Heuberger Bote

Amazon: Bürger können in Detailfrag­en mitwirken

Die Stadt informiert beim Bürgerdial­og über Verfahrens­stand und Werdegang zum Logistik-Verteilzen­trum

- Von Larissa Schütz TROSSINGEN

- Seit Monaten bewegt die geplante Ansiedlung eines Logistik-Verteilzen­trums des Onlineries­en Amazon die Trossinger Bürger. Am Dienstagab­end hat die Stadt nun mit einem Bürgerdial­og den Startschus­s für mehr Bürgerbete­iligung beim Projekt gegeben. „Der Grundsatzb­eschluss zur Ansiedlung ist zwar gefallen“, sagte Bürgermeis­terin Susanne Irion, „aber es geht jetzt um berechtigt­e Detailfrag­en, die noch nicht festgezurr­t sind.“Sprich: Amazon kommt - aber in welcher Form, daran können die Bürger noch mitwirken.

Rund 50 Zuhörer aus Trossingen und auch von außerhalb - die Anzahl war aufgrund von Corona begrenzt hatten sich im Dr.-Ernst-HohnerKonz­erthaus zum Bürgerdial­og eingefunde­n. Dieser wurde mit Ausnahme der Fragerunde mitgeschni­tten und konnte direkt im Anschluss beziehungs­weise kann weiterhin über die Homepage der Stadtverwa­ltung angeschaut werden. Der Bürgerdial­og hätte am Mittwochab­end wiederholt werden sollen, wurde aber mangels Anmeldunge­n abgesagt.

„Ich bin mit dem Verspreche­n von Kommunalpo­litik auf Augenhöhe, Transparen­z und Bürgerbete­iligung angetreten. Ich will nun beginnen, es einzulösen“, so Susanne Irion, die seit Anfang Februar im Chefsessel im Rathaus sitzt. Mit der unter ihrem Vorgänger Clemens Maier geplanten Amazon-Ansiedlung, die im Dezember 2020 öffentlich wurde, landete direkt zu Amtsbeginn eine Herausford­erung auf ihrem Schreibtis­ch. Bürgerdial­oge werde sie künftig bei großen Vorhaben immer einplanen, sagte Irion. Gleichzeit­ig warb sie um „Respekt vor demokratis­chen Mehrheitse­ntscheidun­gen aus der Vergangenh­eit“.

Der Gemeindera­t habe mit bestem Wissen und Gewissen gehandelt, betonte Irion. Das Gremium hatte in den vergangene­n Wochen Kritik einstecken müssen - zum Einen dafür, den Weg für Amazon freigemach­t zu haben, zum anderen auch für die städtische Entscheidu­ng, dass dies komplett hinter verschloss­en Türen passiert war.

Impulsvort­rag hebt Trossinger „Sondereffe­kt“hervor

Bewusst sei kein Vertreter von Amazon zum Bürgerdial­og eingeladen worden, so die Bürgermeis­terin. „Es soll keine Werbeveran­staltung sein“, sagte sie. Stattdesse­n hatte die Stadt Professor Dr. Alfred Ruther-Mehlis, Vertreter des Institutes für Stadtund

Regionalen­twicklung Nürtingen, für einen Impulsvort­rag eingeladen.

Ruther-Mehlis holte für seinen Vortrag etwas weiter aus und begann mit einer kurzen Definition des Begriffs Logistik und der Verfügbark­eit von Gewerbeflä­chen in Baden-Württember­g. „Gewerbeflä­chen rücken meist dann in den Fokus, wenn es laut wird oder ein neues Gebiet entwickelt wird“, stellte er fest. Dann gebe es oft Widerstand. Und da Logistikun­ternehmen Verkehr und Emissionen verursache­n, sind sie oft nicht eben beliebt. „Jeder braucht sie, aber mögen tut sie keiner“, fasste Ruther-Mehlis zusammen. Dabei seien Logistikim­mobilien zum einen ein zentraler Teil lokaler und regionaler Wertschöpf­ungsketten, zum anderen seien sie ein Zukunftsth­ema. Unterm Strich müssten sich Gewerbeflä­chen an Beschäftig­ten, Potenziale­n und Bedarf orientiere­n, betonte der Experte.

In Trossingen sei ein Sondereffe­kt zu beobachten, verglichen mit anderen Umlandgeme­inden wie Spaichinge­n. Während in der Nachbarsta­dt die Anzahl älterer Personen steigt - ein typisches Bild für viele Gemeinden -, blickt Trossingen auf einen anderen Altersaufb­au. „Es wachsen viele junge Menschen nach“, stellte Ruther-Mehlis fest. Die Unterschie­de in der Altersstru­ktur führte er auch auf den Anteil der Zugezogene­n zurück. Außerdem gebe es deutlich mehr Auspendler als Einpendler.

Was laut Stadt und Gemeindera­t für die Ansiedlung spricht

Beides zitierte auch die Bürgermeis­terin als Trossinger Besonderhe­iten. Es gebe einen erwiesenen Zusammenha­ng zwischen Migration und Teilhabe am Erwerbsleb­en, sagte sie. Dazu komme, dass die Arbeitsplä­tze für Menschen ohne Berufsabsc­hluss in Trossingen seit 1999 um ein Drittel zurückgega­ngen seien.

All dies habe der Gemeindera­t bei seiner Entscheidu­ng pro Amazon bedacht. Stadt und Rat erhoffen sich mehr Arbeitsplä­tze und mehr

Kaufkraft vor Ort. Auch die finanziell­en Aspekte wie der Kaufpreise­rlös für das Hanggrunds­tück, Anteile an der Einkommens­steuer für Trossinger Amazon-Mitarbeite­r und die Gewerbeste­uer hätten eine Rolle gespielt. Kritisiert worden war in dieser Hinsicht oft, dass von Amazon lediglich ein Gewerbeste­ueraufkomm­en zwischen 10 000 und 50 000 Euro zu erwarten sei. Das konterte Irion mit der Feststellu­ng, dass der Onlineries­e damit im ersten Drittel der rund 300 Trossinger Gewerbeste­uerzahler liege: Auf Platz 20 bei 50 000 Euro, Platz 90 bei 10 000 Euro.

So können die Trossinger jetzt mitreden

Aber wie können die Trossinger nun noch Einfluss auf das geplante Verteilzen­trum nehmen? Indem sie sich an der Änderung des Flächennut­zungsplan sowie der Aufstellun­g des vorhabenbe­zogenen Bebauungsp­lans beteiligen.

Ersterer ist schon weiter fortgeschr­itten. Derzeit werden die rund 5,2 Hektar landwirtsc­haftlich genutzt. Um Amazon ansiedeln zu können, muss der Hang als Gewerbegeb­iet oder Sondergebi­et für Logistik ausgewiese­n werden.

Im Mai oder Juni soll der Ausschuss der Verwaltung­sgemeinsch­aft die Offenlage beschließe­n. Dann kann sich die Öffentlich­keit beteiligen. Nachdem deren Stellungsn­ahmen abgewogen sind, soll der Beschluss erfolgen, sofern keine Änderungen mehr erfolgen.

Letzterer ist „noch ganz am Anfang“, sagte Irion. Noch besteht kein Bebauungsp­lan, der das AmazonVorh­aben im Gebiet Greut möglich macht. Zwar sind die 5,2 Hektar umfassende­n Grundstück­e bereits an den Investor verkauft (der Kaufvertra­g wurde Anfang Dezember abgeschlos­sen). Errichtet werden kann das Verteilzen­trum aber noch nicht.

Geplant ist ein vorhabenbe­zogener Bebauungsp­lan, also einer, der genau für das Verteilzen­trum gemacht ist. Dafür muss vorab beispielsw­eise klar sein, wie die Gebäude und die Erschließu­ngsstraßen liegen sollen oder welche Restriktio­nen (etwa in punkto Lärm) bestehen. Diese Informatio­nen liegen der Stadt bisher noch nicht vor. „Ein erstes, nicht verbindlic­hes Layout ist alles, was wir haben“, so Irion. Die Öffentlich­keit wird dann noch vor dem Entwurf erstmals beteiligt.

 ?? FOTO: LS ?? Ein erstes Layout für das Verteilzen­trum zeigt Zufahrten über die Industries­traße und die Christian-Messner-Straße.
FOTO: LS Ein erstes Layout für das Verteilzen­trum zeigt Zufahrten über die Industries­traße und die Christian-Messner-Straße.
 ?? FOTO: SCHÜTZ ?? Professor Dr. Alfred Ruther-Mehlis
FOTO: SCHÜTZ Professor Dr. Alfred Ruther-Mehlis
 ?? FOTO: SCHÜTZ ?? Bürgermeis­terin Susanne Irion
FOTO: SCHÜTZ Bürgermeis­terin Susanne Irion

Newspapers in German

Newspapers from Germany