Tierschutzaktivisten für Sonderbehörde
Minister Hauk stellt Maßnahmenpaket vor – Tierrechtler fordern neue Kontrollbehörde
(lsw) - Nach dem Schlachthof-Skandal in Biberach, dem dritten in drei Jahren im Südwesten, fordern Tierschützer und Tierärzte Reformen bei den Betriebskontrollen. Die Tierärztekammer drängt auf schnelleres Handeln bei Missständen, auf besser geschultes Personal und durchgängige Videoüberwachung in Schlachthöfen. Die Aktivisten der Soko Tierschutz fordern eine Kontrollbehörde auf Landesebene nach bayerischem Vorbild. Die Landratsämter seien nicht unabhängig genug.
- Agrarminister Peter Hauk (CDU) hat nach mutmaßlichen Tierschutzverstößen im Schlachthof Biberach erste grundsätzliche Maßnahmen angekündigt. In einer Sondersitzung des Agrarausschusses sagte Hauk: „Meine Geduld ist erschöpft.“Vorwürfe, sein Haus vernachlässige den Tierschutz systematisch, wies er jedoch erneut zurück. Bei den Vorfällen in Biberach handle es sich um „menschliches Fehlverhalten“. Unterdessen fordern Tierschützer eine neue Kontrollinstanz nach bayerischem Vorbild.
Künftig soll unter anderem eine neue Koordinierungsstelle im Ministerium die Zusammenarbeit zwischen den Kontrollbehörden verbessern, mit einem neuen Förderprogramm sollen gezielt regionale Schlachthöfe bei Investitionen unterstützt werden. Schlachthofbetreiber sollen außerdem die Möglichkeit haben, in ihren Betrieben freiwillig Videokameras aufzuhängen – und die Aufnahmen den Behörden zur Verfügung zu stellen. Jedes Veterinäramt soll um eine Stelle verstärkt werden, das Kontrollpersonal soll häufiger rotieren, außerdem will sich Hauk für ein bundesweites Prüfund Zulassungsverfahren für Betäubungsanlagen einsetzen.
Mit den Maßnahmen will der Agrarminister die Zustände auf baden-württembergischen Schlachthöfen in den Griff bekommen. Nach Tierschutzskandalen an den Schlachthöfen in Tauberbischofsheim (2018) und Gärtringen (2020) hatte die Organisation Soko Tierschutz am Montagabend Videoaufnahmen aus dem Schlachthof Biberach veröffentlicht. Sie zeigten unter anderem, wie die Tötung von Rindern durch fehlerhafte Bolzenschussgeräte unnötig in die Länge gezogen wurde. Das Kreisveterinäramt Biberach hatte die Vorwürfe am Mittwoch bestätigt. Der Betrieb wurde auf Hauks Anordnung vorerst geschlossen. „Bevor ich in dieser Woche die Bilder aus Biberach gesehen habe, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Menschen so mit Tieren umgehen“, sagte Hauk in der Sondersitzung.
Er selbst sieht sich wegen der Verstöße Rücktrittsforderungen durch die SPD-Landtagsfraktion sowie Kritik mehrerer Oppositionspolitiker ausgesetzt. Hauk wies diese erneut zurück. Er habe erst am Dienstag von den Zuständen in Biberach erfahren.
„Für die Schlachtung trägt die erste Verantwortung der Betreiber des Schlachthofs, für die Kontrolle sind die unteren Verwaltungsbehörden zuständig. Wir schreiten ein, sobald wir von Missständen erfahren“, sagte er.
Jonas Weber, tierschutzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, warf dem Agrarminister Augenwischerei vor. Die vorgestellten Maßnahmen seien nicht neu, sie seien nur bisher nicht umgesetzt worden. „Sie sagen über Jahre, es gebe keine eklatanten Mängel an den Schlachthöfen. Und jetzt legen Sie uns hier alte Maßnahmen vor? Diese Ideen sind in weiten Teilen bekannt. Was haben Sie denn in den letzten zweieinhalb Jahren gemacht?“
Zustimmung für die Pläne kam dagegem vom Koalitionspartner. „Wir begrüßen es, dass Minister Hauk jetzt aktiv wird, um Missstände in den Schlachthöfen im Land abzustellen“, sagte Thekla Walker, tierschutzpolitische Sprecherin der
Grünen. Darüber hinaus brauche man ein Gesamtkonzept zur Zukunft der Schlachtung – mit Blick auf maximales Tierwohl und die Sicherung einer krisenfesten Infrastruktur. Dieses könnte an einem runden Tisch „Schlachthof der Zukunft“erarbeitet werden, hier könnte Baden-Württemberg Vorreiter sein.
Aktivisten der Soko Tierschutz fordern derweil eine Kontrollbehörde auf Landesebene. „Wir müssen weg von den überforderten, unfähigen und leider häufig sozial korrumpierten Landratsämtern, hin zu souveränen, überregional agierenden Behörden, in denen Expertise, Befugnisse und Schlagkraft gebündelt werden”, sagt Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz. Vorbild einer solchen Sonderbehörde könnte Bayern sein. Dort gibt es seit 2018 die sogenannte Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, die für die Kontrolle von Schlacht- und Mastbetrieben zuständig ist.
Die Landratsämter sind aus Sicht der Tierschützer bei ihrer Aufsicht bislang nicht unabhängig genug. Durch die bayerische Behörde sei dort „massiver Druck auf die Branche“entstanden. Der bayerische Weg bei der Kontrolle von Großbetrieben sei deshalb ein Vorbild .
Von einer solchen Behörde war von Seiten des Agrarministers bislang keine Rede. Hauk will sein Maßnahmenbündel am Freitag unter anderem baden-württembergischen Schlachthofbetreibern vorstellen. Außerdem will er ihnen ins Gewissen reden.
„Dass jetzt zum dritten Mal solche Mängel an Schlachthöfen aufgetreten sind, lässt nicht zur Annahme verleiten, dass die Schlachthofbetreiber ein besseres Bewusstsein für die Situation entwickelt haben“, sagte er. Es seien jedoch auch die Verbraucher in der Pflicht. Wer mehr Tierwohl an den Schlachthöfen möchte, müsse auch höhere Fleischpreise akzeptieren.