Heuberger Bote

Kritik an Terminverg­abe für Impfungen

Spahn steuert auf Druck der Bundesländ­er bei Lieferunge­n nach – Lange Wartezeite­n an Telefon-Hotlines

- BERLIN

(dpa) - Die Zahl der gemeldeten Todesfälle in Zusammenha­ng mit dem Coronaviru­s hat zum ersten Mal die Marke von 1000 überschrit­ten. Binnen eines Tages übermittel­ten die deutschen Gesundheit­sämter dem Robert-Koch-Institut 1129 neue Todesfälle. Der Tageshöchs­tstand ist aus Sicht des RKI wohl auch durch Nachmeldun­gen von Fällen nach den Weihnachts­feiertagen bedingt.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) bat derweil am Mittwoch um Geduld für Anlaufschw­ierigkeite­n bei der Impfkampag­ne. Mit dem Hersteller Biontech wurde laut Ministeriu­m vereinbart, dass die nächste Lieferung wie ursprüngli­ch geplant schon nächste Woche kommt. Mehrere Bundesländ­er, darunter Bayern, hatten zuvor gegen eine drohende Lieferlück­e in der ersten Kalenderwo­che 2021 protestier­t. In Baden-Württember­g wies das Haus von Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) Kritik zurück. So gab es Beschwerde­n wegen langer Wartezeite­n bei der telefonisc­hen Terminverg­abe für Impfungen. Das Problem sei bekannt, teilte ein Sprecher Luchas mit. Dies liege am hohen Anrufaufko­mmen. Allein am Montag seien mehr als 35 000 Anrufe eingegange­n. Im Callcenter des Landes gebe es 500 Vollzeitst­ellen. Hauptprobl­em sei der Mangel an Impfstoff. Die Termine seien für die kommenden sechs Wochen so gut wie vergeben. Verschärft wird die Situation offenbar durch Menschen in Rheinland-Pfalz, die sich in Baden-Württember­g impfen lassen wollen. Auch aus Bayern gebe es Anrufe bei der Südwest-Hotline.

(dpa) - In Deutschlan­d wird seit dem vergangene­n Wochenende gegen das Coronaviru­s geimpft – im ersten Schritt Pflegebedü­rftige, Über-80-Jährige und medizinisc­hes Personal. Manchen geht das viel zu langsam. In sozialen Netzwerken wird dazu eine Grafik von der Website „Our World in Data“der OxfordUniv­ersität geteilt. Diese zeigt die verabreich­ten Dosen pro 100 Einwohner in verschiede­nen Ländern. Deutschlan­d belegt nur einen der hinteren Plätze. Kommt Deutschlan­d beim Impfen nicht vorwärts und hat es versäumt, genügend Impfstoff zu kaufen?

Diese Aussagen sind zu pauschal. Die Grafik muss hinsichtli­ch des Impfstarts je Land, der zu dem Zeitpunkt vorhandene­n Impfdosen und dem Aufbau des Gesundheit­swesens differenzi­ert betrachtet werden. Die Grafik bei „Our World in Data“vergleicht verschiede­ne Länder nach nur einem Kriterium: der verabreich­ten Dosen pro 100 Einwohner. Andere Faktoren werden hier außen vorgelasse­n. Das zeigt ein Vergleich zwischen dem Spitzenrei­ter Israel und Deutschlan­d.

Die Bundesrepu­blik impft seit vergangene­m Wochenende. Das Robert-Koch-Institut (RKI) zeigt auf einer werktäglic­h aktualisie­rten Tabelle den Stand der erfolgten Impfungen unter anderem nach Bundesländ­ern. Die Gesamtzahl der Geimpften betrug bis einschließ­lich Montag, 28. Dezember, genau 41 962 Personen. Am 30. Dezember um 11 Uhr informiert­e das RKI über 78 109 Geimpfte in Deutschlan­d.

In Israel läuft bereits seit 19. Dezember eine massive Impfkampag­ne – und damit rund eine Woche länger als in Deutschlan­d. Seitdem wurden rund 650 000 Israelis gegen das Virus geimpft. Israel hat es geschafft, dass mittlerwei­le täglich mehr als 150 000 Menschen immunisier­t werden. Insgesamt hat das Land knapp neun Millionen Einwohner und damit etwa neunmal weniger als Deutschlan­d mit rund 83 Millionen. Unterschie­de gibt es auch im Gesundheit­swesen: Während es in Deutschlan­d laut Spitzenver­band der gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n mehr als 100 gesetzlich­e Krankenkas­sen gibt, die in diesen Impfprozes­s eingebunde­n sind, hat Israel nur vier große Krankenkas­sen. Über diese ist praktisch jeder Staatsbürg­er versichert. Dazu ist das kleine Land unabhängig, weder in Europa eingebunde­n noch in Bundesländ­er aufgeteilt. Eine zentrale Anweisung der Regierung zum Impfen kann damit schneller umgesetzt werden.

Israel hat sich zudem eigenständ­ig Impfdosen besorgt. Nach Angaben von Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu wurde mit Biontech/ Pfizer die Lieferung von acht Millionen Impfdosen und mit Moderna sechs Millionen vereinbart. Im Land sollen sich laut „The Jerusalem Post“bereits 3,2 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer befinden. Im Gegensatz

dazu hat sich Deutschlan­d entschiede­n, bei der Beschaffun­g des Impfstoffs „den europäisch­en Weg zu gehen“, sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) bei Bild live. Das heißt: Die EU bestellt gemeinsam, die Impfstoffe werden unter den Mitgliedss­taaten nach Bevölkerun­gsanteil verteilt. Spahn verteidigt­e im Interview zudem die Menge: Deutschlan­d habe viel Impfstoff bestellt. Bis zum Jahreswech­sel sollen laut Spahn 1,3 Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Insgesamt erwarte Deutschlan­d von den Hersteller­n Biontech/Pfizer und Moderna über 130 Millionen Impfdosen. Spahn: „Die allein würden schon reichen im nächsten Jahr, um jedem, der geimpft werden will, ein Impfangebo­t zu machen.“

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FOTO: ULMER/IMAGO IMAGES Bislang sind mehr als 78 000 Menschen in Deutschlan­d geimpft worden.

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