„Manche wollen, dass wir sie trotzdem impfen“
Bernhard Flad, Leiter des Kreisimpfzentrums, über die Situation vor Ort nach dem Astrazeneca-Impfstopp
(skr) - Nach dem vorläufigen Stopp der Astrazeneca-Impfung durch das Bundesgesundheitsministerium, fallen am Kreisimpfzentrum (KIZ) Tuttlingen täglich 330 Impfungen weg. Redakteurin Sabine Krauss hat sich mit Bernhard Flad vom Führungsteam des KIZ über die aktuelle Situation vor Ort unterhalten.
Herr Flad, wie viele Personen, die einen Impftermin mit Astrazeneca gebucht hatten, sind heute trotzdem gekommen?
Etwa ein Fünftel der Personen, die einen Impftermin mit Astrazeneca gehabt hätten, sind gekommen. Wir mussten sie leider alle wieder heimschicken. Die Information über die Medien scheint ansonsten aber gut funktioniert zu haben. Die meisten Personen haben mitbekommen, dass ihre Impfung vorerst ausfällt. Zudem sind wir gerade dabei, eine E-Mail an die betroffenden Impflinge zu verfassen, um sie über die aktuelle Aussetzung des Impfstoffs persönlich zu informieren.
Wie groß war das Verständnis bei denjenigen, die trotzdem kamen?
Es gab einige, die kein Verständnis dafür hatten., wir hatten bereits am Vormittag einige Diskussionen. Die Menschen sind motiviert, sich impfen zu lassen und sind nun verständlicherweise enttäuscht. Manche wollten auch, dass wir sie auf ihre eigene Veranwortung trotzdem impfen – aber das machen wir natürlich nicht, weil wir es auch gar nicht dürfen. Wir im Kreisimpfzentrum müssen vor Ort die Konsequenzen der Entscheidung der Bundesregierung nun ein Stück weit auslöffeln.
Was ist mit den Über-80-Jährigen, werden sie auch heimgeschickt?
Nein. Die Über-80-Jährigen, die einen Impftermin mit dem Astrazeneca-Impfstoff gehabt hätten und trotzdem zu uns kommen, impfen wir dann mit Biontech. Wir haben, wie vom Sozialministerium empfohlen, eine Impfstoff-Notreserve angelegt, die wir in solchen Fällen zum Einsatz bringen. Diese Notreserve gibt es deshalb, da ja auch mal beim Transport etwas passieren könnte oder wir eine Charge nicht nutzen können. Da wir ja auch für den zweiten Impftermin immer genügend Impfstoff bereithalten müssen, ist es wichtig diese Notreserve vorzuhalten, um Engpässe oder gar Terminabsagen zu vermeiden.
Was bedeutet der vorläufige Stopp nun für die Arbeit im Kreisimpfzentrum?
Wir hatten zuletzt alle sechs Impfstraßen in Betrieb, drei für den Biontech-Impfstoff, drei für Astrazeneca. Nun arbeiten wir mit gedrosselter Leistung: Statt 600 Menschen impfen wir nun nur noch 250 pro Tag. Wir sind alle etwas frustriert. Es ist eine unbefriedigende Situation, da wir ja alle gerne mehr impfen würden.
Was halten Sie selbst von der Entscheidung der Bundesregierung, mit der Astrazeneca-Impfung vorerst auszusetzen?
Ich muss sagen: Ich bin Verwaltungsmann und kein Mediziner. Es gibt Für und Wider. Auf der einen Seite halte
ANZEIGEN ich es für richtig, die Menschen in größtmöglichster Sicherheit zu wiegen, wenn sie zum Impfen kommen. Es ist sicherlich richtig, den Impfstoff für die Überprüfung zeitweise vom Markt zu nehmen, bis alle Bedenken ausgeräumt sind. Ich habe Verständnis für die politisch Verantwortlichen, die auf Grund der Empfehlungen der Wissenschaftler des Paul-Ehrlich-Instituts gar nicht anders können, als die Impfung vorerst auszusetzen. Andererseits hat die Entscheidung gravierende Auswirkungen. Nicht nur, dass die Menschen enttäuscht sind, weil ihr Termin abgesagt wurde. Ich bin mir auch sicher, dass es nun immer eine Rest-Skepsis gegen diesen Impfstoff Astrazeneca geben wird.
Gibt es im Moment überhaupt eine Chance, im Kreisimpfzentrum Tuttlingen einen Termin zu bekommen?
Ja, die gibt es, aber natürlich eingeschränkter. Pro Tag impfen wir ja noch 220 Personen mit Biontech – und diese Anzahl an neuen Terminen wird auch täglich freigeschaltet. Allerdings ist es inzwischen nicht mehr so, dass die Freischaltung ausschließlich um Mitternacht geschieht. In den letzten Tagen war es zum Teil erst in den Morgenstunden der Fall.