Der Michelin-Stern glänzt auch in Corona-Zeiten
Dritte Auszeichnung für Spitzenkoch Alexandre Mazzia – Vergabe in Deutschland noch mit Fragezeichen
(dpa) - Der Gastronomieführer Guide Michelin hat mitten in der Corona-Krise ein neues Toprestaurant im Stammland Frankreich mit einem dritten Stern ausgezeichnet.
Das Restaurant „AM“des unkonventionellen Spitzenkochs Alexandre Mazzia aus Marseille bekam die Bestnote der Feinschmeckerbibel, wie deren Chef Gwendal Poullennec am Montag auf dem Pariser Eiffelturm ankündigte.
Mazzia hatte erst vor zwei Jahren für sein Lokal mit kreativer Küche im schicken Süden der Hafenstadt zwei Sterne erhalten. Da Cafés und Restaurants in Frankreich coronabedingt im vergangenen Jahr monatelang schließen mussten, ging Mazzia mit einem zum Foodtruck umgebauten Lieferwagen buchstäblich auf die Straße. Mit Mazzias Aufstieg erhöht sich die Zahl der Edellokale mit drei Sternen in Frankreich und Monaco auf 30. Michelin verzichtete in der Topliga auf Herabstufungen. Zusammen haben 638 Restaurants einen, zwei oder drei Sterne.
Frankreichs Spitzengastronomie sei angesichts einer beispiellosen Krise in einer schwierigen Lage, machte Poullennec deutlich. Der Guide Michelin setzte auch Inspektoren aus internationalen Teams ein, um Lokale zu testen. „Die Köche Frankreichs stehen aufrecht“, sagte der Chef des Guide Michelin. Auch international sei die Lage dramatisch: „Weniger als 30 Prozent der Sterne-Restaurants in der Welt sind geöffnet“, sagte er.
Der Gastronomieführer Guide Michelin entschied wegen der Krise noch nicht, wie die Sternevergabe für Restaurants in Deutschland dieses Jahr ablaufen wird. „Mit unseren Mitarbeitern suchen wir ein Vorgehen, das der Lage angepasst ist“, so Poullennec. „Derzeit kann ich nichts bestätigen.“
Der Guide Michelin hatte im vergangenen Jahr mehr als 300 Restaurants in Deutschland ausgezeichnet. Die Zahl der Spitzenlokale mit der Bestnote von drei Sternen war konstant bei zehn geblieben. Es gebe für Deutschland eine „interessante Auswahl“. In der Spitzenküche habe sich viel ereignet: „Die deutsche Szene ist sehr dynamisch“, bilanzierte Poullennec.
Bars, Cafés und Restaurants sind in Frankreich noch mindestens bis Mitte kommenden Monats geschlossen, denn das Land ist schwer von der Corona-Pandemie betroffen. Einige
Lokale bieten einen Liefer- oder Abholservice an. Die Sterne-Vergabe auf dem Eiffelturm fand ohne Publikum statt und wurde im Internet übertragen.
Das Pariser „Marsan“von Hélène Darroze und das „La Mérise“von Cédric Deckert im elsässischen Laubach bekamen erstmals zwei Sterne. Spitzenköchinnen sind weiter vergleichsweise rar; im exklusiven Club der Drei-Sterne-Feinschmeckertempel gibt es nur Anne-Sophie Pic aus dem südfranzösischen Valence.
Die Krise veranlasst auch Branchen-Champions, neue Wege einzuschlagen. Mauro Colagreco vom „Mirazur“in Menton an der Côte d’Azur richtete mit einem Unternehmer einen Feinkoststand in einer Markthalle in Monaco ein. „Wir müssen uns anpassen, Lösungen suchen“, sagte der aus Argentinien stammende Drei-Sterne-Koch der Zeitung „Le Figaro“und fügte hinzu: „Das hilft, die Mannschaft in Schwung zu halten, die Hersteller zu beschäftigen, mit der Kundschaft in Kontakt zu bleiben und nicht die Hoffnung zu verlieren.“
Bei der Online-Vergabe der Sterne ging es emotional zu – es flossen Tränen der ausgezeichneten Köchinnen und Köche. Erst im vergangenen Jahr hatte der über 120 Jahre alte Gastronomieführer der „Auberge du Pont de Collonges“des 2018 gestorbenen Küchenpapstes Paul Bocuse ihren dritten Stern entzogen und damit erhebliches Aufsehen erregt. Das Traditionshaus in der Nähe von Lyon hat seitdem nur noch zwei Sterne. „Michelin-Sterne werden nicht vererbt, man muss sie sich verdienen“, lautet das oft wiederholte Credo Poullennecs.