(Jahres-)Wechsel in den USA
Zwei Spaichinger in den USA über die Stimmung in den letzten Wochen der Trump-Administration
Spaichinger berichten aus den USA in den letzten Tagen von Präsident Trump.
- Rund um die US-Präsidentschaftswahl haben wir die beiden gebürtigen Spaichinger Manuel Merkt und Björn Penning, die seit vielen Jahren in den USA leben, um ihre Eindrücke und Einschätzungen aus dem politisch und gesellschaftlich polarisierten Land gebeten. Kurz vor dem Jahreswechsel hat unser Redaktionsmitglied Frank Czilwa noch einmal mit den beiden gesprochen.
Noch knapp drei Wochen lang ist Donald Trump Präsident der USA. Immer noch behaupten er und seine Anwälte, dass der Sieg Joe Bidens und die Niederlage Trumps in der Präsidentschaftswahl auf massivem Wahlbetrug beruhe. Doch nach wie vor können sie keine gerichtsfesten Beweise dafür vorlegen. Dennoch glauben ihnen viele Amerikaner – vor allem republikanische Wähler. Wenn Manuel Merkt durch die eher ländlichen Bezirke rund um Franklin, Wisconsin, fährt, wo er in der Niederlassung der Maschinenfabrik Berthold Hermle AG aus Gosheim arbeitet, dann sieht er immer noch viele Trump-Flaggen und -Aufsteller in den Gärten stehen. Anders als in Deutschland tragen die Menschen hier ihre politische Einstellung offensiv nach außen und zeigen auf Autos, T-Shirts und an ihren Häusern, wen sie wählen und wie ihre politische Einstellung ist.
Einige Trump-Wähler, die Manuel
Merkt darauf angesprochen hat, hielten das Wahlergebnis immer noch für Betrug. „Präsident Biden wird sicher eine schwere Zeit haben, sich zu Beginn durchzusetzen“, befürchtet Merkt. „Er wird schon auf viel Gegenwind stoßen. Gerade bei den Wählern von Trump.“
Dennoch hofft Manuel Merkt, – wenn Corona einmal überwunden sein wird und wieder ein bisschen Alltag einkehrt – dass sich dann auch die Gemüter wieder ein wenig beruhigen. Denn Corona hat sich in der ohnehin schon politisch und gesellschaftlich polarisierten Atmosphäre als weiterer Brandbeschleuniger erwiesen. „Wie ich das hier in den USA so mitbekomme, ist in der CoronaKrise der gesundheitliche Aspekt schnell in den Hintergrund getreten; das Ganze wurde leider sehr schnell politisiert.“Man kann die Anhänger der beiden Parteien praktisch daran unterscheiden, ob sie Mund-NaseMasken tragen (Demokraten) oder nicht (Republikaner).
Wenn dagegen Björn Penning, in Ann Arbor im Bundesstaat Michigan, wo der 42-jährige Teilchenphysiker Professor an der University of Michigan ist, in der Öffentlichkeit, beim Joggen oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, dann sieht er inzwischen eigentlich nur noch disziplinierte Maskenträger. Kein Wunder: Die Universitätsstadt mit gut 120 000 Einwohnern ist fest in demokratischer Hand. „In dem Ort, wo ich wohne, liegt die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuansteckungen pro 100 000 Einwohner bei 19“, so Penning. Allerdings macht er sich Sorgen um seine Doktoranden in South Dakota, „wo schon fast eine Durchseuchung der Bevölkerung herrscht“.
Aus seinem Bekanntenkreis kennt Björn Penning keinen, der an die Geschichte mit dem angeblichen Wahlbetrug glaubt. „Diejenigen, die an diesen hahnebüchenen Unsinn glauben, gehören nicht zu den Leuten, mit denen ich hier interagieren würde. Die Einzigen, die ich persönlich kenne, und die auf Facebook die Verschwörungstheorien verbreiten, sind schockierender Weise Deutsche, die in Deutschland leben.“
Er hat jedoch in der New York Times gelesen, dass über 70 Prozent der Republikaner tatsächlich an Wahlbetrug glauben. „Ich will das jetzt nicht relativieren. Aber das bedeutet immer noch, dass die Mehrheit der Bevölkerung weiter auf jeden Fall auf Bidens Seite ist.“
Die Ränder des politischen Spektrums seien eben immer besonders laut – auch in Deutschland. „Man sieht das ja auf Facebook.“Aber letztlich, so Björn Penning, „wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird“.
„Im Prinzip ist das hier in den USA eine sehr zivile Gesellschaft“, betont Penning, „anders als dies in deutschen Medien oft falsch dargestellt wird.“Es sei keineswegs so, dass in den USA Jeder eine Waffe trüge und die Leute aufeinander schießen. Die von manchen Pessimisten vorausfantasierten „bürgerkriegsähnlichen Zustände“rund um die Wahl hat es nicht gegeben. „Ich bin überrascht, wie ruhig es die letzten paar Wochen war“, stellt auch Manuel Merkt fest. Auch in den sozialen Netzwerken seien die hitzigen politischen Diskussionen eher abgeebt.
Natürlich gäbe es an den Rändern der Gesellschaft auch „Durchgeknallte“, so Björn Penning, wie die rechtsradikalen Milizen, die gerade in Michigan stark sind. Aber das größte Problem sieht Penning eher in den „Zynikern“unter den Politikern, die zwar ganz genau wüssten, dass es den Wahlbetrug so nie gegeben hat, die sich aber nicht öffentlich gegen diese Behauptungen stellen, weil sie ihre Wahlchancen nicht vermindern wollen.
Dass Donald Trump 2024 noch einmal zur Präsidentschaftswahl antritt, glaubt Manuel Merkt in Wisconsin eher nicht. „Aber ich weiß natürlich nicht, was noch kommt. Trump ist schwer berechenbar. Ich könnte mir schon vorstellen, dass er oder jemand aus seinem Kreis wieder antreten würde.“Björn Penning hält ein großes politisches Comeback
Trumps nicht für wahrscheinlich: „Der Kaiser hat keine Kleider. Solange er auf dem Thron sitzt, sagt das aber noch niemand.“
Auch in Michigan und Wisconsin haben inzwischen die Corona-Schutzimpfungen begonnen. „Es gibt zwei, drei Leute in meinem Bekanntenkreis, die im Krankenhaus arbeiten, und schon geimpft sind“, berichtet Manuel Merkt aus Wisconsin. „Die Infrastruktur ist hier gut aufgebaut.“Björn Penning, der die Presse aus den USA, Deutschland und Großbritannien aufmerksam verfolgt – in allen drei Ländern hat er gelebt –, stellt fest, dass die Priorisierungen eigentlich überall die gleichen sind: Als erstes sind die Älteren, die Risikogruppen und die Pflegekräfte dran. Zu Anfang der Corona-Maßnahmen, so Penning, habe es noch ein paar Demonstrationen und Proteste dagegen „mit ein paar hundert Leuten“gegeben. Aber seit ein paar Monaten – so sein subjektiver Eindruck – spielt das keine Rolle mehr. „,Wutbürger’, das ist schon eine sehr deutsche Geschichte.“
Impfskepsis sieht er in den USA nicht so sehr bei Verschwörungstheoretikern, als vielmehr in den „communities of color“, die in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit dem US-Gesundheitssystem gemacht haben, als Afroamerikaner zum Beispiel als „Versuchskaninchen“für die berüchtigte TuskegeeSyphilis-Studie missbraucht wurden. Auch Jahrzehnte später wirkt das Misstrauen nach.
Jetzt um die Weihnachtszeit haben aber die leuchtenden Weihnachtsdekorationen erst einmal die politischen Bekundungen wieder in den Hintergrund gedrängt. „Ich habe den Eindruck, dass die Häuser dieses Jahr im Lockdown noch viel mehr beleuchtet sind als sonst“, stellt Manuel Merkt fest. „Alle wollen sich mit der Weihnachtsdeko übertrumpfen.“