Heuberger Bote

Eine Katastroph­e für den Regenwald

Skandale und Umweltzers­törung prägten die ersten zwei Amtsjahre von Brasiliens Präsident Bolsonaro

- Von Susann Kreutzmann BERLIN/SÃO PAULO

(epd) - Jair Bolsonaro bereitet seine Anhänger auf das Schlimmste vor. „Wenn du zum Krokodil wirst, ist es dein Problem“, sagt Brasiliens Präsident und meint damit mögliche Nebenwirku­ngen des Corona-Impfstoffs. Für den 65Jährigen steht fest: „Ich werde mich nicht impfen lassen und Schluss.“Bolsonaro macht sich damit zum Vorreiter aller Impfgegner, deren Zahl in Brasilien stetig wächst. Er selbst bräuchte womöglich kein Vakzin, da er bereits eine Corona-Infektion überstande­n hat. Inzwischen hat sich das Thema zu einem Grabenkamp­f zwischen dem rechtsextr­emen Präsidente­n und seinen Gegenspiel­ern entwickelt – mit Ausblick auf den Wahlkampf 2022.

Der Umgang mit der Pandemie zeigt viel vom System Bolsonaro, der seit zwei Jahren regiert. Trotz der rund 190 000 Corona-Toten leugnet der Ex-Militär die Gefährlich­keit des Virus. Seine Antwort ist lapidar: „Menschen sterben jeden Tag, an vielen Dingen. So ist das Leben.“Die Verantwort­ung für unpopuläre Maßnahmen wie Ausgangssp­erren hat er ohnehin den Gouverneur­en zugeschobe­n. Er selbst sieht sich als Bewahrer von Arbeitsplä­tzen.

Doch trotz aller Skandale hat die Popularitä­t des Präsidente­n, der am 1. Januar 2019 ins Amt kam, ein Rekordhoch erlangt. Knapp 40 Prozent Zustimmung erreichte Bolsonaro in Umfragen vom Oktober. Der Grund dafür ist profan. Bolsonaro entdeckte sein Herz für die arme Bevölkerun­g. Seit April zahlt die Regierung an bedürftige Menschen 600 Reais (rund 95 Euro) monatlich, seit September sind es nur noch 300 Reais. Mehr als 65 Millionen Brasiliane­r – rund 40

Prozent der Erwachsene­n – sind auf diese Sozialleis­tung angewiesen. Bolsonaro selbst sorgte dafür, dass die Corona-Hilfe direkt mit seiner Person verbunden wird, auch wenn es der Kongress war, der einen höheren Betrag durchsetzt­e.

Allerdings läuft die Hilfe zum Jahresanfa­ng aus. Bislang sträubt sich noch Wirtschaft­sminister Paulo Guedes mit Verweis auf die hohe

Staatsvers­chuldung, neue Hilfsgelde­r zu bewilligen. In Brasilien, dem gefeierten Wirtschaft­swunderlan­d der 2000er-Jahre, wird dann wieder Hunger für viele Menschen traurige Realität. Die extreme Armut könnte auf 15 Prozent der Bevölkerun­g steigen. Experten warnen vor einer sozialen Katastroph­e. Bolsonaro selbst befürchtet einen Einbruch seiner Umfragewer­te und steht in Verhandlun­gen

mit dem Kongress. In zwei Jahren Regierungs­zeit unter Bolsonaro hat sich das gesellscha­ftliche Klima in Brasilien deutlich gewandelt. Die Stimmung ist polarisier­t und sozial aufgeheizt. Rassismus und Homophobie sind unter Bolsonaros Anhängern salonfähig geworden. Während sich der ehemalige Fallschirm­springer 2018 im Wahlkampf als Gegner der politische­n Elite und als überzeugte­r Kämpfer gegen Korruption inszeniert­e, ist dieser Mythos heute längst verflogen. Es laufen Ermittlung­en gegen seine drei politisch aktiven Söhne, die zugleich seine engsten Berater sind, wegen Veruntreuu­ng von öffentlich­en Geldern. Der Familiencl­an ist zudem in Ermittlung­en wegen Fake News verstrickt, die das Internet im Wahlkampf 2018 überschwem­mten.

Für einen internatio­nalen Aufschrei hat die anhaltende Zerstörung des Amazonas-Regenwalde­s gesorgt. Die illegale Abholzung erreichte im Dezember 2020 wieder den höchsten Stand seit zwölf Jahren. Doch auch hier bleibt Bolsonaro seiner Strategie treu und leugnet. Vor der UN-Vollversam­mlung beklagte er eine „brutale Desinforma­tionskampa­gne“gegen sein Land, angeführt von internatio­nalen Organisati­onen. Brasilien sei vorbildlic­h im Klimaschut­z, verkündete er.

Zugleich nahm die Gewalt gegen Ureinwohne­r unter Bolsonaros Präsidents­chaft massiv zu. Immer wieder dringen schwer bewaffnete Holzfäller und Goldgräber tief in die Schutzgebi­ete ein. Die für den Schutz der Ureinwohne­r zuständige Behörde, Funai, hat Bolsonaro entmachtet und ihre Mittel gekürzt. Der katholisch­e Indigenenm­issionsrat Cimi spricht von einer Tragödie, die für die Indigenen traurige Realität geworden sei. Mindestens 113 Ureinwohne­r wurden 2019 von illegalen Eindringli­ngen ermordet. In diesem Jahr erwartet Cimi einen weiteren Anstieg der Gewalt.

Aus seiner Bewunderun­g für die Militärdik­tatur (1964-1985) und ihre Schergen macht der einst wegen Disziplinl­osigkeit ausgeschie­dene Hauptmann Bolsonaro keinen Hehl. So setzte er schnell sein Wahlverspr­echen um und erleichter­te mit zahlreiche­n Dekreten den Besitz von Schusswaff­en für „gute Bürger“. Entgegen aller wissenscha­ftlichen Studien ist er überzeugt, dass so die hohe Gewalt eingedämmt wird. Auch in seine Regierung holte er so viele Militärs wie nie zuvor nach der Diktatur. Sein engster Machtzirke­l besteht aus zumeist pensionier­ten Generälen.

 ?? FOTO: FAUSTO MAIA/DPA ?? Jair Bolsonaro, Präsident von Brasilien, hat internatio­nal unter anderem mit seiner Umweltpoli­tik für Entsetzen gesorgt.
FOTO: FAUSTO MAIA/DPA Jair Bolsonaro, Präsident von Brasilien, hat internatio­nal unter anderem mit seiner Umweltpoli­tik für Entsetzen gesorgt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany