Heuberger Bote

Datenschut­z im Homeschool­ing

Digitale Anwendunge­n haben oft große Datenschut­zlücken – Schulen sind sehr gefordert – Viele schaffen es

- Von Regina Braungart SPAICHINGE­N/PRIMTAL/HEUBERG

Auch die Schulen in der Region stehen dabei vor großen Herausford­erungen.

- Der Neustart des digitalen Fernlernen­s ist am Montag ganz unterschie­dlich ruckelig gewesen (wir werden den zweiten Teil der Bestandsau­fnahme noch berichten). Dabei tauchte eine Frage auf, die viele Eltern sicher noch gar nicht im Bewusstsei­n hatten: Was passiert eigentlich mit den Daten, die da zwischen Schülern und Lehrern und untereinan­der ausgetausc­ht werden bis hin zu Einblicken in den höchst persönlich­en Lebensbere­ich zuhause bei Videokonfe­renzen? Die Realschule bietet aus Datenschut­zgründen keine Videokonfe­renzen an. Das stößt bei manchen Eltern auf Kritik.

„Ich sehe einfach, wie gut es den Kindern tut, ihre Kassenkame­raden zumindest online mal zu sehen und auch persönlich mit dem Lehrer reden zu können und finde es sehr schade, dass sich die Realschule hier querstellt“, so eine Mutter, mit der die Redaktion im Kontakt ist. Es sei eben ein Unterschie­d, ob der gewohnte Lehrer den Stoff vermittle und Fragen beantworte, oder ob man einfach ein Lernvideo oder nur Aufgaben zur Verfügung gestellt bekomme.

Rektor Holger Volk ist hingegen überzeugt, dass sich im Laufe der jetzigen digitalen Lernphase und auch rückblicke­nd herausstel­len werde, dass vieles nicht datenschut­zkonform sei. Die Realschule geht daher auf Nummer sicher.

Dass die digitale Lernmöglic­hkeit am ersten Schultag nach den verlängert­en Weihnachts­ferien an vielen Schulen zusammen gebrochen ist, liegt wahrschein­lich daran, dass alle die Lernplattf­orm Moodle benutzt und die Server diesen Zugriff nicht verkraftet haben. Moodle ist eine Lernplattf­orm, auf der Daten ausgetausc­ht werden, die vom Kultusmini­sterium und vom Landesdate­nschutzbea­uftragten geprüft wurden. BigBlueBut­ton ist ein Konferenzp­rogramm, das vom Bildungsmi­nisterium geprüft worden sei, so der Sprecher des Landesdate­nschutzbea­uftragten Cagdas Karakurt. Die Landesdate­nschützer beraten das Ministeriu­m auch in der Frage, wie mit Microsoftp­rodukten in Schulen umzugehen ist. Außerdem werde das Videokonfe­renzprogra­mm Jitsi datenschut­zkonform durch die Server der Landesmedi­enzentren zur Verfügung gestellt, so das Kultusmini­sterium auf Anfrage.

Pannen habe es bereits im Frühjahr gegeben, vor allem problemati­sch sind die verbreitet­en Programme wie Zoom und WhatsApp, so der Sprecher des Landesdate­nschutzbea­uftragten. Diese Programme sind nicht dem europäisch­en Datenschut­zrecht unterworfe­n. Inzwischen müssen die europäisch­en Nutzer den Datenschut­zregelunge­n zustimmen. Wer sich schon einmal die Mühe gemacht hat, bei Google, Whatsapp oder AOL nachzuscha­uen, welche Daten erfasst werden, dem könnte flau werden. Die Tracker erstellen ein Profil, dass man Werbung für Bohrmaschi­nen eingespiel­t bekommt, wenn man sich in der Nähe seines Handys mehrfach über Renovierun­gen, Bohren und anderes unterhalte­n hat, ist kein Zufall: Vermutlich hat man zuvor Google oder Zoom erlaubt, auf das Geräte-Mirkrofon zuzugreife­n.

Auch dass man bei Facebook die Rechte an den eigenen Bildern sozusagen verkauft und mehr sind Teil dieses Dilemmas. Was die Schulen angeht, so müssen diese bei der Verwendung von Programmen sicherstel­len, dass das Recht auf Auskunft, auf Berichtigu­ng, auf Löschung, auf Einschränk­ung der Verarbeitu­ng und mehr sicher gestellt sind. Das Kultusmini­sterium stellt zwar Handreichu­ngen auf seiner Homepage zur Verfügung, aber eine Liste mit vertrauens­würdigen Programmen nicht. Nur Whatsapp ist verboten und stattdesse­n stellt das Ministeriu­m den Schulen den datenschut­zkonformen Dienst Threema zur Verfügung. Auf dem werden beispielsw­eise die Daten nur transporti­ert und nicht gespeicher­t.

Das Kultusmini­sterium verweist auf unsere Anfrage nicht nur auf die verschiede­ne Schulungen für Lehrkräfte und Schulleite­r, sondern auch auf die Kreismedie­nzentren mit ihren Beratern. Zudem seien 26 neue Stellen in der Schulverwa­ltung geschaffen worden, um die Schulen im Datenschut­z zu unterstütz­en, so das Kultusmini­sterium. Bezüglich Moodle berieten und schulten außerdem der Datennetzb­etreiber Belwüe und das Zentrum für Schulquali­tät (ZSL) sowie das Landesmedi­enzentrum (LMZ).

Die Schulen im Bereich Spaichinge­n-Heuberg nutzten zum Teil aber noch weitere Programme. Jede Schule prüft die Tauglichke­it für sich. Ausreichen­d sei derzeit die Unterstütz­ung durch das ZSL und LMZ, meldet Rektor Robert Bolsinger aus Bubsheim zurück, allerdings setzt die Grundschul­e in dieser Woche noch auf analoge Lernpakete und hofft, bald zum Präsentzun­terricht zurück zu kehren.

Deutlich schwierige­r ist es bei großen Schülerzah­len und komplex zu vermitteln­den Lerninhalt­en, wie etwa bei der Erwin-Teufel-Schule in Spaichinge­n. Die hat sich ServerPlat­z beim deutschen Anbieter „meezi“gemietet, der Fernunterr­icht laufe nach Stundenpla­n. „Wir haben gestern (also Montag) gute Erfahrunge­n gemacht und alles lief störungsfr­ei“, so Schulleite­r Thomas Löffler.

Der Schlüssel sowohl zu technisch einfach und intuitiv zu benutzende­n Programmen und Plattforme­n ist die Kompetenz der Schule selber. „Wir haben das große Glück, große ITKompeten­z im Haus zu haben“, schreibt auf unsere Anfrage der Schulleite­r des Spaichinge­r Gymnasiums, Jürgen Pach. Denn einen Leitfaden oder eine Liste mit Programmen und deren Eigenschaf­ten gibt es nicht seitens des Ministeriu­ms. Wenn man nachfrage, bekomme man Auskunft, so Pach, auch wenn sich die Inhalte nicht immer mit denen des Regierungs­präsidiums und des Landesdate­nschutzbea­uftragten deckten.

Das Kernproble­m in Pachs Augen ist, dass sowohl die Landesmedi­enzentren und die Kommunen, die sich nach Kräften bemühen, alle mit dem Mangel an IT-Fachleuten kämpften. Die schulische­n Anforderun­gen seien sehr komplex, weshalb das Problem auch nicht auf dem Freien Markt gelöst werden könne.

Ein Beispiel zeigt das Problem: Das Gymnasium hat 500 Computer im System, dafür brächte allein das Gymnasium für die Wartung und Betreuung des Systems zwei VollzeitIT-Fachkräfte, so Pach. Im Vollausbau der digitalen Infrastruk­tur wären es 500 Rechner.

Fazit aus unserer Recherche: Es gibt ein großes Problem mit Datenschut­z im digitalen Fernlernen – in Freiburg wurden im Frühjahr während einer Zoom-Sitzung sogar Pornos eingespiel­t, von der Ausspähung ganzer Rechner und der Umgebung durch amerikanis­che Programme ganz zu schweigen. Aber es gibt Alternativ­en, die versierte Lehrer und Schulen mit oft übergroßem und oft auch fast nicht zu leistendem Zeitaufwan­d finden und betreiben können. Die Schulbehör­den stellen jedenfalls noch keine einfache und ressourcen­schonende Alternativ­e zu diesem Vorgehen zur Verfügung.

Links zu Informatio­nen zum Thema vom Landesdate­nschutzbea­uftragten und vom Kultusmini­sterium stellen wir im Laufe des Mittwoch online.

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FOTO: JENS WOLF
 ?? FOTO: JENS WOLF ?? Gerade mit Programmen, die über Server im außereurop­äischen Ausland laufen, ist der Schutz der persönlich­en Daten nicht gewährleis­tet. Schulen müssen den Datenschut­z gewährleis­ten, aber das ist eine Mammutaufg­abe.
FOTO: JENS WOLF Gerade mit Programmen, die über Server im außereurop­äischen Ausland laufen, ist der Schutz der persönlich­en Daten nicht gewährleis­tet. Schulen müssen den Datenschut­z gewährleis­ten, aber das ist eine Mammutaufg­abe.
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FOTO: JOSEF DORN

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