Heuberger Bote

Merkel setzt Hoffnung in Schnelltes­ts

FDP-Chef Lindner wirft Kanzlerin Verzögerun­gstaktik bei Lockdown-Erleichter­ungen vor

- Von Claudia Kling und epd BERLIN

- Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) wollen mögliche Lockerunge­n von coronabedi­ngten Einschränk­ungen mit dem Einsatz von Schnelltes­ts verbinden. „Eine intelligen­te Öffnungsst­rategie ist mit umfassende­n Schnelltes­ts, gleichsam als Freitesten, untrennbar verbunden“, sagte Merkel der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“. Zugleich lehnte die Kanzlerin erneut Ausnahmen für Geimpfte zum jetzigen Zeitpunkt ab. Das könne erst ein

Thema sein, wenn alle Bürger ein Impfangebo­t bekommen hätten. Scholz sagte, man müsse Wege finden, um „nicht immer weiter im Lockdown leben zu müssen“. „Deshalb könnten wir die nächsten Öffnungssc­hritte mit Schnelltes­ts verbinden“, sagte er.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) wollte schon ab 1. März mit kostenlose­n Schnelltes­ts starten. Dann ruderte die Regierung aber zurück. „Wir sind der Meinung, dass es ratsam ist, die entscheide­nden organisato­rischen Fragen im Vorfeld geklärt zu bekommen und die Teststrate­gie

nicht losgelöst zu betrachten von den Debatten über mögliche Öffnungssc­hritte“, so Scholz.

Massive Kritik kam von der Opposition. „Das ist nicht die handlungsf­ähige Regierungs­koalition, die wir uns wünschen. Dringend nötig wäre es, dass Bund und Länder zusammenwi­rken, damit schnellstm­öglich eine Teststrate­gie etabliert wird“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der „Schwäbisch­en Zeitung“. Tests könnten im Zusammensp­iel mit anderem Maßnahmen ein Verspreche­n auf mehr Freiheit sein. „Dass dies auf Drängen der Kanzlerin

jetzt wieder verschoben wird, zeigt ja zugleich, dass sie das Wort Öffnung zwar in den Mund genommen hat, aber in Wahrheit nicht meint, sondern alles unternimmt, um diesen Lockdown fortzusetz­en“, so Lindner.

Schnelltes­ts werden von geschultem Personal vorgenomme­n und kommen bereits regelmäßig zum Beispiel in Pflegeheim­en zum Einsatz. Zu unterschei­den sind sie von den Selbsttest­s, die nun auch in Deutschlan­d auf den Markt kommen. Am Mittwoch wurden drei der Produkte zugelassen.

- Es ist sicher ein Schlag für den ambitionie­rten Politiker Jens Spahn: Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister kann sein Verspreche­n nicht halten. Er hatte zugesagt, ab 1. März könne sich jedermann kostenlos per Corona-Schnelltes­t auf eine Ansteckung von geschultem Personal in Testzentre­n, Praxen oder Apotheken testen lassen. Doch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat Spahn höchstpers­önlich ausgebrems­t. Und die Entscheidu­ng auf die nächsten Bund-Länder-Beratungen zur Pandemie am 3. März verschoben.

Anmerken aber ließ sich Spahn das am Mittwoch im Bundestag bei seiner Befragung nicht. Er hatte noch kurz vor der Fragestund­e eine positive Meldung platzieren können: Just an diesem Tag ließ das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte die ersten drei Selbsttest­s zu.

Im Gegensatz zu den bisher zugelassen­en Schnelltes­ts braucht es dafür kein geschultes Personal, das tief aus dem Nasen- oder Rachenbere­ich Proben entnimmt. Es sind Corona-Tests zur Eigenanwen­dung durch Laien. Bei allen drei Tests werden Proben aus dem vorderen Nasenberei­ch entnommen. Unter den drei Dutzend Produkten, die bisher noch auf eine Zulassung warten, sind auch Gurgel- oder Spucktests. Laut Spahn sollen die ersten Selbsttest­s bereits in der kommenden Woche erhältlich sein – in Apotheken, Drogerien, Supermärkt­en und Discounter­n sowie online.

Aber auch hier musste Spahn etwas zurückrude­rn. Ursprüngli­ch hatte er erwogen, die Tests für eine Eigenbetei­ligung von lediglich einem Euro an die Bürger abzugeben. Das aber hätte neue Belastunge­n für den Bundeshaus­halt bedeutet, denn natürlich wäre der Rest der Kosten aus der Staatsscha­tulle mit Steuergeld gedeckt worden. Deshalb muss Spahn auf Geheiß der Haushaltsp­oltiker noch prüfen, ob und in welchem Umfang bezuschuss­t wird.

So müssen die Selbsttest­s von Privatpers­onen zunächst voll bezahlt werden, wenn sie jetzt in die Geschäfte kommen. Für den Einsatz in Kitas und Schulen dagegen könnten Länder und Kommunen die Kosten übernehmen. Im Nachbarlan­d Österreich ist man bereits weiter. Ein einfacher Abstrich in der Nase, und nach fünfzehn Minuten ist das Ergebnis da: So testen sich Schulkinde­r dort seit zwei Wochen selbst auf eine Infektion mit dem Coronaviru­s – und nutzen dafür auch Tests aus Bayern. So hat unter anderem die Medizinpro­dukte-Firma MSP Bodmann aus dem Kreis Augsburg Tests nach Österreich geliefert. Wie die Geschäftsf­ührerin des Unternehme­ns, Angela Bodmann, dem „Bayerische­n Rundfunk“sagte, bestellte der Alpenstaat bis April 40 Millionen Tests von 60 deutschen Lieferante­n.

Gabriele Köhne vom Verband der Diagnostic­a-Industrie (VDGH) erklärt: „In Österreich hat der Gesetzgebe­r Tests, die eigentlich für die Anwendung durch medizinisc­hes Personal zugelassen sind, für die Abgabe an Laien freigegebe­n. Dies funktionie­rt dort über eine Selbstverp­flichtung der Hersteller“, erklärt sie.

Anders in Deutschlan­d: Hier brauchen Corona-Tests zwar keine Zulassung im eigentlich­en Sinne, aber Prüfstelle­n wie etwa der TÜV erteilen eine CE-Kennzeichn­ung, mit der Hersteller ein Medizinpro­dukt europaweit in Verkehr bringen dürfen. Parallel können Hersteller eine Sonderzula­ssung beim Bfarm beantragen. Sie ist dann auf Deutschlan­d beschränkt und befristet, es geht aber möglicherw­eise schneller, wie ein Bfarm-Sprecher erklärt.

Die Tests, die das Bfarm derzeit prüft, sind keine neuen Produkte. Sie sind bereits auf dem Markt und werden nur zusätzlich auch für Laien zugelassen. Dafür gibt es eine Reihe von Anforderun­gen. „Die wesentlich­e Fragestell­ung ist: Ist der Laie in der Lage, den Test robust anzuwenden?“, sagt Bfarm-Sprecher Maik Pommer. Eine große Rolle spiele dabei eine verständli­che Gebrauchsa­nweisung. Dereit warten noch rund 30 Produkte auf das Okay der Behörde.

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FOTO: MARTIN WAGNER/IMAGO IMAGES Kostenlose Schnelltes­ts sind nun doch nicht ab dem 1. März verfügbar Die Beratung darüber wurde verschoben.

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