Datenschutz im Homeschooling
Digitale Anwendungen haben oft große Datenschutzlücken – Schulen sind sehr gefordert – Viele schaffen es
Auch die Schulen in der Region stehen dabei vor großen Herausforderungen.
- Der Neustart des digitalen Fernlernens ist am Montag ganz unterschiedlich ruckelig gewesen (wir werden den zweiten Teil der Bestandsaufnahme noch berichten). Dabei tauchte eine Frage auf, die viele Eltern sicher noch gar nicht im Bewusstsein hatten: Was passiert eigentlich mit den Daten, die da zwischen Schülern und Lehrern und untereinander ausgetauscht werden bis hin zu Einblicken in den höchst persönlichen Lebensbereich zuhause bei Videokonferenzen? Die Realschule bietet aus Datenschutzgründen keine Videokonferenzen an. Das stößt bei manchen Eltern auf Kritik.
„Ich sehe einfach, wie gut es den Kindern tut, ihre Kassenkameraden zumindest online mal zu sehen und auch persönlich mit dem Lehrer reden zu können und finde es sehr schade, dass sich die Realschule hier querstellt“, so eine Mutter, mit der die Redaktion im Kontakt ist. Es sei eben ein Unterschied, ob der gewohnte Lehrer den Stoff vermittle und Fragen beantworte, oder ob man einfach ein Lernvideo oder nur Aufgaben zur Verfügung gestellt bekomme.
Rektor Holger Volk ist hingegen überzeugt, dass sich im Laufe der jetzigen digitalen Lernphase und auch rückblickend herausstellen werde, dass vieles nicht datenschutzkonform sei. Die Realschule geht daher auf Nummer sicher.
Dass die digitale Lernmöglichkeit am ersten Schultag nach den verlängerten Weihnachtsferien an vielen Schulen zusammen gebrochen ist, liegt wahrscheinlich daran, dass alle die Lernplattform Moodle benutzt und die Server diesen Zugriff nicht verkraftet haben. Moodle ist eine Lernplattform, auf der Daten ausgetauscht werden, die vom Kultusministerium und vom Landesdatenschutzbeauftragten geprüft wurden. BigBlueButton ist ein Konferenzprogramm, das vom Bildungsministerium geprüft worden sei, so der Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten Cagdas Karakurt. Die Landesdatenschützer beraten das Ministerium auch in der Frage, wie mit Microsoftprodukten in Schulen umzugehen ist. Außerdem werde das Videokonferenzprogramm Jitsi datenschutzkonform durch die Server der Landesmedienzentren zur Verfügung gestellt, so das Kultusministerium auf Anfrage.
Pannen habe es bereits im Frühjahr gegeben, vor allem problematisch sind die verbreiteten Programme wie Zoom und WhatsApp, so der Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten. Diese Programme sind nicht dem europäischen Datenschutzrecht unterworfen. Inzwischen müssen die europäischen Nutzer den Datenschutzregelungen zustimmen. Wer sich schon einmal die Mühe gemacht hat, bei Google, Whatsapp oder AOL nachzuschauen, welche Daten erfasst werden, dem könnte flau werden. Die Tracker erstellen ein Profil, dass man Werbung für Bohrmaschinen eingespielt bekommt, wenn man sich in der Nähe seines Handys mehrfach über Renovierungen, Bohren und anderes unterhalten hat, ist kein Zufall: Vermutlich hat man zuvor Google oder Zoom erlaubt, auf das Geräte-Mirkrofon zuzugreifen.
Auch dass man bei Facebook die Rechte an den eigenen Bildern sozusagen verkauft und mehr sind Teil dieses Dilemmas. Was die Schulen angeht, so müssen diese bei der Verwendung von Programmen sicherstellen, dass das Recht auf Auskunft, auf Berichtigung, auf Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung und mehr sicher gestellt sind. Das Kultusministerium stellt zwar Handreichungen auf seiner Homepage zur Verfügung, aber eine Liste mit vertrauenswürdigen Programmen nicht. Nur Whatsapp ist verboten und stattdessen stellt das Ministerium den Schulen den datenschutzkonformen Dienst Threema zur Verfügung. Auf dem werden beispielsweise die Daten nur transportiert und nicht gespeichert.
Das Kultusministerium verweist auf unsere Anfrage nicht nur auf die verschiedene Schulungen für Lehrkräfte und Schulleiter, sondern auch auf die Kreismedienzentren mit ihren Beratern. Zudem seien 26 neue Stellen in der Schulverwaltung geschaffen worden, um die Schulen im Datenschutz zu unterstützen, so das Kultusministerium. Bezüglich Moodle berieten und schulten außerdem der Datennetzbetreiber Belwüe und das Zentrum für Schulqualität (ZSL) sowie das Landesmedienzentrum (LMZ).
Die Schulen im Bereich Spaichingen-Heuberg nutzten zum Teil aber noch weitere Programme. Jede Schule prüft die Tauglichkeit für sich. Ausreichend sei derzeit die Unterstützung durch das ZSL und LMZ, meldet Rektor Robert Bolsinger aus Bubsheim zurück, allerdings setzt die Grundschule in dieser Woche noch auf analoge Lernpakete und hofft, bald zum Präsentzunterricht zurück zu kehren.
Deutlich schwieriger ist es bei großen Schülerzahlen und komplex zu vermittelnden Lerninhalten, wie etwa bei der Erwin-Teufel-Schule in Spaichingen. Die hat sich ServerPlatz beim deutschen Anbieter „meezi“gemietet, der Fernunterricht laufe nach Stundenplan. „Wir haben gestern (also Montag) gute Erfahrungen gemacht und alles lief störungsfrei“, so Schulleiter Thomas Löffler.
Der Schlüssel sowohl zu technisch einfach und intuitiv zu benutzenden Programmen und Plattformen ist die Kompetenz der Schule selber. „Wir haben das große Glück, große ITKompetenz im Haus zu haben“, schreibt auf unsere Anfrage der Schulleiter des Spaichinger Gymnasiums, Jürgen Pach. Denn einen Leitfaden oder eine Liste mit Programmen und deren Eigenschaften gibt es nicht seitens des Ministeriums. Wenn man nachfrage, bekomme man Auskunft, so Pach, auch wenn sich die Inhalte nicht immer mit denen des Regierungspräsidiums und des Landesdatenschutzbeauftragten deckten.
Das Kernproblem in Pachs Augen ist, dass sowohl die Landesmedienzentren und die Kommunen, die sich nach Kräften bemühen, alle mit dem Mangel an IT-Fachleuten kämpften. Die schulischen Anforderungen seien sehr komplex, weshalb das Problem auch nicht auf dem Freien Markt gelöst werden könne.
Ein Beispiel zeigt das Problem: Das Gymnasium hat 500 Computer im System, dafür brächte allein das Gymnasium für die Wartung und Betreuung des Systems zwei VollzeitIT-Fachkräfte, so Pach. Im Vollausbau der digitalen Infrastruktur wären es 500 Rechner.
Fazit aus unserer Recherche: Es gibt ein großes Problem mit Datenschutz im digitalen Fernlernen – in Freiburg wurden im Frühjahr während einer Zoom-Sitzung sogar Pornos eingespielt, von der Ausspähung ganzer Rechner und der Umgebung durch amerikanische Programme ganz zu schweigen. Aber es gibt Alternativen, die versierte Lehrer und Schulen mit oft übergroßem und oft auch fast nicht zu leistendem Zeitaufwand finden und betreiben können. Die Schulbehörden stellen jedenfalls noch keine einfache und ressourcenschonende Alternative zu diesem Vorgehen zur Verfügung.
Links zu Informationen zum Thema vom Landesdatenschutzbeauftragten und vom Kultusministerium stellen wir im Laufe des Mittwoch online.