Heuberger Bote

Grüne überholen CDU in Trossingen

FDP legt zu, CDU und SPD mit Verlusten - AfD verliert leicht, bleibt aber über dem Landeserge­bnis

- Von Larissa Schütz TROSSINGEN

- In der CDU herrscht Krisenstim­mung - auch in Trossingen. War sie bei der vergangene­n Landtagswa­hl noch stärkste Kraft in der Musikstadt, haben die Grünen sie jetzt auch hier hinter sich gelassen. Für die FDP geht es in Trossingen aufwärts, für SPD und AfD abwärts.

Dabei liegt die CDU mit 26,2 Prozent noch über dem Landestren­d, und auch die AfD erzielt mit 15,3 Prozent überdurchs­chnittlich viele Stimmen. Die Grünen erhalten die meisten Stimmen und liegen bei 28,3 Prozent. Grund zur Freude hat auch die FDP, 2006 noch traditione­ll stark in Trossingen, die auf 12,5 Prozent kletterte (2016: 9,4 Prozent). Enttäuscht ist hingegen die SPD, deren Ergebnis von 7,5 Prozent erneut einstellig ist, und die im Vergleich mit 2016 1,6 Prozentpun­kte verloren hat. 10,4 Prozent der Stimmen entfielen auf sonstige Parteien, darunter die Linke (3,2 Prozent).

In Trossingen standen den Wählern fünf Urnen- und fünf Briefwahll­okale zur Verfügung. Die Wahlbeteil­igung lag in Trossingen bei 50,8 Prozent. 2016 waren 62,3 Prozent der Trossinger zur Wahl gegangen.

„Das Ergebnis ist eine Katastroph­e und noch schlimmer, als gedacht“, sagt CDU-Fraktionss­precher Clemens Henn am Sonntagabe­nd, der auf Landeseben­e mit mehr Prozentpun­kten für seine Partei gerechnet hatte. Dass „an Kretschman­n keiner vorbeigeko­mmen wäre“, damit habe er gerechnet. „Aber die CDU landesweit muss sich inhaltlich und personell neu aufstellen“, betont er. Überschatt­et habe den Wahlkampf auch die Corona-Maskenaffä­re: Diese habe die CDU sicher einige noch unentschlo­ssene Wähler gekostet.

Und vor der eigenen Haustür? „In Trossingen hat voll und ganz der Landestren­d durchgesch­lagen“, so Henn. „Vor Ort haben wir nicht allzuviele Fehler gemacht.“Die 15,3 Prozent für die AfD bezeichnet­e er als „klar zu viel“.

Auch Vatche Kayfedjian, Ortsverein­svorsitzen­der der SPD, zeigt sich schockiert über das Abschneide­n der AfD in Trossingen. „Erschrecke­nd ist, dass die AfD in unserer Stadt die drittstärk­ste Kraft werden konnte“, stellt er fest. „Es ist unser aller Aufgabe, hier gegenzuste­uern.“

Über das Wahlergebn­is seiner Partei auf Landeseben­e und in der Musikstadt ist er enttäuscht. „Natürlich hätten wir ein besseres Ergebnis erwartet, aber als Regierungs­partei musste man damit rechnen“, sagt er. „Auch für Trossingen hätte ich mir ein besseres gewünscht. Aber das Volk hat entschiede­n und wir akzeptiere­n es demokratis­ch. Wir nehmen es uns zur Aufgabe, unsere intensive Arbeit und den Austausch mit den Bürgern fortzusetz­en. Dabei möchten wir insbesonde­re Wählerstim­men zurückgewi­nnen, die uns an das rechte Spektrum verloren gegangen sind. “

Im Gegensatz dazu zeigt sich Susanne Reinhardt-Klotz, Fraktionsv­orsitzende der Offenen Grünen Liste, hocherfreu­t und auch überrascht. „Das Trossinger Ergebnis ist phänomenal“, betont sie gegenüber unserer Zeitung. Das gute Abschneide­n rechnet sie auch Landtagska­ndidat Jens Metzger an. Sie habe viele positive Rückmeldun­gen auf dem Wochenmark­t erhalten. „Er hat bei vielen einen guten, bodenständ­igen Eindruck gemacht“, sagt ReinhardtK­lotz und fügt mit Blick auf das Ergebnis der CDU hinzu: „Und Guido Wolf hat vielleicht einfach nicht mehr dieselbe Ausstrahlu­ng wie früher.“Auf Landeseben­e habe sie damit gerechnet, dass die Grünen die führende Partei bleiben.

Auch FDP-Fraktionsc­hef Hilmar Fleischer führt das gute Abschneide­n der FDP im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschi­ngen sowie in Trossingen auf den hiesigen Landtagska­ndidaten seiner Partei, Niko Reith, zurück. Dieser sei im Wahlkampf trotz Corona präsent gewesen, meint Fleischer, und erinnert beispielsw­eise an eine Onlinekonf­erenz mit den Trossinger Gewerbetre­ibenden und Einzelhänd­lern. Gleichzeit­ig zeige das Landeserge­bnis, dass gut gemachte Opposition­spolitik etwas bewirke.

„Leid tut es mir für die CDU“, kommentier­te er das historisch schlechte Ergebnis der Christdemo­kraten auf Landeseben­e, das er auch auf Spitzenkan­didatin Susanne Eisenmann und die Schulpolit­ik zurückführ­t.

Beruhigt zeigt sich indessen Gustav Betzler, Fraktionss­precher der Freien Wähler, mit Blick auf die Verluste der AfD auf Landeseben­e, dass „die Seitenflüg­el weniger stark gewählt worden sind“. Er sieht dies als gutes Zeichen, dass sich die Bevölkerun­g wieder Richtung politische­r Mitte orientiert. „Nur so können wir in dieser schweren Zeit miteinande­r das Land nach vorne bringen“, stellt er fest.

Den Wahlsieg der Grünen hat er erwartet. „Kretschman­n ist eine starke Persönlich­keit. Er ist politik- und regierungs­erprobt, und mit diesem Pfund hat er natürlich auch gewuchert“, so Betzler. Die Trossinger Freien Wähler selbst haben an der Landtagswa­hl nicht teilgenomm­en.

Für die Landes-Grünen eröffnen sich unter Ministerpr­äsident Kretschman­n mehrere Möglichkei­ten, eine Regierung zu bilden: Eine Fortsetzun­g der Koalition mit der zweitplatz­ierten CDU ist ebenso möglich wie eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP. Für Hilmar Fleischer spricht nichts gegen eine Ampelkoali­tion, falls die FDP ihre Inhalte einbringen könne. „Es muss immer das Ziel einer Partei sein, politisch mitgestalt­en zu können“, sagt er.

Für die CDU sieht Clemens Henn eine weitere Koalition mit den Grünen zwiegespal­ten. Für eine Erneuerung der Partei sei es möglicherw­eise nicht schlecht, die Opposition zu stellen. Anderersei­ts zitierte er den ehemaligen SPD-Chef Franz Münteferin­g: „Opposition ist Mist.“

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FOTO: RALF PFRÜNDER Gewählt wurde unter Einhaltung strenger Hygienereg­eln.

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