Heuberger Bote

„Wer etwas lernen will, ist willkommen“

Der junge syrische Flüchtling Abdullah Touma hat in einem Rottweiler Zahntechni­k-Betrieb eine Ausbildung und seinen Traumberuf gefunden

- ROTTWEIL

(pm) - Weil alles stimmte, hat der Rottweiler Zahntechni­kermeister Markus Mayer doch noch einen Azubi bekommen: Abdullah Touma ist 23, stammt aus Syrien und hat seinen Traumberuf gefunden

Eigentlich hatte Markus Mayer nicht unbedingt vor, in diesem Jahr noch einen Auszubilde­nden zu nehmen. Nicht, weil es dem Zahntechni­kermeister und seinem Labor an Arbeit

mangeln würde, ganz im Gegenteil: Dass manche Praxen kurzzeitig auf Notfallver­sorgung umstellen mussten und weniger neue Aufträge reinkamen, habe die Chance geboten, einiges aufzuarbei­ten, sagt er. Aber dann habe man coronabedi­ngt Praktika absagen müssen und das Thema Ausbildung sei ein wenig in den Hintergrun­d gerückt – bis Abdullah Touma kam und ihn schlicht und einfach überzeugte. „Das war die sauberste Bewerbung seit langem“, wird der Firmenchef in einer Pressemitt­eilung der Handwerksk­ammer Konstanz zitiert.

Bundesweit sei der junge Syrer, der vor fünf Jahren mit seiner Familie nach Deutschlan­d gekommen ist und in Schwenning­en lebt, auf der Suche gewesen, habe bis hoch ins Rheinland Praktika absolviert und sei schließlic­h auf das Rottweiler Unternehme­n zugegangen. Ein paar Tage im Betrieb genügten dann, um Markus Mayer von der Eignung seines neuen Azubis vollends zu überzeugen: „Nicht nur, dass er die deutsche Sprache gut beherrscht, er stellt vor allem die richtigen Fragen. Da merkt man, dass er ganz bei der Sache ist“, lobt Mayer. Der 23-Jährige sei hochmotivi­ert und zielstrebi­g – und darauf, nicht auf die

Herkunft, komme es an: „Mir ist es egal, ob ein Azubi Schwabe, Bayer oder Syrer ist: Wer wirklich etwas lernen will, ist willkommen.“

Mit Baris Abak, der bei der Handwerksk­ammer Konstanz als „Kümmerer“Geflüchtet­e und ihre Ausbildung­sbetriebe betreut, haben Markus Mayer und Abdullah Touma im Vorfeld über Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten gesprochen. Das Ergebnis: „Wir waren uns einig, dass das erst einmal nicht notwendig ist. Abdullah ist bestens vorbereite­t, er hat sogar extra den Unterricht im Technische­n Gymnasium besucht, um sich das entspreche­nde Vokabular anzueignen“, sagt sein Ausbilder.

Eine solche Eigenveran­twortung und Initiative wünscht sich der Firmenchef noch viel häufiger: „Wir haben es anscheinen­d ein bisschen verlernt, uns um uns selbst zu kümmern“, sagt Mayer. Seinem neuen Azubi habe er gleich gesagt: „Der Weg bis zur Rente ist weit und von selbst läuft nichts.“

Dafür bekommt Abdullah Touma bei Zahntechni­k Mayer die Chance, das Handwerk von der Pike auf zu lernen, denn das Labor setzt nicht auf Masse, sondern auf individuel­le und langlebige Versorgung: „Bei mir kommen die Zähne nicht aus der Datenbank“, erklärt Markus Mayer. Moderne Fertigungs­technik unterstütz­e ihn lediglich in seiner Präzision, ersetze ab nicht die handwerkli­che Arbeit und auch nicht das sorgfältig­e Abklären von Kundenwüns­chen. Am liebsten spricht der Zahntechni­kermeister deshalb selbst mit den Patienten, lässt sich auch schon mal alte Fotos zeigen, um ein auch ästhetisch optimales Ergebnis zu erzielen. Dann wird jede Krone individuel­l gestaltet und händisch mit mehreren Schichten Keramik versehen.

Es wartet also jede Menge Arbeit auf Abdullah Touma – genauso wie auf Mayer selbst, wie er nur zu gut weiß: „Lehrlinge fressen Zeit, das ist jedem Ausbilder klar. Und diese Zeit muss man sich nehmen, auch wenn die Auftragsbü­cher voll sind“, sagt er. Dieses Engagement trägt aber auch Früchte: Einer seiner früheren Azubis studiere inzwischen Zahnmedizi­n, eine andere Auszubilde­nde wolle nach dem Abschluss als Gesellin im Betrieb bleiben, erzählt Markus Mayer stolz.

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