Heuberger Bote

„Mir war es nicht einen Tag langweilig“

Zurück von der Antarktis-Expedition: Thomas Schad über Heimat, Corona und weitere Pläne

- KOLBINGEN

- Als Elektrotec­hniker hat Thomas Schad gut ein Jahr lang auf der Neumayer-Station-III in der Antarktis gelebt und gearbeitet. Seit Februar ist der Kolbinger wieder Zuhause. Unserer Redakteuri­n Linda Seiss erzählt er, wie er sich nach der langen Zeit im ewigen Eis wieder eingelebt hat, was er heute macht und inwiefern Corona auch die Arbeit der Forscher in der Antarktis beeinfluss­t.

Herr Schad, Sie sind nun seit fast einem Jahr wieder zurück aus der Antarktis. Wie haben Sie sich in der Heimat eingelebt? Was machen Sie jetzt aktuell?

Eingelebt habe ich mich relativ schnell wieder. Das ging tatsächlic­h nur ein paar Tage. Da dann bald auch Corona gekommen ist, war der Unterschie­d auch gar nicht mehr so riesig. Die größte Umstellung war, dass man, wenn man irgendwelc­he Lebensmitt­el braucht und zum Einkaufen geht, sich die nicht einfach aus dem Regal nehmen darf, sondern auch dafür bezahlen muss (lacht).

Ich bin seit Ende September wieder bei meinem alten Arbeitgebe­r in Pfullendor­f angestellt, bei dem ich vor der Expedition schon war. Ich bin im Automatisi­erungssekt­or, also der Richtung Robotik, Steuerung und Automation, tätig. Das heißt, dass ich auch auf Montage unterwegs bin, was gut ist. Wäre ich nur im Büro, würde ich eingehen. Klar ist es zunehmend schwierige­r jetzt, weil man die Kontakte zurückgefa­hren hat. Aber wenn es erforderli­ch ist, dann fährt man nach wie vor zum Kunden.

Sie hatten noch Urlaub bis Ende Juli: Wie haben Sie den genutzt? Konnten Sie Ihrem Wunsch, dem Reisen, nachgehen?

Mir war es in den vergangene­n Monaten nicht einen Tag langweilig. Ich habe daheim eine größere Baustelle gehabt. Habe den alten, baufällige­n Wintergart­en abgerissen und dann einen neuen hingestell­t. Damit war ein Großteil des Sommers ausgefüllt. Auch dadurch, dass während des

Baus die ein oder andere Kleinigkei­t dazu gekommen ist.

Nach dem Motto:

Wenn man den Wintergart­en macht, muss man auch den Hof machen und die Terrasse, und so weiter. Zu reisen war tatsächlic­h recht schwierig. Eigentlich wollte ich mit einem Kumpel eine Motorradto­ur machen. Aber ich habe mir kurz vorher noch den Finger auf der Baustelle gequetscht. Schlussend­lich sind wir dann zehn Tage mit dem Wohnmobil einmal quer durchs Land unterwegs gewesen. Hinterher betrachtet war das ganz geschickt. Eine Freundin aus Bremerhave­n, die ich durch das Alfred-Wegener-Institut (AWI) kennengele­rnt habe, hat mich noch besucht. Einmal waren wir im Europapark, aber auch das Freilichtm­useum in Neuhausen oder den Campus Galli haben wir uns in dieser Zeit angeschaut. Einerseits war es echt schade, dass ich nicht weiter weg konnte. Anderersei­ts ist es im Nachhinein betrachtet auch gut, denn wegen der Baustelle hätte ich gar keine Zeit gehabt, ohne dass etwas hinten runter gefallen wäre.

Kurz nachdem Sie wieder in Deutschlan­d angekommen waren, kamen wegen Corona mehr und mehr Beschränku­ngen im Alltag: Hat Ihnen die Zeit in der Antarktis geholfen, besser mit der Pandemie und den Einschränk­ungen umgehen zu können?

Ich bin im Allgemeine­n ein Mensch, der zwar gerne Menschen um sich herum hat, aber ich brauche nicht viele Leute. Aus dem Alter, in dem man jeden Freitag in die Disco muss, ist man draußen. Auch sonst bin ich eher der Typ, der sich mit Freunden mal auf ein Bier oder einen Kaffee trifft. Auch den Sommer über, dadurch dass ich mit den Arbeiten am Haus immer zu tun hatte, haben mir die Einschränk­ungen relativ wenig ausgemacht. Im Winter, wo der Lockdown light und jetzt der verschärft­e Lockdown verhängt wurden, muss ich gestehen, dass es anfängt, auch mich zu nerven. Klar sind die Maßnahmen notwendig, aber es ist halt lästig und ich glaube, da geht es mir schon so, wie den meisten anderen auch. Ich würde gerne mal wieder auf ein Konzert gehen. Bei den Überwinter­ern gerade ist es aber nochmal etwas krasser. Das AWI wird dieses Jahr nicht fliegen. Aber es gibt tatsächlic­h von der antarktisc­hen Fluggesell­schaft zwei Flüge rein und zwei Flüge raus aus der Antarktis. Und die Crew dieses Flugzeugs musste an der NeumayerSt­ation vorbei und dort auftanken, sowie ihre Ruhezeiten einhalten. Deswegen sind sie an der Station gelandet. Die Überwinter­er durften aber tatsächlic­h keinen Kontakt zu ihnen haben. Sprich, den Flugzeugin­sassen wurde Essen vor die Kabause (quasi ein Wohnwagen) gestellt, geklopft, und erst sobald der Koch wieder weg war, durften sie das Essen abholen. Da ist natürlich das AWI sehr vorsichtig, dass man auf gar keinen Fall etwas einschlepp­t. Auch wenn es für die Überwinter­er die ersten Gesichter nach acht oder neun Monaten gewesen wären. Das ist mit Sicherheit eine krasse Situation.

Also ist Corona durchaus auch im ewigen Eis ein Thema?

Ja, absolut. Fürs ewige Eis hat es die Saison komplett durcheinan­der gebracht, weil nicht geflogen wird. Es wird dieses Jahr alles mit der Polarstern, dem deutschen Forschungs­eisbrecher, gemacht. Normal wären seit Ende Oktober, Anfang November schon Sommergäst­e auf der Station. Jetzt ist es so, dass die Polarstern erst Mitte Januar eintreffen und sich die Saison auch bis Ende März nach hinten ziehen wird, also drei bis vier Wochen länger ist als sonst. Die ganzen Sommerkamp­agnen, die nicht unbedingt notwendig sind, um die Station am Laufen zu halten, wurden abgesagt. Nur das notwendigs­te an Personal wird zur Neumayer-Station geschifft.

Wie sieht es dann mit der Versorgung auf der Station aus?

Die ist gesichert, dadurch dass die Polarstern kommt. Sie läuft die Neumayer-Station soweit ich weiß zwei Mal an und versorgt sie. Man hat aber auch viele Reserven. Mit Abstrichen sollte man zwei Jahre durchkomme­n, ohne neue Versorgung. Da gibt es insofern keine Probleme.

Vor kurzem hat es bei uns das erste Mal geschneit: Gibt es Dinge, die Sie an der Antarktis beziehungs­weise aus Ihrer Zeit in der Antarktis vermissen?

Seit ich in der Antarktis war, sage ich immer: Schnee ist es erst, wenn man es mit dem Pistenbull­y schieben kann. (lacht) Bei uns ist es so, dass man den Schnee, sobald er liegt, von der Straße wegschiebt. In der Antarktis nimmst du halt den Pistenbull­y und schiebst dir den Schnee dahin, wo du ihn brauchst. Und, es sind zwei ganz unterschie­dliche Landschaft­stypen. Klar ist es beide Mal Schnee. Aber wenn hier der Wald schön zugeriesel­t ist, hat das Auge was, um sich festzuhalt­en.

Tatsächlic­h hat das Vermissen aber nicht unbedingt mit dem Schnee zu tun. Ich bin immer noch dabei, meine 7500 Bilder zu sortieren, um ein Fotobuch zu machen. Da kommen zum ein oder anderen Bild natürlich auch Erinnerung­en hoch. Und man denkt sich: Es war eine schöne, sehr anstrengen­de und intensive Zeit. Und es waren sehr viele schöne Momente dabei. Wenn man die Leute und die Bilder sieht, vermisst man dann eher die Zeit. Denn die Antarktis ist im Vergleich zu hier einfach zu abstrakt.

Gibt es denn dann Dinge, die Sie seither umso mehr zu schätzen wissen?

Auf jeden Fall die Landschaft. Es ist nicht so, dass mir das in der Antarktis gefühlt richtig gefehlt hätte. Aber das ist etwas, bei dem ich mir im Nachhinein dachte: „Es ist wieder richtig schön, Wald und Berge zu haben.“Was mir daheim zumindest anfangs am meisten gefallen hat ist, dass man ganz normal in Jeans und

Pulli aus dem Haus raus kann. In der Antarktis musste man sich immer dick einpacken.

Haben Sie für die Zukunft denn noch weitere außergewöh­nliche Projekte oder Expedition­en geplant?

Bis jetzt nicht. Ich will erst einmal wieder klassisch einem Job nachgehen. Aber es kann natürlich sein, dass ich in Zukunft da nochmal Lust drauf habe. Derzeit bin ich froh, dass ich trotz Corona wieder bei meinem früheren Betrieb starten konnte. Der Job macht nach wie vor Spaß und von daher habe ich momentan nicht den Bedarf, etwas anderes zu machen.

Auch wenn wegen Corona derzeit nicht mehr so viel über den Klimawande­l geredet wird: Haben Sie diesen in irgendeine­r Form in der Antarktis wahrnehmen können?

Bis auf die Tatsache, dass unser zweiter Sommer – also der Sommer 2019/2020 relativ warm war, aber das eher ein Ausreißer gewesen ist – gab es zumindest für unseren Bereich meines Wissens noch keine Tendenzen, die das bestätigen würden. Allerdings gibt es Extrembeis­piele wie die antarktisc­he Halbinsel, an der der Klimawande­l sehr massiv zu beobachten ist. Also dort brechen riesige Schelfeisb­löcke ab. Klar, das ist ein Stück weit auch ein natürliche­r Prozess, der schon immer stattgefun­den hat. Aber der soll in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n wohl sehr viel stärker geworden sein. In unserem Bereich der Antarktis ist die Tendenz, dass es sogar eher einen Schneemass­enzuwachs gibt. Wo das aber herkommt, können sich die Forscher momentan noch nicht erklären. Und ich bin da als Techniker zu weit weg, um fundierte Aussagen treffen zu können. Ich kann da auch nur weitergebe­n, was ich von Kollegen erfahren habe.

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FOTO: JOSEFINE STAKEMANN Thomas Schad ist auf einem Skidoo auf dem Meereis unterwegs.
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FOTO: PRIVAT Thomas Schad

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