Hommage an die Natur
Mitreißende Texte, starke Bilder – Zwölf Fotografen zeigen in „Human Nature“den Zustand der Erde
Fantastische, berührende Fotos und zugleich erschreckende. Zwölf weltweit führende Fotografen haben Teile der Erde abgebildet – ein gelbes Fischchen in einer Getränkedose am Meeresgrund, einen Orang-Utan hoch am Baumstamm, Wilderer in Afrika bis hin zu Ausstellungsräumen voller Plastik. Sie zeigen die Schönheit und Vielfalt der Natur aber auch, wie der Mensch in sie eingreift. Das 300-seitige Buch „Human Nature – Über den Zustand unserer Erde“enthält 200 oft doppelseitige Bilder mit leicht lesbaren, interessanten und sehr persönlichen Texten der Fotografen. Diese sind eindringliche Aufrufe, die Natur wertzuschätzen und zu bewahren – auch zum Wohl des Menschen.
Der Band ist keineswegs nur frustrierend. Zum Bild eines Jaguars, der aus dichter Ufervegetation im brasilianischen Pantanal hervorblickt, schreibt dessen Fotograf Frans Lanting, der Bestand habe sich dank Schutzmaßnahmen deutlich erholt. Die Ironie: Es bleibt unklar, ob der Jaguar die Brände 2020 in dem Feuchtbiotop überlebt hat. Die Natur müsse in die Klimarettung einbezogen werden, es solle in sie investiert werden, fordert Lanting. „Mit der Natur können wir die Auswirkungen des Klimawandels effektiver bekämpfen als auf jede andere Weise.“Die Erde sei endlich. „Das ist eine wesentliche Erkenntnis, die zur Basis jeder Entscheidung werden muss, sei es beim Einkauf, sei es bei den Wahlen.“
Farbenprächtig und schön wie ein Kunstwerk liegt er da. J. Henry Fair zeigt den Tank einer Ölsand-Aufbereitungsanlage in Orangetönen und auf anderen Bildern ätzenden Rotschlamm aus der Aluminiumgewinnung oder den Braunkohletagebau in Garzweiler. „Ich möchte … die Leute mit meinen Bildern berühren und sie dazu bringen über die versteckten Kosten in allen und jedem nachzudenken“, schreibt Fair – auch über ihre eigene Rolle in dem Geschehen.
Die Stille auf dem Meereis beschreibt Paul Nicklen neben beeindruckenden Bildern von Tieren der Arktis und der Antarktis. „Eis ist wie die Erde im Garten“, erläutert der Fotograf und Biologe. „Ohne Eis können die Ökosysteme der Polarregionen nicht existieren.“
Brent Stirton aus Südafrika zeigt von Wilderern getötete Tiere, darunter einen Gorilla und ein Nashorn. Aber er fotografiert auch gefangene Wilddiebe in Würde und geht Ursachen ihres Handelns nach. Der Fotograf setzt auf Grüne Ökonomie. „Es muss eine Zeit kommen, in der sich eine Investition in die Natur und in ihren Schutz rechnet. Und ich hoffe, dass dies rechtzeitig geschieht.“
Hoffnung machen dem Südafrikaner etwa deutsche Banken, die erwägten, sich aus dem Geschäft mit fossilen Brennstoffen zurückzuziehen. Vor allem aber seien bessere Politikerinnen und Politiker nötig. „Ich sehe derzeit keine, die sich richtig Gedanken machen“, schreibt Stirton und hat eine klare Bitte: „Sollten Sie also jemand sein, dem dies keine Ruhe lässt. Stellen Sie sich zur Wahl!“
Georg Steinmetz zeigt eine Truthahnmast mit 18 000 Puten und 3300 einzelne enge Kälberhütten in den USA. Zugleich schreibt er, dass Massentierhaltung weniger Fläche braucht als ökologische Betriebe. „Wenn wir Naturräume erhalten wollen, müssen wir neben unserem Nahrungsmittelkonsum auch unseren Landverbrauch einschränken.“Er verweist aber auch auf ökologische Folgen des Shrimp-Fangs und auf Palmöl in Keksen, das aus Flächen stammt, auf denen vorher Regenwald stand. „Wir alle stimmen mit der Gabel ab, drei Mal am Tag.“
Die buntesten Bilder des Buches hat Richard John Seymour fotografiert. Es sind kleine Ausstellungsräume in China überquellend mit Blumen oder Spielzeug zumeist aus Plastik. Im Yiwu Market können Unternehmer bei mehr als 70 000 solcher Verkaufsstellen auch Weihnachtsschmuck und andere Billigwaren bestellen, die dann in Fabriken produziert werden und schließlich auch in Deutschland landen. Bei jedem neuen Gegenstand müsse laut Seymour überlegt werden, was mit ihm einmal geschehen soll, wenn er nicht mehr genutzt wird. Die lineare Wirtschaft solle in konsequente Kreislaufwirtschaft weiterentwickelt werden.
„Die Fotografie ist als Medium gut geeignet, um Fakten emotional erfassbar zu machen“, schreibt Seymour und fasst damit eine Art Motto des Buches zusammen. Das Werk zeigt wie wenig andere die Schönheit und zugleich die Bedrohung der Natur, aber auch Lösungsansätze. Es wird auch nicht in Plastikfolie geliefert sondern in Pappe. (dpa)