anderem dabei Faktoren wie Alter, Nationalität und Geschlecht. Das Setting in einem OPSaal sei zum Beispiel häufig auf große und männliche Benutzer ausgerichtet, hier gelte es, modulare Systeme zu entwickeln, die alle Benutzergruppen berücksichtigen, so Pfeffer.
Das sei bei manchen Geräten besonders schwierig: „Ein Fahrkartenautomat
am Bahnhof ist da die Königsdisziplin – da sind nämlich alle dran“, sagt Pfeffer. Gleichzeitig ist er überzeugt: „Wir haben die Pflicht, uns mit diesem Thema zu beschäftigen. Die Leute, die nichts mit Technik anfangen können, dürfen wir nicht zurücklassen.“
Der Masterstudiengang beginnt ab dem Sommersemester 2021, die Bewerbungsfrist endet am 15. Januar 2021. Er besteht aus drei Semestern. Inhaltlich baut er auf dem Bachelorstudiengang Ingenieurspsychologie auf, ist aber unter Auflagen auch für Studierende anderer Fachrichtungen zugänglich. Weitere Informationen auf der Homepage der Hochschule Furtwangen, Campus Tuttlingen unter hfu-campus-tuttlingen.de/ studiengaenge/human-factorsmaster